Die von Paul Swain entwickelte Kapselendoskopie (Given M2A TM, Given Imaging Ltd., Yoqneam, Israel) ist ein neuartiges, für die Patienten kaum
belästigendes und daher sehr attraktives bildgebendes Verfahren zur Dünndarmdiagnostik
[4]. Sie wird vornehmlich eingesetzt, um unklare gastrointestinale Blutungsquellen
sowie tumoröse oder entzündliche Veränderungen zu entdecken.
Technik
Technik
Die 26 mm lange und 11 mm breite Kapsel (Abb. [1]) besteht aus einer CMOS-Kamera, einer Linse, mehreren Beleuchtungs-LEDs, Batterien,
einem Sender sowie einer Antenne (Abb. [2]). Nach einer „limitierten” Darmlavage mit z. B. 2 l Golytely Lösung wird die
Kapsel den Patienten oral verabreicht. Während der Passage der Kapsel durch den
Gastrointestinaltrakt sendet diese in der Regel über mehr als 8 Stunden ca.
60 000 Einzelbilder (2 Bilder/Sekunde), die von einem externen Datenrekorder aufgefangen
und aufgezeichnet werden. Nach der Datenübertragung von diesem Datenrekorder auf
eine Workstation erfolgt die computergestützte Auswertung. Diese beinhaltet seit
2002 auch eine Lokalisations- sowie eine Blutungserkennungs-Software.
Abb. 1 Kapselendoskop (Given M2ATM, Given Imaging Ltd., Yoqneam, Israel).
Abb. 2 Aufbau eines Kapselendoskops (Given M2ATM, Given Imaging Ltd., Yoqneam, Israel). 1 = optisches Fenster, 2 = Linsenerhaltung,
3 = Linse, 4 = Beleuchtungs-LEDs, 5 = CMOS-Kamera, 6 = Batterien, 7 = Sender,
8 = Antenne
Indikationen
Indikationen
Obskure bzw. okkulte gastrointestinale Blutung
Eine okkulte Blutung liegt vor, wenn bei einem Patienten eine Anämie und/oder
ein positiver Okkult-Bluttest ohne klinisch sichtbare Blutungszeichen vorliegen.
Von einer obskuren Blutung spricht man bei wiederholter oder persistierender Anämie,
positivem Okkult-Bluttest und/oder klinisch sichtbarer Blutung, ohne dass bei
der initialen Ösophagogastroduodenoskopie und Ileokoloskopie eine Blutungsquelle
gefunden wird.
Der Einsatz der Kapselendoskopie ist bei einer obskuren oder okkulten gastrointestinalen
Blutung indiziert. Sie sollte nur nach der Durchführung einer qualifizierten Ösophagogastroduodenoskopie
und Ileokoloskopie erfolgen. Da eine Reihe pathologischer Befunde bei unklaren
Blutungen aber doch im Einzugsbereich der oberen und unteren konventionellen Endoskopie
liegen, sollte im Einzelfall diese konventionelle Endoskopie in den jeweiligen
Zentren vor der Durchführung einer Kapselendoskopie wiederholt werden. Nach zahlreichen
Studien und Fallserien liefert die Kapsel bei unklaren Blutungen eine diagnostische
Ausbeute für Dünndarm-Läsionen von 40-80 % und ist anderen Verfahren (Push-Enteroskopie,
Dünndarm Doppelkontrast, Angiographie, Szintigraphie) überlegen [1]
[8]. Mit der Kapselendoskopie lassen sich dabei vor allem Angiodysplasien, Ulzera
(Abb. [3]), Divertikel und Tumoren als Blutungsquellen detektieren. Der Einfluss der Kapsel-Endoskopie
auf das Ergebnis bei Blutungspatienten ist bislang nur in einer Originalpublikation
überprüft worden [7] und scheint mit 87 % sehr hoch zu sein; nach Angaben mehrerer Abstracts
ändert sich jedoch das Management durch positive Kapselbefunde in lediglich 20-50
% [8].
Abb. 3 Kapselendoskopischer Nachweis einer Dünndarmblutung bei ulzeröser Jejunitis.
Wenn die klinische Situation bei relevanten unklaren gastrointestinalen Blutungen
ein akutes Eingreifen verlangt, besteht keine Indikation zur Kapselendoskopie,
da durch die lange Lauf- und Auswertezeit bei fehlender Interventionsmöglichkeit
die dringend erforderliche Diagnostik und Therapie (z. B. Angiographie, Operation)
unnötig verzögert würde [6].
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kurzgefasst: Der Einsatz der Kapselendoskopie ist bei einer unklaren, nicht hämodynamisch
relevanten gastrointestinalen Blutung nach Durchführung einer qualifizierten
Ösophagogastroduodenoskopie und Ileokoloskopie indiziert.
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Morbus Crohn
Den Einsatz der Kapsel-Endoskopie beim M. Crohn auf evidenzbasierte Daten zu gründen
fällt bislang schwer.
Bei anhaltendem klinischen Verdacht auf einen M. Crohn kann die Kapselendoskopie jedoch im Einzelfall eingesetzt werden (Abb. [4]), wenn es unter Einsatz der etablierten und in ausreichender Qualität durchgeführten
diagnostischen Methoden (Klinik, Labor, bildgebende Verfahren) nicht gelungen
ist, die Diagnose M. Crohn zu beweisen bzw. zu widerlegen [2]
[8].
Abb. 4 Nachweis kleiner aphthöser Läsionen im Ileum bei bekanntem Morbus Crohn.
Die Indikationen zur Kapselendoskopie beim etablierten M. Crohn sind noch nicht klar und müssen gegen das Risiko eines Steckenbleibens der Kapsel
bei bekannten oder unvermuteten Stenosen abgewogen werden.
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kurzgefasst: Die Indikationen für die Kapselendoskopie beim M. Crohn sind noch nicht klar
und müssen gegen eine potenzielle Obstruktionsgefahr bei Stenosen abgewogen
werden.
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Sonstige Indikationen
Sonstige Indikationen
Weitere potenziell sinnvolle Kapselindikationen sind der Einsatz bei Polyposesyndromen
(FAP, Peutz-Jeghers Syndrom), vor allem vor geplanten operativen Eingriffen und
im Follow-up. Unklar bleibt derzeit noch der Einsatz der Kapsel zur Spruediagnostik,
bei HIV-Patienten sowie zur Tumorsuche (Dünndarm-Lymphom, Karzinoid). Bei Patienten
mit Colon irritabile, chronischen Durchfällen und unklaren abdominellen Schmerzen
besteht keine Indikation zur Kapselendoskopie. Der Einsatz bei diesen Indikationen
muss in kontrollierten Studien geprüft werden.
Kontraindikationen
Da die Gefahr eines Ileus besteht, wenn die Kapsel vor Stenosen stecken bleibt,
ist die Kapselendoskopie bei Patienten mit intestinalen Obstruktionen kontraindiziert.
Ob eine neu entwickelte nicht-optische und mit von extern zu detektierenden Metallteilchen
versehene sog. „patency”-Kapsel, die sich nach einiger Zeit - z. B. bei längerem
Verweilen vor Stenosen - selbst auflöst [5], diese Probleme löst und bei welchen Patienten sie vor der „konventionellen”
Kapsel-Endoskopie eingesetzt werden soll, muss noch untersucht werden.
Relative Kontraindikationen stellen eine Magenausgangsstenose und die Gastroparese
dar, da hier die Kapsel endoskopisch im Duodenum platziert werden kann.
Unklar ist derzeit noch der Einsatz der Kapselendoskopie in der Schwangerschaft
und bei Trägern von Herzschrittmachern sowie implantierten Defibrillatoren.
Komplikationen
Komplikationen
Bislang gibt es keine größeren prospektiven Studien, die sich explizit mit der
Komplikationsrate der Kapselendoskopie beschäftigen. In einer zusammenfassenden
Auswertung muss jedoch mit einem Steckenbleiben der Kapsel in unvermuteten und
vermuteten (M. Crohn-)Stenosen in 1,8 % aller Fälle gerechnet werden [8]. Weitere Komplikationen sind bislang nicht beschrieben worden.
Limitationen
Limitationen
Limitationen der Kapselendoskopie ergeben sich aus der Unvollständigkeit der Dünndarmaufzeichnung.
Bei nur ca. 80 % der Patienten wird das Zökum erreicht [8]. Auch ist nicht beurteilbar, wie viel Prozent des passierten Dünndarms tatsächlich
vollständig eingesehen werden. Die Zahl an übersehenen relevanten Befunden ist
unklar. Die unmittelbare therapeutische Relevanz durch das Ergebnis der Kapselendoskopie
ist wahrscheinlich geringer als bislang angenommen.
Kapselendoskopisch detektierte, endoskopisch aber nicht erreichbare Befunde können
histologisch nicht gesichert werden. Häufig werden uncharakteristische Befunde
erhoben, deren ätiologische und klinische Bedeutung unklar ist und die sich offenbar
auch bei gesunden Kontrollpersonen nachweisen lassen [3].
Kosten
Kosten
Die Kosten für die Kapselendoskopie sind hoch und werden derzeit von den deutschen
Krankenkassen in der Regel nicht übernommen. Die Materialkosten betragen derzeit
ca. 600 EUR. Hinzu kommen beträchtliche Personalkosten für das Anlegen des Systems
(ca. 15 min) und die computergestützte Auswertung (ca. 2 h). Zur Kostensenkung
sollten zukünftig auch Studien mit dem Ziel einer besseren Patientenselektion
durchgeführt werden.
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kurzgefasst: Die Kosten für die Kapselendoskopie sind hoch und stehen vor allem bei „Nicht-Blutungs-Indikationen”
im Gegensatz zu einer geringen unmittelbaren therapeutischen Konsequenz durch
das Ergebnis der Kapselendoskopie.
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Ausblick und Fazit
Technische Innovationen der bisherigen Kapsel werden Steuerbarkeit, Biopsiemöglichkeit
sowie automatisierte und damit zeitlich verkürzte Auswertesysteme betreffen müssen.
Die Kapselendoskopie ist eine für den Patienten nicht belästigende und wahrscheinlich
auch sichere Methode. Sie liefert gute Ergebnisse bei der Suche nach unklaren
gastrointestinalen Blutungsquellen. Ihre Wertigkeit bei anderen Indikationen muss
jedoch weiter kritisch überprüft werden. Zu erwartende technische Verbesserungen
werden möglicherweise das Indikationsspektrum erweitern können.