Viel trinken und mehr Sport treiben. Das war lange die klassische Empfehlung, um vasovagalen
Synkopen vorzubeugen. Die Erfolge waren jedoch oft bescheiden, und die Ohnmachtsattacken
traten weiter auf. Deutlich wirksamer soll das "Tilt Training" sein, das ein spezielles
"Aufrecht-Steh-Training" darstellt und in letzter Zeit immer wieder empfohlen wird.
Allerdings ist das Verfahren sehr zeitaufwendig. Bis zu einer Stunde pro Tag müssen
Betroffene für die Übungseinheiten aufwenden. Als Alternative empfehlen daher italienische
Ärzte um Michele Brignole vom Arrhythmologie-Zentrum in Lavagna eine neue Methode,
bei der Betroffene die drohende Bewusstlosigkeit mit Muskelkontraktionen der Arme
verhindern.
Muskelkontraktion beendet fast 100% der Vorboten-Stadien
Muskelkontraktion beendet fast 100% der Vorboten-Stadien
Wählen können die ohnmachtsgefährdeten Patienten zwischen zwei verschiedenen Manövern.
Bei der ersten Methode greifen die Hände wie in Abbildung 1 ineinander. Anschließend
werden die Arme, die sich etwa auf Brusthöhe vor dem Körper befinden, kräftig auseinander
gezogen, ohne dass der Handgriff gelöst wird. Bei der zweiten Methode wird ein etwa
fünf Zentimeter dicker Gummiball mit der dominanten Hand zusammengedrückt. Beide Manöver
sollen mit maximaler Kraft erfolgen und zwar so lange, bis die Vorboten-Symptome (u.a.
Sehstörungen, Übelkeit) verschwinden.
In einer früheren Arbeit hatte die Arbeitsgruppe mit Kipptisch-Experimenten bereits
gezeigt, dass diese Art der Muskelkontraktionen den Blutdruck-Abfall bei einer drohenden
Synkope wirkungsvoll verhindern können und so die Bewusstlosigkeit abwenden. In einer
weiteren Studie wurde die Tauglichkeit der Methode nun auch im Alltag unter Beweis
gestellt. Dabei ließen sich mit den Handgriffen in einer durchschnittlich 14-monatigen
Beobachtungszeit bei 29 Studienteilnehmern insgesamt 98,1% von 260 Episoden einer
drohenden Synkope beenden, ohne dass eine Bewusstlosigkeit auftrat. Lediglich fünf
Mal (1,9%) folgte dem Vorstadium ein Ohnmachtszustand. Vier dieser fünf Attacken waren
so schnell abgelaufen, dass die Patienten nicht mehr in der Lage waren, die zuvor
gelernten Handgriffe anzuwenden. Und in einem Fall war es trotz der Muskelkontraktion
zur Synkope gekommen.
Schlechtere Erfolgsquote bei Betroffenen über 65 Jahren
Schlechtere Erfolgsquote bei Betroffenen über 65 Jahren
Entscheidend für die Gesamtbewertung des Verfahrens ist allerdings nicht nur die Zahl
der gestoppten Vorstadien. Wichtig ist auch die Frage, wie viele Patienten mit der
Methode tatsächlich synkopenfrei werden: Für die unter 65-jährigen Studienteilnehmer
errechnete die italienische Arbeitsgruppe, dass mit der neuen Technik nur noch 5%
der Patienten innerhalb eines Jahres eine Synkope erlitten. Zwar gab es in der Studie
keine Plazebogruppe, aber ohne Schutzmaßnahmen wären deutlich höhere Rückfallquoten
zu erwarten gewesen, wie das Forscherteam mit Verweis auf diverse Literaturstellen
anmerkt. Demzufolge lassen sich pro Jahr normalerweise bei 24 bis 46% der Synkopen-Patienten
neue Ohnmachtsattacken beobachten.
Deutlich schlechter war die Erfolgsquote allerdings bei den über 65-jährigen Studienteilnehmern,
für die sich mit der neuen Technik eine 1-Jahres-Rezidivrate von 44% ergab. Warum
die Manöver im fortgeschrittenen Lebensalter nur geringe Erfolgsaussichten hatten,
ist unklar. Möglicherweise setzen ältere Menschen zu wenig Kraft ein, oder es wird
auf die Vorboten nicht schnell genug reagiert. Ein weiterer Grund könnten zusätzliche
autonome Störungen wie zum Beispiel orthostatische oder postprandiale Hypotensionen
sein, die im höheren Lebensalter oft gleichzeitig vorliegen, so die Überlegungen der
italienischen Forschergruppe, die das Verfahren daher vor allem für Betroffene unter
65 Jahren als hilfreich ansieht.
Die Hände greifen auf Brusthöhe ineinander. Anschließend werden die Arme mit maximaler
Kraft auseinander gezogen, ohne dass der Handgriff gelöst wird. Das Manöver erfolgt
so lange, bis die Vorboten verschwinden.
Dr. Karl Eberius, Heidelberg
Quelle: Croci F et al. Efficacy and feasibility of isometric arm counter-pressure
manoeuvres to abort impending vasovagal syncope during real life. Europace 2004; 6:
287-291