Der Verlauf des Diabetes und seiner Folgekomplikationen bei einem Patienten hängt
wesentlich von der Qualität der Stoffwechseleinstellung ab. In vielen Studien,
herausragend in der DCCT [39]
[40] [42], wurde dies nachgewiesen. Gegenüber der konventionellen Therapie zeigte sich
die Überlegenheit der intensivierten Diabetestherapie mit ICT (intensivierte konventionelle
Insulintherapie) oder CSII (kontinuierliche subkutane Insulin-Infusion). Entscheidender
Vorteil der CSII ist die Möglichkeit der vollständigen Trennung und individuellen
Steuerbarkeit von prandialer und basaler Insulinversorgung.
Die Einführung der Insulinpumpentherapie in die Behandlung des Typ 1-Diabetes
erfolgte 1977 [7]. Damals galten ausgeprägte Blutglukoseschwankungen, Dawn-Phänomen, unregelmäßiger
Tagesablauf und der Wunsch nach Flexibilität sowie die optimale Stoffwechselführung
in der Schwangerschaft als Indikationen. Hypoglykämieprobleme stellten eine Kontraindikation
dar. Mit Verbesserung der Pumpentechnik, mehr Sicherheit und effizienterer
Patientenschulung sind die Indikationen erweitert worden. In den 90er-Jahren sank
die Rate akuter Hypoglykämien unter CSII. Gegenüber der ICT lässt sich die Stoffwechseleinstellung
unter CSII verbessern und die Häufigkeit schwerer Hypoglykämien reduzieren [24]
[44]. Heute zählt die Hypoglykämieneigung zu den Hauptindikationen der Pumpentherapie.
Bei Kindern und Jugendlichen wird die CSII seit 1979 eingesetzt, anfangs nur in
Einzelfällen bei besonderen Problemen. Seit ca. 5 Jahren findet sie eine rasch
zunehmende Verbreitung mit ähnlichen Indikationen wie bei Erwachsenen [3]
[19]
[36]
[37]
[43]
[45].
Aktuelle Technik
Aktuelle Technik
Durch konsequente Weiterentwicklung der Technik sind die heute eingesetzten Insulinpumpen
klein, handlich, multifunktional, sicher und einfach zu bedienen (Abb. [1]).
Abb. 1 Insulinpumpen aus den 80er-Jahren (Mill Hill Infusor 1001, Fa. Muirhead Medical
Products; Promedos E1, Fa. Siemens) und aktuelle Modelle (D-Tron plus, Fa. Disetronic;
Paradigm 511, Fa. Medtronic Minimed).
Die ursprünglich starre Basalrate kann in 24 bzw. 48 Schritten individuell einprogrammiert
werden. Die meisten Pumpen bieten die Möglichkeit, zwischen 2-3 verschiedenen
Basalratenprofilen für Tage mit unterschiedlichem Insulinbedarf zu wählen. Bei
kurzfristig verändertem Insulinbedarf kann die Basalrate zusätzlich temporär
angepasst werden.
Zu den Mahlzeiten und zur Korrektur hoher Blutglukosewerte wird der Insulinbolus
aktuell programmiert. Dieser kann wahlweise sofort oder verzögert abgegeben werden.
Die Pumpe gibt Alarm, wenn das Insulinreservoir oder die Batterien leer sind,
wenn der Infusionsdruck zu hoch ist (z. B. bei verstopftem Katheter) oder wenn
andere Fehlfunktionen eintreten. Sicherheitsschaltungen in den Pumpen verhindern,
dass mehr Insulin als beabsichtigt infundiert wird. Über eine Tastatursperre können
unbeabsichtigte Insulingaben bei Patienten, die ihre Pumpentherapie nicht
selbst steuern (z. B. Kleinkinder oder geistig Behinderte), verhindert werden.
Alle Daten über abgegebene Basalrate, Insulinboli und Alarme werden von der Pumpe
gespeichert. Das Insulin wird aus dem Reservoir (120-300 IE) durch ein flexibles
Schlauchsystem mit einer Stahl- oder Teflonkanüle subkutan infundiert. Die Katheter
werden als Fertigsets mit Pflasterfixierung angeboten. Die von Patienten oft geäußerte
Hoffnung, dass die Pumpe Insulin automatisch dosiert, trifft nicht zu. Es
bleibt (noch) bei einem offenen, vom Patienten gesteuerten System.
Hilfreich in der Bewertung des Glukosestoffwechsels bei schwierigen Neueinstellungen
und zur Therapieanpassung kann eine kontinuierliche Glukosemessung sein. Die derzeit
verfügbaren Glukosesensoren sind aber bisher nur als Expertensysteme zur Trendanalyse
tauglich.
Vorteile der CSII
Vorteile der CSII
Bei der CSII wird nur ein kurz wirksames Insulin eingesetzt. Die von den Mahlzeiten
unabhängige Grundversorgung (Basalrate) kann in mehreren Schritten dem physiologischen
Bedarf so gut wie mit keinem anderen Verfahren angepasst werden. Bei geringem
Insulinbedarf kann optimal dosiert werden. Die Resorption erfolgt gleichmäßiger.
Die Therapieanpassung an wechselnde Tagesabläufe oder bei instabiler Stoffwechsellage
kann flexibler gestaltet werden als mit der ICT. Dies führt zu einer verbesserten
Diabeteseinstellung und damit zu einer langfristig besseren Prognose [43-45]. Die Vermeidung von schweren Hypoglykämien ist mit der CSII effektiver möglich
als mit der ICT, dies gilt insbesondere für die Nachtverläufe. Eine Verschlechterung
des HbA1c-Wertes ist damit nicht verbunden. Deshalb profitieren Patienten mit Hypoglykämie-Problemen
besonders von der CSII [3]
[14]
[25]
[44]. Die Lebensqualität verbessert sich unter der CSII, das Alltagsleben wird flexibler
[44] (Tab. [1]).
Tab. 1 Indikationen und Kontraindikationen für die CSII bei Erwachsenen.
<TD VALIGN="TOP">
Indikationen
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Hypoglykämie-Probleme
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Instabile Stoffwechsellage
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Dawn-Phänomen
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Unregelmäßiger Tagesablauf/Schichtdienst
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Hohe Insulinempfindlichkeit/niedriger Insulinbedarf
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Schwangerschaft
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Flexibilität im Alltag
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Diabetesbedingte Organkomplikationen
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Kontraindikationen
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Nicht ausreichende Schulbarkeit/mangelndes Therapieverständnis
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Schwerwiegende psychische Erkrankung
</TD>
Nachteile der CSII
Nachteile der CSII
Die Probleme der CSII in den 80er-Jahren sind weitgehend gelöst worden. Da nur
ein kurz wirksames Insulin eingesetzt wird, ist wegen des fehlenden Insulindepots
die Gefahr einer diabetischen Ketoazidose (DKA) bei zu langsamer Reaktion des
Patienten höher als unter ICT. Im Alltag führt dies aber nicht zu einer signifikanten
Steigerung der Ketoazidose-Raten [2]
[24]
[44].
Infektionen an den Kathetereinstichstellen treten bei gründlicher Hautdesinfektion
und regelmäßigem Wechseln der Katheter alle 2 Tage nur sehr selten auf. Einer
Kontaktdermatitis oder Allergie durch Pflastermaterial kann durch Hautschutzfolien,
Sprühfilme oder Hydrokolloidpflaster begegnet werden. Nur sehr selten führt dies
zum Abbruch der CSII.
Die oft beschriebene Gewichtszunahme trifft für die CSII genauso wie für die ICT
zu [24] [44].
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kurzgefasst: Die heutige Insulinpumpentherapie ist sicher, anwenderfreundlich und erlaubt
meist eine stabilere Diabeteseinstellung. Nachteile sind die möglichen Hautirritationen,
sowie Katheterprobleme. Vorteile sind die verminderte Hypoglykämiegefahr sowie
die verbesserte Langzeitprognose.
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Schulung/Therapie-Training
Schulung/Therapie-Training
Ein eingespieltes Schulungsteam mit viel CSII-Erfahrung soll die nötige Kompetenz
vermitteln. Die Initial-Schulung sollte aus Sicherheitsgründen stationär erfolgen.
Die ambulante Weiterbetreuung in einem kompetenten Pumpenzentrum mit permanenter
Rufbereitschaft muss sichergestellt werden.
Alle Regeln zur Dosierung von Insulin müssen überprüft und angepasst werden. Die
Basalrate wird individuell ausgetestet (Fastentests), die Dosisregeln für die
Boli zu den Mahlzeiten und zur Korrektur erhöhter Blutzucker-Werte müssen empirisch
ermittelt werden. Gleichzeitig muss der Patient die Handhabung der Pumpe erlernen:
Luftblasenfreies Füllen des Insulinreservoirs und des Katheters, Austausch und
Anlegen des Katheters, richtige Programmierung der Pumpe erfordern viel angeleitete
Übung. Grund- und Sonderfunktionen der Pumpe müssen unter alltagsnahen Bedingungen
trainiert werden. Ebenfalls sollte der vorübergehende Wechsel auf die ICT ausprobiert
werden, damit in besonderen Situationen (z. B. Tag im Freizeitbad ohne Pumpe)
oder bei technischem Ausfall der Pumpe keine Insulinmangelsituation oder diabetische
Ketoazidose entsteht. Durch ein umfassendes Training lassen sich Komplikationen
im Verlauf vorbeugen.
Auswahl der Patienten für eine CSII
Auswahl der Patienten für eine CSII
Der Einsatz der CSII muss individuell auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt
werden. Die Bereitschaft zu Stoffwechselselbstkontrollen mit Blutzucker- und Keton-Testungen
sollte vorhanden sein. Eine ausreichende Schulbarkeit/Auffassungsgabe muss gegeben
sein. Bei Steuerung der Pumpe durch Dritte (Eltern, Betreuer, etc.) müssen alle
Betreuer in das Training integriert werden.
Auswahl des Insulins für die CSII
Auswahl des Insulins für die CSII
Für die Pumpentherapie kommen Normalinsuline (Insuman infusat®, Velosulin®) oder die kürzer wirkenden Insulinanaloga (Humalog®, NovoRapid®) in Betracht. Im Vergleich zum endogenen Insulin wirken beide infundierbaren
Insulinsorten verzögert. Die kurzfristige Steuerbarkeit, die bei der CSII
erwünscht und durch die Pumpentechnik möglich ist, wird durch die Analoginsuline
besser unterstützt als durch Normalinsuline. Gerade bei häufigen Boli oder tageszeitlich
großen Schwankungen des Basalbedarfs gibt es bei Verwendung von Analoginsulin
weniger Wirkungsüberlagerungen. Das theoretisch erhöhte Ketoazidoserisiko
macht sich klinisch nicht signifikant bemerkbar [2]
[7]
[26]
[46].
Bei sehr niedrigem Insulinbedarf kann eine Insulinverdünnung eingesetzt werden.
Vom jeweiligen Hersteller gibt es für das Normalinsulin Insuman infusat® die Pufferlösung HOE 21 P®, für Humalog® die Pufferlösung Sterile Diluent®, mit denen jeweils stabile, bis zu 4 Wochen haltbare Lösungen vom Apotheker oder
vom geschulten Patienten angefertigt werden können.
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kurzgefasst: Die Insulinpumpentherapie erfolgt vorzugsweise mit Analoginsulinen. Das individuelle
Pumpentraining und die ambulante Weiterbetreuung mit 24-h-Rufbereitschaft sollen
durch ein erfahrenes Pumpenteam erfolgen.
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Pumpentherapie in Sondersituationen und bei Organkomplikationen
Pumpentherapie in Sondersituationen und bei Organkomplikationen
Sportler und Arbeitnehmer im Schichtdienst profitieren von der CSII durch die
stabile Basalversorgung trotz unterschiedlicher Belastungen und wechselnder Wach-
und Schlafzeiten. Bei hoher körperlicher Belastung während des Sports oder der
Arbeitsschicht bringt die Möglichkeit für mehrere auswechselbare Basalratenprofile
zusätzliche Vorteile für eine stabile Diabeteseinstellung. Die erhöhte Flexibilität
für die Mahlzeitenplanung bleibt erhalten. Durch die Verbesserung der Diabeteseinstellung
mit der CSII lassen sich das Auftreten von Organkomplikationen und die Progression
vorhandener Organschäden verlangsamen [11] [15]
[17]
[23]
[40]
[42].
Pumpentherapie bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes mellitus
Pumpentherapie bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes mellitus
Für einen komplikationenfreien, langfristigen Diabetesverlauf werden die Therapieziele
für Kinder und Jugendliche hoch gesteckt. Die auffälligsten Nachteile der ICT
zeigen sich in der Häufigkeit schwerer Hypoglykämien bei den Kleinkindern und
der unzureichenden Stoffwechseleinstellung mit hohen HbA1c-Werten im Jugendalter [27]. Neben den metabolischen Zielen ist die gesunde psycho-soziale Entwicklung für
die Kinder und Jugendlichen wichtig. Die Gestaltung des Alltags soll durch möglichst
wenig therapieabhängige Vorgaben (z. B. den Ernährungsplan) eingeschränkt werden.
Die derzeit von der Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Diabetologie (AGPD) vorgeschlagenen
Indikationen zur CSII in dieser Altersgruppe sind in Tab. [2] dargestellt.
Der Vorteil der CSII für Kleinkinder liegt in der Dosierungsgenauigkeit kleiner
Insulinmengen, die durch den Einsatz von Insulinverdünnungen (U-5, U-10, U-50)
unterstützt wird. Dies ist für die Basalrate und für Korrekturboli bedeutsam.
Die wesentlich selteneren Einstiche bei der CSII erleichtern die Therapie. Das
alterstypisch unregelmäßige Essverhalten kann besser berücksichtigt werden.
Mit einem rasch wirksamen Analoginsulin wird der Mahlzeitenbolus postprandial
abgerufen. Die Familien empfinden die CSII als Erleichterung in der Diabetestherapie.
Das Tragen der Insulinpumpe wird von den Kindern gut akzeptiert, sie werden in
ihrem Bewegungs- und Spielverhalten durch die Pumpe nicht beeinträchtigt. Durch
eine Tastatursperre werden die Kinder vor unbeabsichtigten Insulingaben geschützt.
Die Möglichkeit zur effektiven Vermeidung von Hypoglykämien macht die CSII für
Kleinkinder zur Therapie der Wahl [3]
[19]
[22]
[24]
[43]
[45].
Tab. 2 Indikationen für die CSII bei Kindern und Jugendlichen.
<TD VALIGN="TOP">
Hypoglykämie-Probleme
-
Häufige Hypoglykämien
-
Nächtliche Hypoglykämien
-
Schwere Hypoglykämien
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Dawn-Phänomen
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Kleinkind < 6 Jahre
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Instabile Stoffwechsellage tags und/oder nachts
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Unzureichende Einstellbarkeit des Diabetes mit der ICT
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Schwangerschaft
</TD>
Für Jugendliche wird die Diabetesführung bei häufig stark ausgeprägtem Dawn-Phänomen,
bei unregelmäßigen Tagesabläufen (Schultage mit frühem Aufstehen, Wochenendtage
mit langem Ausschlafen, unregelmäßiger Sport, Disco-Besuche) und variabler
Mahlzeitengestaltung erleichtert [3]
[19]
[35]
[33]. Spontanes Verhalten kann besser kompensiert werden (z. B. Basalratensenkung).
Bedarfsweise kann die Pumpe kurzfristig abgelegt werden (z. B. Sommertag am Strand),
überbrückend wird dann wieder die ICT eingesetzt. Nur wenige Jugendliche wechseln
von der CSII dauerhaft zur ICT zurück. Meistens sind es Mädchen, die sich in ihrem
Körperschema durch den „Fremdkörper Pumpe” beeinträchtigt fühlen. In gleicher
Weise wie für Erwachsene gilt auch für Kinder, dass die rasch wirksamen Analoginsuline
gegenüber dem Normalinsulin in der CSII von Vorteil sind [4]
[7]
[29].
Für Kinder und Jugendliche sind besondere Regeln der Insulindosierung zu beachten.
Die Basalrate hat einen geringeren Anteil am gesamten Tagesbedarf. Bei Kleinkindern
entspricht die Summe der Basalrate ca. 20 % des Tagesbedarfes, bei Jugendlichen
ca. 35 %. Die Basalraten-Verteilung über 24 Stunden folgt anderen Profilen als
im Erwachsenenalter. Der Anteil an Mahlzeiteninsulin ist entsprechend hoch, die
Rechenregeln der kohlenhydratbezogenen Insulindosis (BE-/KE-Faktoren) haben
ebenfalls eine alterstypische Verteilung. Mit Berücksichtigung des Körpergewichtes
und der unterschiedlichen Insulinempfindlichkeit werden die Insulindosis-Regeln
für die Korrektur hoher Blutglukose-Werte festgelegt. Bei einigen Kleinkindern
senkt 1 IE Insulin den Blutzucker-Wert um > 500 mg/dl, bei Jugendlichen nur um
30-60 mg/dl.
Zu Beginn der CSII benötigen Kinder/Jugendliche und ihre Eltern ein ausführliches
Therapie-Training, das altersentsprechend gestaltet sein muss. Hierzu bedarf es
eines Schulungsteams für Kinder und Jugendliche gemäß den Kriterien der AGPD,
das in der CSII erfahren ist. Unter der CSII gibt es nicht häufiger akute Komplikationen
als unter ICT. Damit erweist sich die CSII als sichere Behandlungsform, die
Lebensqualität der Patienten und ihrer Familien steigt, langfristig ist ein günstigerer
Verlauf mit weniger Organkomplikationen zu erwarten [3]
[13]
[14]
[19]
[24]
[33].
kurzgefasst: Für Schulkinder und Jugendliche ist die CSII eine sinnvolle Option, die Diabetestherapie
bei vielfältigen Problemen zu verbessern. Bei Kleinkindern (< 6 Jahre) ist
die CSII aufgrund der Hypoglykämiegefährdung bei physiologisch unzureichender
Wahrnehmung und der instabilen nächtlichen Verläufe die Therapie der Wahl.
Pumpentherapie während der Schwangerschaft
Pumpentherapie während der Schwangerschaft
Die Pumpentherapie erscheint für die Insulinbehandlung der schwangeren Typ-1-Diabetikerin
besonders geeignet, da eine straffe Stoffwechselkontrolle erforderlich ist [6] [12]. Vor und während der Schwangerschaft sollen die Blutglukosewerte nüchtern und
präprandial nicht über 90 mg/dl und eine Stunde postprandial nicht über 120
mg/dl liegen [1]
[18]
[28]
[41]. Eine so strikte Stoffwechseleinstellung ist zumeist nur mit Hilfe der CSII
zu erzielen [8]. Ein HbA1c-Wert > 7,5 % zum Zeitpunkt der Konzeption erhöht das Risiko für einen ungünstigen
Schwangerschaftsausgang und für Aborte 4fach, das Risiko für kindliche Fehlbildungen
9fach [34]
[38]. Da für eine ungestörte Organogenese die Normoglykämie in den ersten 5 Schwangerschaftswochen
entscheidend ist, sollten Diabetikerinnen bereits vor der Konzeption normoglykämisch
sein [18]
[21]. Es ist daher sinnvoll, bereits bei Kinderwunsch die Indikation zur Umstellung
auf eine Pumpentherapie großzügig zu stellen. Auch außerhalb der Schwangerschaft
können die zyklischen Änderungen des Insulinbedarfs (bei der Ovulation minimal,
kurz vor und während der Menses am höchsten) mit der CSII am besten nachvollzogen
werden.
Zum Schutz vor Hypoglykämie-Problemen kann nach der Konzeption der in den ersten
Schwangerschaftswochen um etwa 10 % verminderte Insulinbedarf leicht durch eine
verminderte Basalrate aufgefangen werden. Ab der 6. bis 7. Gestationswoche ergibt
sich durch das Ansteigen der Serumspiegel für das Humane Plazenta-Lactogen (HPL)
sowie der ebenfalls insulinantagonistischen Hormone Östriol, Prolaktin und STH
eine zunehmende Insulinresistenz. Dies führt dazu, dass der mütterliche Insulinbedarf
insbesondere in der zweiten Schwangerschaftshälfte kontinuierlich ansteigt.
Verglichen mit dem präkonzeptionellen Insulinverbrauch kann es zu einer Zunahme
des maximalen Insulinbedarfs von mehr als 100 % kommen. Nach der 36. SSW kann
der Insulinbedarf wiederum um 10 % absinken, um dann unter der Geburt drastisch
auf weniger als die Hälfte abzufallen. Postpartal pendelt sich die Tagesinsulindosis
innerhalb von Tagen oder Wochen wieder auf den Ausgangswert vor der Schwangerschaft
ein. Diese Exkursionen im Insulinbedarf lassen sich in engmaschiger Betreuung
besser durch eine CSII als durch eine ICT ausgleichen. Zur optimalen Therapiesteuerung
kann der Einsatz der kontinuierlichen subkutanen Glukosemessung hilfreich sein
[28].
Während des letzten Trimenons ist der HbA1c-Wert der wichtigste Prädiktor für das Auftreten einer fetalen Makrosomie
[9]. Eine optimale Stoffwechseleinstellung der Mutter kann dies verhindern. Unter
der Geburt ist das Ziel der normoglykämischen Stoffwechseleinstellung das Vermeiden
postpartaler kindlicher Hypoglykämien. Auch während der Geburt erweist sich die
Pumpentherapie als gut steuerbar und der konventionellen intensivierten Insulintherapie
überlegen [10]. Bis zur 20. Schwangerschaftswoche können die Insulinpumpenkatheter abdominell
in Nabelhöhe platziert werden. Stark gedehnte Hautareale, die Striae, sollten
wegen der Gefahr schlecht kalkulierbarer Insulinresorption nicht zur Katheterinsertion
genutzt werden (Abb. [2]).
Abb. 2 Schwangere im 3. Trimenon mit Insulinpumpe und kontinuierlicher Glukosemessung.
Die Nadel kann weiter dorsal oder lateral an den Flanken oder sogar am Gesäß eingestochen
werden. Die Haut sollte vor der Katheterinsertion mit nicht-alkoholischen Lösungen
desinfiziert werden (Cutasept® oder Octenisept®). Ketoazidotische Stoffwechselsituationen könnten für den Feten rasch fatale
Folgen haben. Es ist daher empfehlenswert bereits bei unerklärlichen Blutglukosewerten
über 200 mg/dl prophylaktisch einen Katheterwechsel durchzuführen. Zur Pumpentherapie
in der Schwangerschaft stehen Normalinsuline zur Verfügung. Analoginsuline sind
derzeit in Deutschland für die Anwendung in der Schwangerschaft nicht zugelassen.
Erste Beobachtungen mit Analoginsulinen während der Schwangerschaft lassen
nach heutigem Kenntnisstand keine höheren Abort- oder Missbildungsraten erkennen
[32].
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kurzgefasst: Während der Schwangerschaft kann mit einer Insulinpumpentherapie der wechselnde
Insulinbedarf durch die hormonellen Veränderungen kompensiert werden. Die straffe
Stoffwechselführung schützt vor gravierenden fetalen und maternalen Komplikationen.
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Implantierbare Insulinpumpensysteme
Implantierbare Insulinpumpensysteme
Die Behandlung des insulinpflichtigen Typ-1-Diabetes ist seit 1977 mit externen
Insulinpumpen möglich. Nahezu zeitgleich wurde von Buchwald und seiner Arbeitsgruppe
eine Pumpe für Heparin implantiert, im Jahr 1980 erfolgte dann die erste Implantation
eines modifizierten Typs dieser Pumpe zur Insulinsubstitution [5]. Ab 1981 wurden erste Patienten mit implantierbaren Insulinpumpen für einen
intraperitonealen Zugang versorgt [16]. Obwohl sich die intraperitoneale Insulinapplikation als überaus günstig für
die Stoffwechselkontrolle erwies, gab es in der Vergangenheit erhebliche Komplikationen.
Die eingesetzten Insulinpräparate erwiesen sich als inkompatibel mit den verwendeten
Kunststoffmaterialien der Katheter. Mitte der 80er-Jahre begann dann der klinische
Einsatz von Titan-Port-Systemen (Percuseal®), dabei wurde das Insulin durch den perkutan eingebrachten Port über einen im
Peritonealraum liegenden Katheter bzw. einen Titanknopf (Intraseal®) appliziert. An unserem Zentrum wurde auch versucht, über die wiedereröffnete
Nabelvene Insulin direkt der Leber zuzuführen (Klein E, 1994, persönliche Mitteilung).
Das derzeit noch eingesetzte System ist der DiaPort®, der aber ebenso wie die vorgenannten Portsysteme an eine externe Insulinpumpe
angeschlossen ist. Limitierend für alle Systeme sind aber die immer noch vorhandenen
Katheterprobleme, sowie die häufigen Infektionen an der Port-Implantationsstelle.
Im Jahr 1995 wurde in Frankreich begonnen, erneut den klinischen Nutzen einer
total implantierbaren Insulinpumpe zu evaluieren. 1996 konnte gezeigt werden,
dass eine implantierbare Pumpe signifikante Vorteile gegenüber multiplen täglichen
Insulininjektionen bringt und zwar bezüglich der Variabilität des Glukosespiegels,
klinisch relevanter Hypoglykämien sowie unerwünschter Gewichtszunahme und dies
unter einer Verbesserung der Lebensqualität [31]. Weitere Untersuchungen konnten belegen, dass im Vergleich mit externen
Insulinpumpen bei ähnlicher Verbesserung der HbA1c-Werte weniger häufig schwere Hypoglykämien auftraten und auch die Patientenzufriedenheit
hoch blieb.
Die in das Unterhautfettgewebe bzw. subfaszial implantierbare, scheibenförmige
Insulinpumpe MiniMed 2007 ist durch das Titanmaterial biologisch inert und beinhaltet
das nahezu 6000 Einheiten fassende Insulinreservoir, den Pumpenmechanismus, die
Mikroelektronik einschließlich Antenne und Tonsignalsender sowie die etwa 8-10
Jahre haltbare Batterie. Der intraperitoneale Anteil des polyethylenbeschichteten
Silikongummi-Katheters liegt frei in der Bauchhöhle. Von hier aus gelangt das
Insulin fast verzögerungsfrei in die Blutbahn. Mit Hilfe einer Pumpenfernbedienung
(PFB) kann die implantierte Insulinpumpe programmiert, abgefragt und gesteuert
werden. Die Pumpenfernbedienung verfügt über einen Speicher, der den Zugriff auf
Daten eines Zeitraumes von 120 Tagen möglich macht. Das Pumpenreservoir steht
unter einem negativen Druck (Vakuum), damit bei einer Fehlfunktion kein Insulin
unkontrolliert in die Bauchhöhle gelangen kann. Die Implantation erfolgt in Vollnarkose,
der Eingriff dauert etwa eine Stunde. Zum Nachfüllen der Pumpe wird unter sterilen
Bedingungen durch die Bauchhaut hindurch der Füllanschluss der Pumpe mit einer
Nadel anpunktiert.
Weltweit benutzen bisher etwa 300 Diabetiker implantierte Insulinpumpensysteme
zur Stoffwechselkontrolle. Hierbei handelt es sich vor allem um Personen, deren
Stoffwechselprobleme mit anderen Methoden der Insulinsubstitution einschließlich
externer Insulinpumpen nicht gelöst werden können. Dies sind Probleme mit Insulinkathetern,
Hautveränderungen, die eine regelmäßige Insulininjektion unmöglich machen
sowie subkutane Insulinresorptionsstörungen und häufige Hypoglykämien mit der
Notwendigkeit von Fremdhilfe.
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kurzgefasst: Implantierbare Pumpensysteme werden experimentell bei Patienten eingesetzt, deren
Stoffwechsel durch andere etablierte Methoden der Insulinsubstitution nicht ausreichend
führbar ist.
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Zukunftsvision
Zukunftsvision
In Zukunft soll versucht werden, mit Hilfe von verbesserten implantierbaren Glukosesensorsystemen
und der implantierbaren Insulinpumpe ein geschlossenes System (closed loop-System)
zu konfigurieren [30]. Damit wäre ein artifizielles Pankreas geschaffen. Aufgrund der geringeren Invasivität
gibt es auch Bestrebungen, Closed-loop-Systeme mit externen Insulinpumpen und
Glukosesensoren zu etablieren. Der Nachteil der externen, subkutanen Systeme ist
die Zeitverzögerung in beiden Schenkeln - Glukosemessung und Insulinresorption.
Der Bedarf für Verbesserung der Therapiesysteme ist noch groß, angesichts der
noch bestehenden Häufigkeit der akuten und chronischen diabetesbedingten Komplikationen.
Fazit
Die CSII ist für die Behandlung des Typ-1-Diabetes mellitus in allen Altersstufen
eine etablierte Therapieform. Sie führt gegenüber der konventionellen Insulintherapie
zu einer deutlichen, gegenüber der ICT zu einer tendenziellen Verbesserung der
Stoffwechseleinstellung. Die Lebensqualität steigt durch die CSII. Bei erwachsenen
Patienten ist sie bei instabilem Diabetes, instabilen Nachtverläufen der Blutglukoseeinstellung,
Hypoglykämie-Problemen, wechselnden Tagesabläufen (z. B. Schichtdienst) und zur
Stoffwechselstabilisierung bei Organkomplikationen indiziert. Für schwangere
Typ-1-Diabetikerinnen ist die CSII die Therapie der Wahl.
Bei Kindern und Jugendlichen sind instabiler Diabetes, Hypoglykämie-Probleme,
instabile Nachtverläufe und stark wechselnde Tagesabläufe Indikationen für die
CSII. Eine besondere Gruppe sind die Kleinkinder, bei denen die CSII primär die
Therapie der Wahl ist. Die CSII steigert die Lebensqualität der Kinder und ihrer
Familien. Die implantierbaren Insulinpumpen und die Closed-loop-Systeme werden
derzeit nur auf besondere Fälle begrenzt oder experimentell eingesetzt.
Autorenerklärung: Die Autoren erklären, dass sie keine finanziellen Verbindungen mit einer Firma
haben, deren Produkt in diesem Artikel eine wichtige Rolle spielt (oder mit einer
Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt).