Klassische Neuroleptika werden immer noch von vielen Klinikern als unverzichtbar zur
Therapie der akuten Manie angesehen. In akuten Exazerbationen einer bipolaren Störung
werden viele Patienten hochdosiert mit Neuroleptika behandelt, in vielen Fällen wird
dieses Behandlungsregime auch noch lange nach Besserung der initialen manischen Symptomatik
weitergeführt. Drei Viertel aller Patienten mit einer ersten manischen Episode werden
mit Neuroleptika behandelt und bei 25-50 % dieser Patienten wird diese Therapie auch
sechs Monate später noch fortgesetzt [16]. Darunter kommt es häufig zu extrapyramidal-motorischen Nebenwirkungen mit negativen
Effekten auf die Compliance der Patienten; zusätzlich ist zu befürchten, dass durch
klassische Neuroleptika der depressive Anteil der bipolaren Störung nicht gebessert
und eventuell noch verschlimmert wird [3].
Klassische und atypische Neuroleptika in der Behandlung der akuten Manie
Eine Alternative stellt der Einsatz atypischer Antipsychotika dar, die bei vergleichbarer
Wirksamkeit ein geringeres Potential zur Auslösung von EPS haben. Bisher sind mit
Olanzapin, Risperidon und Quetiapin bereits drei atypische Antipsychotika zur Therapie
der bipolaren Manie zugelassen. Alle Substanzen werden inzwischen verbreitet und mit
gutem Erfolg zur Behandlung der bipolaren Störung eingesetzt; insbesondere zur Akutbehandlung
ist die Studienlage für Atypika gut. So konnte beispielsweise für Olanzapin in einer
doppelblinden Untersuchung eine signifikante Überlegenheit gegenüber Plazebo bei manischen
Patienten nachgewiesen werden [15]; für Risperidon fand sich eine äquivalente Wirksamkeit bei einem doppelblinden Vergleich
mit Lithium und Haloperidol [14]. Der Einsatz von Atypika bei akuter Manie stellt eine relativ sichere Behandlungsoption
dar, mit der Symptome wie Unruhe, Aggressivität und Wahnideen effektiv behandelt werden
können. Verbreitet werden Antipsychotika schon zu Beginn der Behandlung mit Stimmungsstabilisierern
kombiniert. Diese Kombinationsbehandlung ist in der initialen Phase der Manietherapie
effektiver als Lithium oder Antiepileptika alleine und ermöglicht einen schonenden
Übergang auf eine kontinuierlich eingenommene Phasenprophylaxe [13]. Auch bei Atypika limitieren gelegentlich unerwünschte Medikamentenwirkungen die
Möglichkeit eines längerfristigen Einsatzes. So verursacht Olanzapin bei nicht wenigen
Patienten eine erhebliche Gewichtszunahme; Risperidon kann dosisabhängig EPS und insbesondere
Akathisie verursachen.
Aripiprazol: ein partieller Dopaminagonist
Das Chinolonderivat Aripiprazol, das in den USA bereits seit über einem Jahr zugelassen
ist und dessen Zulassung in Deutschland und Europa noch in diesem Jahr erwartet wird,
ist ebenfalls ein atypisches Antipsychotikum, dessen Wirkmechanismus sich aber entscheidend
von dem aller bisherigen Neuroleptika unterscheidet [11]. Klassische Neuroleptika wie Haloperidol sind im Wesentlichen Antagonisten am Dopamin-2-Rezeptor.
Die meisten Atypika blockieren ebenfalls diesen Rezeptor sowie eine ganze Reihe anderer
Rezeptortypen mit unterschiedlicher Affinität. Aripiprazol ist hingegen ein partieller
D2-Agonist [2]. Die Substanz bindet mit hoher Affinität an D2-Rezeptoren und blockiert diese gegen eine Aktivierung durch endogenes Dopamin. Im
Gegensatz zu reinen D2-Antagonisten wie Haloperidol hat Aripiprazol jedoch eine intrinsische Wirksamkeit
am Rezeptor und aktiviert diesen. Als partieller Agonist hat die Substanz aber keine
100 %ige Aktivität und liegt in ihrer Effektivität am Rezeptor deutlich unter der
von Dopamin. Auch bei hoher Besetzung fast aller striataler D2-Rezeptoren kommt es immer noch zu einer mäßigen Stimulation dieser Rezeptoren. Aripiprazol
ist demnach in der Lage, eine Überstimulation dopaminerger Rezeptoren durch einen
Überschuss von endogenem Dopamin zu verhindern, hält aber gleichzeitig eine moderate
Rezeptoraktivität aufrecht. Aus diesen Rezeptoreigenschaften erklärt sich vermutlich
der Wirkmechanismus von Aripiprazol bei der Schizophrenie. Bei dieser Erkrankung kommt
es zu einer dopaminergen Dysfunktion in verschiedenen Arealen des ZNS. Im mesolimbischen
System werden durch eine vermehrte Dopaminfreisetzung produktiv-psychotische Symptome
verursacht [6]. Diesen hyperdopaminergen Zustand blockieren alle Neuroleptika einschließlich Aripiprazol.
Gleichzeitig kommt es jedoch im mesokortikalen System zu einer verminderten Aktivität
der dopaminergen Transmission, die für die schizophrene Negativsymptomatik verantwortlich
gemacht wird [4]. Aripiprazol kann durch seinen partiellen Agonismus hier eine dopaminerge Aktivierung
aufrechterhalten - im Gegensatz zu reinen D2-Antagonisten, die klinisch dementsprechend auch keine Wirksamkeit gegen die schizophrene
Negativsymptomatik aufweisen [Abb. 1]. Im nigrostriatalen System werden durch eine Blockade von D2-Rezeptoren durch klassische Neuroleptika die extrapyramidalmotorischen Nebenwirkungen
verursacht. EPS kann durch den partiellen Agonismus von Aripiprazol in diesem System
ebenfalls weitgehend verhindert werden. Vergleichbar verhält sich Aripiprazol am serotonergen
5-HT1A-Rezeptor, der eine wichtige Rolle in der Pathophysiologie von Depression und
Angst spielt. Auch hier ist die Substanz ein partieller Agonist, jedoch mit geringerer
Affinität als beim D2-Rezeptor (7).
Aripiprazol ist wirksam in der Behandlung der Schizophrenie
Die Wirksamkeit von Aripiprazol in der Behandlung der Schizophrenie wurde in mehreren
Kurz- und Langzeitstudien nachgewiesen. In zwei doppelblinden Studien über jeweils
28 Tage zeigte Aripiprazol eine signifikant bessere Wirkung als Plazebo und war gleich
wirksam wie Haloperidol und Risperidon [8]
[12]. Über einen Zeitraum von einem halben Jahr verdoppelte Aripiprazol im Vergleich
zu Plazebo die Dauer bis zu Auftreten eines Rezidivs und erwies sich nach einem Jahr
dem Haloperidol deutlich überlegen [10].
Therapie der Manie mit Aripiprazol
Aufgrund der Stabilisierung sowohl des Dopamin- als auch des Serotoninsystems durch
Aripiprazol verspricht die Substanz eine mögliche bipolare Wirkung: Wie D2-Antagonisten könnte Aripiprazol einer dopaminergen Überfunktion und damit einer manischen
Exazerbation entgegenwirken, während durch die Blockade von 5-HT1A-Rezeptoren möglicherweise
eine antidepressive Wirkung zu erwarten wäre [5]. Es lag daher nahe, die Wirksamkeit von Aripiprazol neben der Schizophrenie auch
bei affektiven Erkrankungen zu testen.
Bislang liegen die Ergebnisse von zwei großen Multicenter-Studien vor, die den Einsatz
von Aripiprazol bei akuten Manien untersuchten. Die erste Untersuchung wurde in 38
US-amerikanischen Zentren durchgeführt [9]. In diese Studie wurden 262 Patienten eingeschlossen; es handelt sich damit um die
größte bislang durchgeführte plazebo-kontrollierte Maniestudie. In der 3-wöchigen
Untersuchung wurden die Patienten mit einer Einmalgabe von 30 mg Aripiprazol, das
bei Unverträglichkeit auf 15 mg reduziert werden konnte, oder Plazebo behandelt. Die
Behandlung musste in den ersten beiden Wochen unter stationären Bedingungen durchgeführt
werden. Nach Ende der zweiten Woche konnten die Patienten bei Besserung der Symptomatik
entlassen werden; bei klinischer Verschlechterung konnte zu diesem Zeitpunkt auf eine
offene Behandlung mit dem Verum umgestellt werden. Visiten wurden an den Tagen 4,
7, 10, 14 und 21 durchgeführt; primäres Zielkriterium war die Veränderung des Wertes
in der Young Mania Rating Scale (YMRS), der bei Studienbeginn bei durchschnittlich
29 lag. Als Komedikation konnte Lorazepam in relativ hoher Dosis verwendet werden.
In der Aripiprazol-Gruppe beendeten 42 % der Patienten die dreiwöchige doppelblinde
Behandlungsphase, in der Plazebogruppe nur 21 %. Bei etwa 10 % der Patienten pro Behandlungsgruppe
musste die Studie wegen unerwünschter Nebenwirkungen abgebrochen werden, mangelhafte
Wirkung war hingegen der Hauptgrund für die übrigen, zwischen den Gruppen signifikant
unterschiedlich häufigen Abbrüche. Die durchschnittliche Aripiprazol-Dosierung war
27,9 mg pro Tag; bei 86 % der Patienten wurde die anfängliche Dosis von 30 mg pro
Tag bis zum Studienende weitergeführt.
Die Unterschiede der YMRS-Werte waren von Tag 4 an signifikant [Abb. 2]. Aripiprazol führte bei Studienende zu einer Verminderung des YMRS-Wertes um 8,15
Punkte; Plazebo reduzierte den Ausgangswert hingegen nur um 3,35 Punkte. Unter Aripiprazol
wurden nach drei Wochen 40 % der Patienten als Responder eingestuft, unter Plazebo
nur 19 %. Auch bei Verwendung der Clinical Global Impression Skala (CGI) war Aripiprazol
signifikant überlegen. Gastrointestinale Nebenwirkungen, Akathisie und Sedierung wurden
in der Aripiprazolgruppe häufiger als in der Kontrollgruppe als unerwünschte Wirkungen
berichtet. Die meisten Nebenwirkungen traten in der ersten Behandlungswoche auf und
hielten nur wenige Tage an. In zwei Skalen, die extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen
erfassten, kam es unter Aripiprazol zwar nur zu marginalen, aber signifikanten Verschlechterungen
im Vergleich zu Plazebo. Unter beiden Behandlungsregimen kam es zu einer leichten
Gewichtsabnahme und durchschnittlich zu einer Verminderung des Prolaktinspiegels.
Eine Veränderung des QT-Intervalls oder hämatologische Komplikationen wurden unter
Aripiprazol nicht beobachtet.
Gemäß den US-amerikanischen Zulassungsbestimmungen wurde in dieser Studie die Überlegenheit
von Aripiprazol gegenüber Plazebo nachgewiesen. Die Wirksamkeitsparameter entsprechen
in ihrer Größenordnung den Ergebnissen ähnlicher Studien mit anderen Atypika; es wurde
ein schneller Wirkungseintritt innerhalb weniger Tage beobachtet. Aripiprazol wurde
generell gut vertragen, so dass es zu wenigen Behandlungsabbrüchen aufgrund unerwünschter
Wirkungen kam.
Ein anderes Design wählte eine zweite Studie, die hauptsächlich in Europa durchgeführt
wurde [1]. In diese Studie wurden 347 Patienten mit einer manischen oder gemischten Episode
eingeschlossen, die über zwölf Wochen behandelt wurden. Aripiprazol wurde in einer
Dosierung von 15 mg/Tag begonnen und konnte bis auf 30 mg erhöht werden, die durchschnittliche
Dosierung bei Studienende betrug 21,6 mg/Tag. Als Vergleichssubstanz diente in dieser
Untersuchung Haloperidol, das von 10 auf 15 mg/Tag titriert werden konnte. Hier betrug
die durchschnittliche Dosierung 11,6 mg/Tag. Primäres Zielkriterium war die Responder-Rate.
50,9 % der Patienten unter Aripiprazol und 29,1 % der Patienten unter Haloperidol
beendeten die zwölf-wöchige Behandlungsphase. Etwa 50 % der Aripiprazol-Patienten
wurden nach zwölf Wochen aufgrund einer Reduktion des YMRS um mindestens 50 % als
Responder eingestuft, in der Haloperidol-Gruppe jedoch nur knapp 30 %. Dieser Unterschied
war signifikant. Beide Gruppen unterschieden sich hinsichtlich der Abnahme des YMRS-Wertes
nur wenig, aber es kam zu einer wesentlich höheren Responder-Rate unter Aripiprazol
aufgrund der sehr viel kleineren Zahl von Studienabbrechern [Abb. 3]. Hauptgrund für die Beendigung der Therapie waren unerwünschte Wirkungen, insbesondere
EPS und Akathisie, die unter Haloperidol sehr viel häufiger auftraten. In der Haloperidolgruppe
stiegen die Prolaktinspiegel an, unter Aripiprazol fielen sie ab. Auch in dieser Studie
wurden weder Gewichtszunahme noch EKG-Veränderungen beobachtet.
Im Gegensatz zur US-amerikanischen Zulassungsstudie entspricht diese Untersuchung
eher der europäischen Behandlungsrealität, da gegen Haloperidol getestet wurde und
ein längerer Behandlungszeitraum gewählt wurde. Auch wurden keine Rapid-Cycling-Patienten
eingeschlossen, die durch eine erhöhte Rate von Spontanremissionen die Ergebnisse
möglicherweise verzerren könnten. Die Wirksamkeit von Aripiprazol entsprach der von
Haloperidol, die Substanz wurde jedoch weitaus besser vertragen, so dass die Behandlung
bei mehr Patienten über einen längeren Zeitraum fortgeführt werden konnte.
Zusammenfassend ist Aripiprazol eine Substanz, die über eine ausgeprägte antimanische
Wirksamkeit bei guter Verträglichkeit verfügt. Ihr Einsatz bietet sich bei solchen
Patienten an, deren manische Symptomatik alleine durch Stimmungsstabilisierer wie
Lithium oder Valproat nicht unter Kontrolle zu bekommen ist. Es scheint zu weniger
EPS als unter klassischen Neuroleptika und zu einer geringeren Gewichtszunahme als
unter Olanzapin zu kommen. Erstmals wurde ein Atypikum primär noch vor der Markteinführung
für die Indikation der Schizophrenie im großen Maßstab an bipolaren Patienten mit
dem Ziel der Zulassung für diese Indikation gestestet. Die Ergebnisse von Langzeitstudien
zur Phasenprophylaxe und zur Behandlung bipolarer Depressionen stehen noch aus. Dennoch
handelt es sich bei Aripiprazol schon jetzt um eine vielversprechende Erweiterung
der medikamentösen Möglichkeiten bei bipolaren Erkrankungen.