Zeitschrift für Klassische Homöopathie 2004; 48(4): 173-174
DOI: 10.1055/s-2004-834439
Originalia

Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Homöopathie und Phytotherapie

Andreas Grimm
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Publication Date:
09 June 2005 (online)

In unserer Artikelserie über Arzneimittelhersteller stellt sich dieses Mal ein pharmazeutischer Unternehmer vor, der sich selbst als Hersteller spezieller phytotherapeutischer Tinkturen, so genannter dynamisierter Urtinkturen, versteht. Diese Urtinkturen werden allerdings z.T. auch nach dem Dezimalverfahren potenziert.

Zum Thema Homöopathie/Phytotherapie lässt sich Folgendes anmerken:

Eine Arzneipflanze ist als solche weder „homöopathisch” noch „phytotherapeutisch”, sondern eben schlicht eine Pflanze, die allerdings die Möglichkeit der medizinischen Verwendung ihrer Zubereitungen bietet. Dasselbe gilt für eine aus dieser Pflanze hergestellte Tinktur, die also auch weder „homöopathisch” noch „phytotherapeutisch” ist (wenn sie auf die gleiche Weise hergestellt wird). Hier wird zur Vereinfachung außer Acht gelassen, dass Tinkturen, die phytotherapeutisch eingesetzt werden, meist aus Drogen (getrockneten Pflanzenteilen), Tinkturen zur Anwendung in der Homöopathie aber meist aus Frischpflanzen hergestellt werden. Dagegen werden Tinkturen aus Pflanzen, die bei uns nicht frisch zu bekommen sind, ebenfalls aus Drogen hergestellt (wie z.B. Chinarindentinktur). Eigentlich erst durch die Anwendung nach dem Ähnlichkeitsgesetz wird das Arzneimittel zum homöopathischen Arzneimittel (oder schon durch die Möglichkeit, es homöopathisch anzuwenden, nämlich durch die Arzneimittelprüfung). Die Potenzierung ist somit keine notwendige Voraussetzung für eine homöopathische Behandlung. Eine solche ist prinzipiell auch ohne potenzierte Arzneimittel möglich, wenn das betreffende Arzneimittel geprüft ist und nach dem Ähnlichkeitsgesetz angewendet wird. Hahnemann selbst hat noch jahrelang nach Entdeckung der Homöopathie mit nicht potenzierten Arzneimitteln therapiert (vgl. dazu Hahnemanns Bryonia-Fall[1]). Durch die Anwendung potenzierter Arzneimittel werden die Möglichkeiten der Homöopathie allerdings wesentlich erweitert und verbessert. Für diese Abgrenzung der Homöopathie von der Phytotherapie kann die arzneimittelrechtliche Begriffsbestimmung eines homöopathischen Arzneimittels außer Acht gelassen werden. Nach der Definition des Gesetzgebers sind nämlich alle Arzneimittel, die nach einer „homöopathischen Verfahrenstechnik” hergestellt werden, homöopathische Arzneimittel. Somit steht hier nicht die Anwendung nach dem Ähnlichkeitsgesetz, sondern die Art und Weise der Herstellung im Vordergrund.

Sehr interessant ist das von CERES angewandte Verfahren der Tinkturenherstellung mittels einer speziell konstruierten Mörsermühle, das im folgenden Beitrag vorgestellt wird. Stark vereinfacht ausgedrückt, handelt es sich um die Kombination der Herstellung eines ethanolischen Extraktes und der einer Verreibung.

Dies stellt somit eine neue, interessante Variante der Herstellung von Urtinkturen dar. Diese greift früher übliche Verfahren wie das Anreiben eines Pflanzenbreis mit Ethanol in einer Reibschale wieder auf [[4]].

Ein Rückblick auf die Geschichte der homöopathischen Arzneimittelherstellung zeigt den langen Weg Hahnemanns bei der Herstellung und Dosierung seiner Arzneimittel: Von der Verabreichung „mäßige[r] Gaben” (1796) [[3]], über die - ungenaue - Angabe, minutenlang zu Verschütteln (1801) bis zu der exakten Herstellungsvorschrift der 50 000er-Potenzen in ORG VI (1842). Dazwischen lag ein großer Zeitraum intensiven Bemühens, seine Arzneimittelherstellung und Dosierungslehre ständig zu verbessern. Nach zahlreichen eigenen Versuchen und Varianten bei Arzneimittelherstellung und Dosierung (und vermutlich durch andere Homöopathen wie Aegidi und Hering angeregt), entwickelte Hahnemann schließlich die neue Vorschrift zur Herstellung und Dosierung der Q-Potenzen und schrieb die Verreibung aller Arzneigrundsubstanzen bis C 3 vor. Diese allgemeine Formulierung, alle Ausgangssubstanzen, nicht nur Frischpflanzen, Drogen, Mineralien usw., sondern auch flüssige wie Petroleum und tierische Ausgangssubstanzen zu verreiben, fand nicht bei allen Homöopathen Zustimmung. Hering lehnte diese allgemeine Vorschrift als zu pauschal formuliert ab. Er war der Ansicht, dass beim Verreiben von Ausgangssubstanzen mit leicht flüchtigen Inhaltsstoffen zu viel verloren ginge und bei jeder Substanz im Einzelnen festzulegen sei, ob Verreibung oder Tinktur vorzuziehen sei.

Vor diesem Hintergrund erscheint die Verreibung mittels der CERES-Mörsermühle sehr bemerkenswert.

Der Chemiker Kalbermatten wurde auf seiner langen Suche nach der idealen Konstruktion der Mörsermühle von der „Suche nach dem Wesen der Arzneipflanze” im Sinne der Signaturenlehre geleitet. Diese Denkweise weicht von der reinen Phänomenorientierung der Homöopathie ab, da hier bewusst andere Vorstellungen im Vordergrund standen. Beachtlich ist aber das Ergebnis: die Herstellung äußerst kräftiger Urtinkturen.

Die erzielten Resultate könnten als Ausgangspunkt für verschiedene Versuche dienen: Der Vergleich der Wirkungen von C 30 aus ∅ konventioneller Herstellung, von C 30 aus ∅ CERES und von C 30 aus einer C 3-Verreibung hergestellt.

Anmerkungen

01 „1. Sept. 1815 […] so gab ich ihr eine der stärksten homöopathischen Gaben, einen vollen Tropfen ganzen Zaunrebenwurzelsaftes […]”. [[2]].

Literatur

  • 01 Hahnemann S. Organon der Heilkunst. 6. Aufl. Nachdruck Heidelberg; Haug 1987
  • 02 Hahnemann S. Reine Arzneimittellehre. Zweiter Teil. 3. Aufl. Dresden 1816. 3. Nachdruck Heidelberg; Haug 1983 33
  • 03 Hahnemann S. Versuch über ein neues Princip zur Auffindung der Heilkräfte der Arzneysubstanzen, nebst einigen Blicken auf die bisherigen.  In: Journal der practischen Arzneikunde und Wundarzneykunst.  1796;  2 471
  • 04 Schwabe W. Deutsches homöopathisches Arzneibuch. Ausgabe A. Leipzig; Verlag W. Schwabe 1901 § § 2-3: 30-31

Anschrift des Verfassers:

Dr. rer. nat. Andreas Grimm

Tannenweg 4

72076 Tübingen

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