intensiv 2006; 14(1): 36-37
DOI: 10.1055/s-2005-858594
Abstract

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Einfluss einer halb aufrechten Lagerung und einer kontinuierlichen subglottischen Sekretabsaugung auf die Atemwegskolonisation bei Intensivpatienten

Hardy-Thorsten Panknin1
  • 1Berlin
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Publication Date:
18 January 2006 (online)

In der Pathogenese der Beatmungspneumonie auf der Intensivstation spielen Mikroaspirationsvorgänge eine große Rolle. Die in der Mundhöhle angesammelte Keimflora gelangt vor allem bei flacher Lagerung des Patienten leicht mit kleinen Sekretmengen, die unter dem „Cuff” des Beatmungstubus in die Trachea fließen, in die tieferen Atemwege. Auch ein optimales Aufpumpen des Cuffs schützt nicht vor derartigen Mikroaspirationen, da bei jeder Umlagerung, bei Transporten und bei Drehungen des Patienten während diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen kleine Dislokationen und Verschiebungen des Tubus unvermeidlich sind.

Eine bereits seit längerer Zeit immer wieder propagierte Methode, um das Risiko von Mikroaspirationen zu senken, ist die Trockenlegung des Rachenraums und besonders des subglottischen Raums durch kontinuierliche Sekretabsaugung.

Ein entsprechender Tubus, der so genannte Mahul-Tubus, wurde bereits 1992 erstmals von Mahul und Mitarbeitern entwickelt und in einer klinischen Studie erprobt. Der Tubus besitzt ein zweites Lumen, welches direkt oberhalb des Trachealeingangs auf der Dorsalseite endet. Es erlaubt die intermittierende oder kontinuierliche Absaugung von Sekret, welches sich oberhalb des „Cuffs” im subglottischen Raum sammelt. Da die Technik der subglottischen Absaugung allerdings etwas aufwendig ist, wurde in den letzten Jahren versucht, durch halb aufrechte Lagerung des Patienten einen ähnlichen Effekt zu erzielen.

Durch die Hochlagerung des Oberkörpers in einem Winkel zwischen 30 ° und 45 ° fließt das Rachensekret hinter dem Larynx in den Ösophagusmund ab, so dass der Rachenraum trocken gehalten werden kann. Klinische Studien haben gezeigt, dass auch dieser Ansatz zu einer signifikanten Verminderung von Beatmungspneumonien führt. Aufgrund von Beobachtungen im Klinikalltag muss allerdings davon ausgegangen werden, dass die Oberkörperhochlagerung nur bei ca. 30 % der Patienten konsequent durchgehalten wird. Häufig muss das Oberteil des Bettes für therapeutische Maßnahmen wie z. B. das Anlegen von Gefäßkathetern oder für Pflegemaßnahmen heruntergeschraubt werden, womit der angestrebte Effekt konterkariert wird.

In der vorliegenden klinischen Pilotstudie an einer kleinen Patientenzahl untersuchte daher Dr. Emmanuelle Giroud von der Krankenhaushygiene des Henri-Mondor-Krankenhauses in Paris, ob durch eine Kombination beider Methoden eine weitere Verbesserung erzielt werden kann. Die Studie fand unter Mitarbeit von intensivmedizinischen Kooperationspartnern auf einer medizinischen Intensivstation des Broussais-Universitätsklinikums statt. Alle akut aufgenommenen Patienten, die intubiert und voraussichtlich für mehr als 5 Tage maschinell beatmet werden mussten, wurden unmittelbar vor der Intubation randomisiert. Die eine Gruppe erhielt einen Tubus mit subglottischer Absaugöffnung, eine modifizierte Version des Mahul-Tubus (HiLo-Evac-Tubus, Fa. Mallinckrodt). Diese Patienten wurden anschließend in eine Position mit 30 °-Oberkörperhochlagerung gebracht. Die andere Gruppe erhielt einen Standardtubus und wurde in Flachlage positioniert. In den folgenden Tagen wurden täglich Absaugproben aus dem Rachen und der Trachea gewonnen und quantitativ bakteriologisch auf aerobe und anaerobe Erreger sowie Pilze untersucht. Diese täglichen Kontrollen wurden bei fortlaufender Beatmung für 10 Tage durchgeführt oder alternativ, bei vorheriger Beendigung der Beatmung, bis zur Extubation. Weitere Endpunkte waren der Tod des Patienten oder das Auftreten einer Beatmungspneumonie.

Von 366 im Studienzeitraum auf der Intensivstation betreuten Beatmungspatienten wurden 104 direkt auf der Station intubiert. Nur 18 davon konnten jedoch für die Studie randomisiert werden, 8 erhielten die subglottische Absaugung und 10 einen konventionellen Tubus. Im Mittel wurden diese Patienten über 12 Tage beatmet, so dass die 10-tägige bakteriologische Kontrolle durchgeführt werden konnte. Insgesamt wurden 120 paarige Aspiratproben (Rachen/Trachea) gewonnen; allerdings wurden nur 97 davon quantitativ bakteriologisch untersucht, 40 in der Studien- und 57 in der Kontrollgruppe. Im Ergebnis, und dies war ein auf den ersten Blick erstaunlicher Befund, zeigte sich keinerlei Einfluss der kontinuierlichen Absaugung auf den Kolonisierungsverlauf von Oropharynx und Trachea (Abb. 1). Auch das Erregerspektrum in der Trachea war in den beiden Gruppen nicht verschieden (Tab. 1).

Tab. 1 Vergleich des Keimspektrums in der Trachea in den beiden Gruppen Anzahl der Isolate (% in Klammern) Erregerspezies Gruppe 1 (kontinuierliche Absaugung und Hochlagerung) n = 40 Kulturen Gruppe 2 (Kontrollgruppe) n = 57 Kulturen grampositive Kokken 32 (39) 31 (37) Staphylococcus spp. 18 18 Streptococcus spp. 14 13 gramnegative Kokken 1 (1) 0 (0) Neisseria spp. 1 (1) 0 (0) grampositive Stäbchen 0 (0) 3 (4) gramnegative Stäbchen 43 (53) 33 (40) Haemophilus spp. 10 5 Enterobacteriazeen 22 20 Pseudomonas aeruginosa 9 8 Acinetobacter baumanni 2 0 Hefepilze 6 (7) 15 (18) Anaerobier 0 (0) 1 (1) gesamt 82 83

Abb. 1 a Keimzahlverlauf im Oropharynx. b Keimzahlverlauf in der Trachea.

Literatur

  • 1 Girou E. et al . Airway colonization in long-term mechanically ventilated patients. Effect of semi-recumbent position and continuous subglottic suctioning.  Intensive Care Med. 2004;  225-233

Hardy-Thorsten Panknin

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