Dtsch Med Wochenschr 2004; 129(27): 1526
DOI: 10.1055/s-2004-826898
Leserbriefe

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Monströses, maligne entartetes Neurofibrom am Unterschenkel bei Morbus Recklinghausen

Zum Beitrag aus DMW 8/2004
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Publication Date:
21 July 2004 (online)

Den Autoren ist für die Publikation ihrer Arbeit [4] über ein maligne entartetes Neurofibrom zu danken, weil sie eine Thematik aufgreifen, die durch Aufklärungsbedarf gekennzeichnet ist und rasches und adäquates ärztliches Handeln für den Patienten lebensrettend sein kann. Weil das Problem der malignen peripheren Nervenscheidentumore (MPNST) insbesondere für Neurofibromatose Typ 1 (NF1) Betroffene besondere Relevanz besitzt, wurde kürzlich von einer internationalen Arbeitsgruppe eine entsprechende Stellungnahme erarbeitet [1]. Auf dieser Grundlage sollen einige Ergänzungen und Korrekturen dieser Publikation hinzugefügt werden. MPNST sind der Hauptfaktor für die reduzierte Lebenserwartung von NF1- Betroffenen, wobei das Risiko, ein MPNST bei NF1 zu entwickeln, neueren Arbeit zu Folge lebenslang bei etwa 10 % liegt [3]; ältere nicht populationsgestützte Studien sowie Daten aus Querschnittsanalysen sollten nicht zitiert werden.

Der Titel der Arbeit erzeugt die Erwartung, einen wissenschaftlich qualifizierten Beweis zu erhalten, dass auch Neurofibrome malignisieren können, wie es gelegentlich behauptet wird. Die Durchsicht der Publikation, insbesondere das Bildmaterial, beweist allerdings das Gegenteil. Die Wade des Patienten zeigt einen voluminösen Tumor, der bereits von seinem äußeren Aspekt wie ein plexiformes Neurofibrom (PNF) imponiert. Im Bereich der Ferse und Fußsohle zeigt sich die für plexiforme Neurofibrome typische Gewebshypertrophie und Hyperpigmentierung.

Insofern sollte klargestellt werden, dass das plexiforme Neurofibrom im Gegensatz zum lokal abgrenzbaren Neurofibrom steht, welches als einzelne abgrenzbare Läsion lokal auf die Nervenscheide begrenzt ist. Es involviert das Ausbreitungsgebiet eines peripheren Nerven und affektiert zahlreiche Faszikel und Nervenäste. Es respektiert keine Wachstumsgrenzen und breitet sich netzartig aus. PNF treten bei mehr als 30 % der NF1-Patienten auf. Trotz des in der Regel langsamen Wachstums kann es zur massiven Entstellung der Betroffenen in jedem Körperbereich kommen. Klinisch sollte beim Nachweis hyperpigmentierter Hautareale mit verdicktem Hautrelief, Behaarung und einem Palpationsbefund, der einem „Sack voller Würmer“ entspricht, an die Diagnose plexiformes Neurofibrom gedacht werden. In der Tat werden PNF aufgrund ihrer starken Vaskularisation als Klippel-Trenaunay-Syndrom verkannt. Die Einordnung dieses Befundes ist durch Blickdiagnose möglich, die Duplexsonographie spielt eine untergeordnete Rolle.

Patienten mit NF1 sind durch das Auftreten von kutanen Neurofibromen klinisch stigmatisiert. Die Behauptung, dass diese entarten, würde für diese Patientengruppe eine völlig veränderte Behandlungsstrategie bedeuten. Bisher gibt es aber keinen Beweis, dass Hautneurofibrome entarten; der Verdacht auf ein MPNST muss grundsätzlich bei konstantem Tumorschmerz, Tumorprogress und neurologischen Defiziten geäußert werden. In einer kürzlich publizierten Studie konnten wir zeigen, dass die Magnetresonanztomographie diesen Verdacht oftmals aufgrund der häufig imponierenden Inhomogenitäten erhärtet [2]. Die FDG-PET ist nach bisherigen Erfahrungen eine Untersuchungsmethode, mit der sich die maligne Transformation in plexiformen Neurofibromen (nicht aber in Neurofibromen) durch Traceranreicherung sehr gut nachweisen lässt. In einer englischen Studie war allerdings die Unterscheidung zwischen histologisch weniger bösartigen MPNST und gutartigen PNF nicht immer deutlich.

Die Autoren zeigen die unterschiedliche Histologie zwischen MPNST-Zellen und Neurofibromzellen, womit der Titel der Arbeit trotz des hier aufgeführten Widerspruchs gerechtfertigt zu sein scheint. Dazu gilt zu sagen, dass der Neuropathologe in etwa 30 % der untersuchten Fälle von plexiformen Neurofibromen (unpublizierte Studie von zwei ausgewiesenen Neuropathologien) zur Einschätzung eines Neurofibroms kommt, obwohl klinisch eindeutig ein plexiformes Neurofibrom operiert wurde. Ursächlich ist, dass dem Pathologen kein repräsentativer Ausschnitt des Tumors mit entsprechender neuraler Struktur vorlag.

Um Patienten mit einem erhöhten Risiko für die Entstehung von MPNST zu identifizieren, können folgende Hinweise hilfreich sein: Patienten mit NF1, die in früher Kindheit kutane Neurofibrome aufweisen oder eine diffuse Beteiligung spinaler Nervenwurzeln aufweisen, haben ein erhöhtes Risiko, ein MPNST zu entwickeln. Patienten mit einer Deletion des NF1-Genlokus erfüllen nach bisherigen Beobachtungen diese Eigenschaften, so dass diese eine Risikogruppe darstellen dürften.

Literatur

  • 1 Ferner R E, Gutmann D. International consensus statement on malignant peripheral nerve sheath tumors in neurofibromatosis 1.  Cancer Res. 2002;  62 1573-1777
  • 2 Mautner V F, Friedrich R E, von Deimling A, Hagel C, Korf B, Knöfel M T, Wenzel R, Fünsterer C. Malignant peripheral nerve sheath tumors in neurofibromatosis type 1: MRI supports the diagnosis of malignant plexiform neurofibroma.  Neuroradiology. 2003;  45 618-625
  • 3 Rasmussen S A, Quanhe Y, Friedman J M. Mortality in neurofibromatosis 1: an analysis using US death certificates.  Am J Hum Genet. 2001;  68 1110-1118
  • 4 Oettler J W. et al . Monströses maligne entartetes Neurofibrom am Unterschenkel bei Morbus Recklinghausen.  Dtsch Med Wochenschr. 2004;  129 364-367

1 Unterstützt durch Deutsche Krebshilfe Projektnr.: 70-3072

Prof. Dr. med. Victor -F. Mautner

Sektion Phakomatosen Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, Labor für Tumorbiologie und Entwicklungserkrankungen

Martinistraße 52

20246 Hamburg

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