Balint Journal 2004; 5(2): 56-57
DOI: 10.1055/s-2004-819010
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Erfahrungen mit Kursen zur Vermittlung psychotherapeutischer Grundkenntnissen für praktische Ärzte

J. Beran1 , Z. Vlacihova1 , S. Kratochvil1
  • 1Psychiatrische Klinik Universitätskrankenhaus Pilsen
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Publication Date:
01 July 2004 (online)

Der praktische Arzt stößt bei seinen Patienten sehr häufig auf psychologische Probleme. In einigen Fällen trägt sie der Patient selbst vor, oft sind sie aber hinter somatischen Beschwerden verborgen. Auf den Umgang mit den psychologischen Problemen ihrer Patienten sind die meisten Ärzte schlecht vorbereitet. Sie arbeiten lieber mit Patienten, deren Krankheiten eine eindeutige organische Ursache haben und die sich pharmakologisch oder durch andere somatisch orientierte Maßnahmen beeinflussen lassen.

Seit der Mitte der achtziger Jahre bemühen wir uns, interessierten praktischen Ärzten zu helfen, größere Kompetenz sowohl in der Erkennung der psychologischen Probleme ihrer Patienten als auch beim Einsatz psychotherapeutisch orientierter Interventionen zu erwerben. Das Dozententeam arbeitet seit langem unverändert zusammen. Es besteht aus einem Psychiater, einem Psychologen und einer praktischen Ärztin. Alle haben eine psychotherapeutische Ausbildung und praktische psychotherapeutische Erfahrung. In ihrer psychotherapeutischen Orientierung decken sie ein breites Spektrum von Theorien und Methoden ab, wie zum Beispiel empathische und dynamische Psychotherapie, kognitiv-behaviorale Therapie, Logotherapie, Familientherapie und andere [4]. Die Dozenten streben an, die Möglichkeiten eines psychotherapeutischen Zugangs in der Arbeit von praktischen Ärzten aufzuzeigen, nicht eine spezielle Ausbildung in psychotherapeutischen Methoden und Theorien. Sie lassen sich von einem eklektischen Ansatz leiten, bei dem aus den bestehenden bewährten Verfahren methodische Teile ausgesucht werden, die für kurzfristige unterstützende Interventionen geeignet sind [2].

Im Laufe der Jahre entstand eine stabile Struktur des Ausbildungsprogramms in Form eines zweiteiligen Kurses. In der Anfangsperiode (ab 1984) waren die Teile des Kurses zunächst fünftägig, ab 1992 wurde jeder Teil auf drei Tage verkürzt. Der Grund dafür war die Entstehung der privaten Praxen der praktischen Ärzte. Die privat arbeitenden Ärzte fürchteten den Verlust von Patienten durch ihre Abwesenheit. Ein Kurs hat regelmäßig rund zehn Teilnehmer.

Der wesentliche Teil des Programms beruht auf der aktiven Mitwirkung der Teilnehmer. Kurze einführende Vorlesungen, die über Psychotherapie und neurotische und psychosomatische Störungen informieren, zielen auf die Anregung von Diskussionen und weiterführendem Selbststudium. Es wird über die Prinzipien der Führung psychotherapeutischer Gespräche und über unterstützende Psychotherapie gesprochen, auch über das Burn-out-Syndrom. Bei der Themenwahl wird von den jeweiligen Interessen der Anwesenden ausgegangen. Ein wichtiger Teil des Programms sind problemorientierte Seminare und Balint-Gruppen.

Die Seminare gehen von den Problemsituationen aus, denen die Ärzte in der Praxis gegenüberstehen [3]. Unserer Erfahrung nach gehören dazu besonders: ernste zwischenmenschliche Konflikte, seelische Krisen, psychologische Aspekte psychischer Erkrankungen und die Information des Patienten bei der Diagnose maligner Erkrankungen. Über die Problemsituationen wird nicht nur diskutiert, sondern sie werden auch in Rollenspielen bearbeitet. Dabei ist es fruchtbar, wenn der Arzt die Rolle seines Patienten einnimmt. Ziel ist die Verbesserung der kommunikativen Kompetenz, der Fähigkeit zur Führung psychotherapeutisch orientierter Gespräche und die Aneignung eines stützenden psychotherapeutischen Vorgehens.

Ein besonders wichtiger Bestandteil sind die Balint-Gruppen [1], auf die wir näher eingehen möchten. Für die Mehrzahl der Kursteilnehmer sind die Balint-Gruppen neu. Balint-Gruppen richten ihre Aufmerksamkeit auf Schwierigkeiten in der Arzt-Patient-Beziehung und deren unbewusste Seiten.

Ein oft in Balint-Gruppen auftauchendes Thema ist die Omnipotenz des Arztes. Ärztliche Ausbildung und Praxis können die Vorstellung von Omnipotenz erwecken. Manche Patienten mit psychogenen Problemen, bei denen der Arzt mit seinem gewohnten medizinischen Vorgehen in der Regel weniger erfolgreich ist, stören seine Omnipotenzvorstellung. Dadurch kann ein Gefühl professionellen Versagens, der Machtlosigkeit und vielleicht sogar von Wut entstehen. Die Ärzte ärgern sich dann über sich, weil es ihnen nicht gelingt, die Beschwerden zu beseitigen, die keine sichtbare somatische Grundlage haben. Sie ärgern sich über die Patienten, die auf diese Weise ihr Selbstgefühl verletzen. Um ihr Selbstgefühl zu schützen, können Ärzte die Tendenz entwickeln, die Beschwerden somatisierender Patienten zu bagatellisieren. Die Rationalisierung dafür, diese Patienten nicht ernst zu nehmen, wird darin gefunden, dass die Somatisierung im Grunde genommen das Leben des Patienten nicht bedroht.

In der Balint-Gruppe finden wir das Problem des beeinträchtigten Selbstgefühls des Arztes auch oft bei der Bearbeitung der Beziehung zu Patienten, die an schweren oder infausten Krankheiten leiden. Der Arzt ist durch seine Praxis gewohnt, aktiv zu handeln. Es ist für ihn dann eine ganz neue Einsicht, wie hilfreich es sein kann, dem kranken Patienten einfach zuzuhören, ihm zu zeigen, dass er ihn in schweren Stunden nicht verlässt, auch wenn er ihn nicht heilen kann. Solche Erfahrungen entlasten die Ärzte oft und geben ihnen ihre professionelle Sicherheit wieder.

In der Balint-Gruppe begegnen wir auch dem Thema der Verantwortlichkeit des Arztes. Der Arzt ist für sein diagnostisches und therapeutisches Handeln verantwortlich. Er kann aber nicht die Verantwortung für das Handeln eines undisziplinierten und verantwortungslosen Patienten übernehmen, der seine Medikamente nicht einnimmt oder sich nicht an eine Diät halt. Der erwachsene Mensch ist selbst für sich verantwortlich. Falls er sich bewusst selbst schädigt, sollte der Arzt sich nicht vorwerfen, dass er nicht alles getan hätte, was zu tun vielleicht noch möglich gewesen wäre. Eine Einstellungsänderung, die darauf hinausläuft, die angemessene Verantwortung dem Patienten zu übertragen, erleichtert den Arzt und tut auch dem Patienten gut.

Sich der Grenzen der eigenen Möglichkeiten bewusst zu sein ist auch wichtig, wenn die therapeutischen Möglichkeiten bei chronischen somatischen Erkrankungen ausgeschöpft erscheinen. Manche Patienten neigen zur Aggravation. Sie haben zwar pathologische Befunde, sie können aber das Maß der angegebenen Beschwerden nicht erklären. Oft bemüht sich dann der Arzt um immer neue therapeutische Versuche, von derer Wirksamkeit er selbst nicht überzeugt ist. Er scheut sich, mit dem Patienten offen über die Situation zu sprechen. Wir ermutigen unsere Teilnehmer, in solchen Situationen nicht das offene Gespräch zu vermeiden. Es ist der Weg zur Zusammenarbeit auf einer partnerschaftlichen Ebene.

In der Balint-Gruppe werden auch Situationen bearbeitet, in denen der Arzt Patienten gegenübersteht, bei denen die Erkrankung wesentliche Veränderungen der bisherigen Lebensweise bedingt, wie zum Beispiel durch die Notwendigkeit einer regelmäßigen Dialyse. Dabei ist es die Aufgabe des Arztes, dem Patienten zu helfen, die Realität der Erkrankung zu akzeptieren, aber seine Lebensweise nur im wirklich notwendigen Maße zu ändern und sich seine Lebensqualität so weit wie möglich zu bewahren.

Ein weiteres Thema ist die Arbeit mit allein lebenden Patienten. Es handelt sich meistens um ältere Leute, die neben ihren verschiedenen Krankheiten auch an ihrer sozialen Isolierung leiden. Der Besuch des Arztes ist für sie eine der wenigen Gelegenheiten zum zwischenmenschlichen Kontakt. Die Begegnung mit dem Arzt ist für diese Patienten oft die wichtigste Möglichkeit, aus ihrer Isolierung herauszutreten. Viele Ärzte unterschätzen die Bedeutung dieser Kontakte und haben das Gefühl verlorener Zeit, weil sie darin keine medizinisch begründete Therapie erkennen können. Bei der richtigen Einstellungsänderung beginnt diese Seite ihrer Tätigkeit ihnen auch Befriedigung zu geben. Bei solchen Besuchen gilt die Aufmerksamkeit nicht nur der Krankheit, sondern auch den Lebensumständen des Patienten. Das verlangt eine professionelle Umorientierung. Der Arzt ist oft zu wenig gewohnt, seine Aufmerksamkeit auch Dingen zu widmen, die nicht unmittelbar mit krankhaften Veränderungen zu tun haben. Dabei ist eine Orientierung zum positiven Denken ein wichtiger Bestandteil sowohl der stützenden Psychotherapie als auch der Psychohygiene des Arztes.

Literatur

  • 1 Balint M. Lékar, jeho pacient a nemoc. Praha; Grade 1999
  • 2 Beran J. Základy psychoterapie pro lékare. Praha; Grada 2000
  • 3 Honzak R. Komunikacni pasti v medisine. Praha; Galén 1997
  • 4 Kratochvil S. Základy psychoterapie. Praha; Protál 2000

Doc. Dr. Jiri Beran

Psychiatrische Klinik Universitätskrankenhaus Pilsen

alej svobody 80

30460 Pilsen

Tschechische Republik

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