Geburtshilfe Frauenheilkd 2004; 64(11): 1155-1157
DOI: 10.1055/s-2004-830394
Editorial

Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zertifizierung von Brustzentren

Gemeinsame Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Senologie, der Deutschen Krebsgesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe und des Krebsverbandes Baden-WürttembergCertification of Breast CentersJoint Statement of the German Society for Senology, the German Cancer Society, the German Society for Gynecology and Obstetrics and the Cancer Federation Baden-WürttembergM. Bamberg1 , D. Wallwiener1 , R. Kreienberg1
  • 1Deutsche Gesellschaft für Senologie, Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe und Krebsverband Baden-Württemberg
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Publication Date:
04 November 2004 (online)

In diesem Jahr werden fast 60 000 Frauen in Deutschland an Brustkrebs erkranken. Die hohe Rate der Frauen, die trotz modernster Diagnose- und Therapiekonzepte noch am Mammakarzinom sterben, ließe sich durch gezielte Früherkennung sowie eine interdisziplinäre Diagnostik und Therapie noch weiter senken.

„Interdisziplinarität“ ist in diesem Zusammenhang kein Schlagwort. Interdisziplinäre Behandlung bedeutet für eine Frau mit Brustkrebs: Ihr stehen in jeder Phase der Behandlung alle Kompetenzen zur Verfügung, die notwendig sind, um sie bestmöglich zu versorgen.

Mit dem Zertifizierungskonzept interdisziplinärer Brustzentren durch die Partnerschaft der Deutschen Krebsgesellschaft mit der Deutschen Gesellschaft für Senologie steht europaweit erstmals ein wissenschaftlich-fachlich fundiertes und gleichermaßen durch internationale Normen evaluierbares Zertifizierungskonzept zur Verfügung. Gleichzeitig erfolgt eine Überprüfung der Qualitätssicherung durch eine unabhängige Institution.

Denn mit der deutschlandweit angelaufenen Zertifizierungskampagne von Brustzentren ist es gelungen, ein onkologisches Organtherapiezentrum modellhaft einer Qualitätssicherung durch eine unabhängige Institution zu unterziehen. Diese Institution überprüft die von der Internationalen Standardorganisation (ISO) vorgegebenen und international anerkannten Qualitätskriterien für Qualitätsmanagementsysteme, die die von den wissenschaftlichen Gesellschaften DKG/DGS in Anlehnung an EUSOMA erarbeiteten Fachkriterien beinhalten.

Dieses Zertifizierungskonzept ist beispielhaft, da die Unabhängigkeit einer ISO-Institution gewährleistet, dass Qualitätssicherungskriterien nicht nur unabhängig zertifiziert, sondern regelmäßig in Abständen - in Audits - überprüft und rezertifiziert werden. Damit wird die erreichte und überprüfte Qualität für alle transparent und vergleichbar gemacht.

Somit stellt die gemeinsame Zertifizierung keine Selbstzertifizierung durch eine wissenschaftliche Fachgesellschaft oder durch Kostenträger, Kassen, ärztliche Standesorganisationen oder politische Institutionen dar, sondern ist ein völlig unabhängiger Qualitätsbeweis.

Dieses Vorgehen unterscheidet sich nicht nur von den meisten, im föderalen Gesundheitssystem angelaufenen Brustklinik-Nennungen nach dem DMP-Mammakarzinomprogramm, sondern geht hinsichtlich der Qualitätsfestschreibung, ganz besonders vor dem Hintergrund der unabhängigen Standardisierung, weit darüber hinaus. Denn bei dem DMP-Mammakarzinom handelt es sich definitionsgemäß um ein strukturiertes Behandlungsprogramm, das sich nach Leitlinien ausrichtet. Hier sind Qualitätsanforderungen festgelegt worden, die jedoch nicht die Struktur- oder Ergebnisqualität von Zentren abfragen. Da DMP-Verträge keine Strukturanforderungen an Brustzentren vorsehen, sind DMP-Programme allein nicht geeignet, die Qualität von Brustzentren zu definieren.

Da insbesondere die fachlichen Maximalanforderungen der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Senologie zur Zertifizierung von Brustzentren höchsten internationalen Standard beinhalten, bei der Ausarbeitung dieser Richtlinien die EUSOMA-Kriterien zu nahezu 100 % berücksichtigt wurden und diese eingebunden sind in eine unabhängige, international anerkannte Zertifizierung, ist damit hinsichtlich der Qualitätssicherung vor allen Dingen in Bezug auf die überprüf- und messbare und damit transparente Qualitätssicherung eine weitaus unabhängigere und mit mehr Vergleichsparametern belegbare Qualitätssicherung gelungen als in der vom Europäischen Parlament empfohlenen EUSOMA-Zertifizierung. Wichtig ist deshalb, darauf hinzuweisen, dass dadurch die Zertifizierungsanfordernisse der Fachgesellschaften (DKG und DGS) deutlich höherwertig sind als die bisher vorliegenden EUSOMA-Kriterien, denn durch diese Kombination beinhalten diese Anfordernisse auch Aussagen über Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität; zumal bei der Akkreditierung durch die EUSOMA ausdrücklich kein Nachweis eines eingeführten Qualitätsmanagementsystems verlangt wird und dadurch die Überprüfung der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität nicht möglich ist.

Trotzdem muss bei den schon weit gehend übereinstimmenden Qualitätskriterien zwischen den Kriterien der nationalen Fachgesellschaften in Deutschland und den europäischen Kriterien eine endgültige Harmonisierung angestrebt werden und auch europaweit, wie in Deutschland, eine zusätzliche Akkreditierung der EUSOMA-Zertifizierung durch eine dritte unabhängige Institution, am besten durch die International Standard Organisation, erreicht werden.

Eine Abweichung der deutschen fachlichen Anforderungen für Brustzentren von den Forderungen der EUSOMA ist z. B. die Anzahl der in interdisziplinären Fallkonferenzen zu besprechenden Fälle. In der Minimalforderung der deutschen Richtlinien wird verlangt, dass 20 % der Brustkrebsfälle in interdisziplinären Fallkonferenzen besprochen werden müssen, die Maximalforderung sieht 50 % aller Fälle vor. Das Europäische Parlament verlangt, ebenso wie das Positionspapier der EUSOMA, dass jeder Fall interdisziplinär besprochen wird.

Es ist selbstverständlich das Bestreben, in Zukunft alle Brustkrebsfälle unter interdisziplinären Gesichtspunkten zu betrachten. Die in den Zertifizierungsrichtlinien vorgeschriebenen 20 bis 50 % sind hoher Standard, bedeuten eine Verbesserung für die Patientinnen und sind vor allem realisierbar.

Die Deutsche Krebsgesellschaft e. V. und die Deutsche Gesellschaft für Senologie e. V. möchten in ihren fachlichen Anforderungen ebenfalls plastisch-rekonstruktive Brustoperationsverfahren in den Zentren garantieren. Der Vorteil des deutschen Systems liegt darin, anders als z. B. in den USA, dass es eine Spezialisierung innerhalb der Fachkunde für Frauenheilkunde und Geburtshilfe gibt. Dieser Schwerpunkt der „operativen Gynäkoonkologie“ beinhaltet einerseits den Nachweis in der Ausbildung plastisch-rekonstruktiver Operationsverfahren wie auch den spezifischen Nachweis von Erfahrungen in der Operation gynäkoonkologischer Malignome. So ist ein Facharzt der Gynäkologie und Geburtshilfe mit der zusätzlichen fakultativen Weiterbildung in der „operativen Gynäkoloonkologie“ auch spezialisiert in der Durchführung plastisch-rekonstruktiver Operationen.

Nach der Erprobungsphase ist diese Zertifizierungsinitiative, regulär mit einem Qualitätsmanagementsystem nach ISO 9001 kombiniert, bei fast 100 Zentren durchgeführt worden oder befindet sich im Verfahren und hat sich als exzellentes Instrument zur Beurteilung der Qualität von Brustzentren erwiesen. Dass die Ergebnisqualität langfristig noch nicht abgefragt werden kann, liegt nicht an den Zertifizierungsrichtlinien, sondern an der Tatsache, dass dafür Ergebnisse über Jahre von den Zentren ausgewertet und zur Verfügung gestellt werden, die bei Reaudits und Rezertifizierungen in dreijährigen Abständen vorgelegt werden müssen.

Von daher ist hier erstmals ein durch das Zugrundeliegen der DIN-Norm durch die internationale Standardorganisation nach ISO 9001 in der Fassung von 2000 jede Möglichkeit der Selbstzertifizierung unmöglich geworden. Sowohl bei der ersten Zertifizierung als auch bei den Rezertifizierungen durch eine akkreditierte Institution wird im Einzelfall dann überprüft, ob das jeweilige Brustzentrum die fachlichen Anforderungen der wissenschaftlichen Fachgesellschaften einerseits, wie z. B. Zahl der Operationen pro verantwortlichem Operateur (50/Jahr), Zahl der primären Mammakarzinome pro Brustzentrum (150/Jahr), Gütekriterien wie Anzahl der vor der Operation histologisch gesicherten Diagnosen, Anzahl der in gemeinsamen interdisziplinären Fallkonferenzen besprochenen Patientinnen, Anzahl der brusterhaltend therapierten Patientinnen, Anzahl der Therapiezyklen Chemotherapie, aber auch die selbstdefinierten Messzahlen bzw. festgelegten eigenen Gütekriterien andererseits eingehalten hat, wie z. B. die Bewertung des Brustzentrums durch die Patientinnen oder die Qualität der dokumentierten Daten.

Danach folgen jährliche Audits, bei denen, wenn grobe Verstöße gegen die im QM-Handbuch vorgegebenen Anforderungen vorliegen, das Zertifikat aberkannt werden kann.

Nach 3 Jahren erfolgt die Rezertifizierung mit dem Ziel, die Versorgungsqualität erneut absichern zu lassen und die Qualität gesteigert zu haben, denn dann müssen im QM-Handbuch die Maximalanforderungen festgeschrieben und erfüllt worden sein.

Nur unabhängige akkreditierte Zertifizierungsgesellschaften, die Qualitätsmanagementsysteme nach ISO 9001 : 2000 zertifizieren, können die internationale Normeinhaltung überprüfen und gemeinsam mit den Fachgesellschaften Brustzentren zertifizieren.

Somit ist hiermit erstmals in der Onkologie ein unbestechliches Zertifizierungs- und Überprüfungsverfahren etabliert worden, das weit über die europäischen Anforderungskataloge hinausgeht.

Prof. Dr. M. Bamberg Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft und Baden-Württembergischen Krebsverband

Prof. Dr. D. Wallwiener Präsident der Deutschen Gesellschaft für Senologie

Prof. Dr. R. Kreienberg Expertenkommission DKG und DGS

Prof. Dr. M. Bamberg

Universitätsklinik für Radioonkologie Tübingen

Hoppe-Seyler-Straße 3

72076 Tübingen

Email: michael.bamberg@med.uni-tuebingen.de

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