intensiv 2006; 14(1): 1
DOI: 10.1055/s-2005-859025
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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Publication Date:
18 January 2006 (online)

Der Bedarf unserer Gesellschaft an intensivpflegerischen Leistungen wird, so die übereinstimmenden Prognosen, in den nächsten Jahren stetig weiter ansteigen. Diese wachsende Nachfrage von Intensivbehandlungskapazität ist einerseits mit den wachsenden Behandlungsoptionen infolge des medizinischen Fortschritts sowie andererseits mit einer Ausweitung der Patientengruppen, die von Intensivpflege und -behandlung profitieren, wie z. B. onkologisch erkrankte Patienten, begründet. Allerdings kann vielerorts schon seit geraumer Zeit davon ausgegangen werden, dass das Angebot an intensivmedizinischen Versorgungskapazitäten geringer ist als der tatsächliche Bedarf [1]. Die hieraus resultierende Diskrepanz kann auf den Intensivstationen unter den Stichworten Bettenknappheit und Leistungsverdichtung wahrgenommen werden. Gleichzeitig stehen die an das Gesundheitswesen gerichtete Forderung nach weiter wachsender Wirtschaftlichkeit und Effizienz auch für die Intensivpflege im Raum. Dabei sind viele Intensivpflegende heute der Auffassung, dass sie ihren Patienten - zumindest zeitweise - nicht mehr die Pflegequalität zukommen lassen können, die sie aufgrund ihres Wissens für notwendig erachten.

Obwohl die hier skizzierte Situation zugegebener Maßen wenig optimistisch erscheint, muss hinzugefügt werden, dass die medizinische und pflegerische Versorgung kritisch Kranker in Deutschland nach wie vor auf hohem Niveau praktiziert wird. Diese Leistung dürfen sich die in der Pflege und Behandlung kritisch kranker Menschen Tätigen zuschreiben.

Allerdings ist unter den derzeitigen Bedingungen der Krankenhausfinanzierung die Möglichkeit eines Ressourcenzuwachses, der die gesteigerte Nachfrage decken würde, unwahrscheinlich. Insbesondere die Aufstockung des qualifizierten ärztlichen und pflegerischen Personals erscheint unter den gegebenen Bedingungen wünschenswert und notwendig, aber gleichzeitig nicht ohne Weiteres realisierbar, obwohl der Zusammenhang zwischen Qualität und Quantität der Pflegenden und den für die kritisch kranken Patienten erzielten Ergebnissen (Outcome) als gesichert nachgewiesen gelten kann [2].

Bei der derzeitigen Gemengelage scheinen Veränderungspotenziale nicht in der Leistungsbeschleunigung des Einzelnen zu liegen. Denn dank einer mehr als dreißigjährigen Tradition der Weiterbildung in der Intensivpflege und Anästhesie kann in den Intensivstationen und Anästhesieabteilungen von einem hohen Qualifikationsgrad ausgegangen werden.

So bilden das Management der Arbeitsprozesse in der Intensivpflege und Anästhesie einen Ansatzpunkt für Veränderungen. Welche Formen der Arbeitsablauforganisation sind heute für eine Intensivstation zeitgemäß? Wie kann die Kooperation der Berufsgruppen nicht nur verbal, sondern mit praktischer Wirksamkeit verbessert werden (Beispiel OP-Management)? Sollte der Einsatz des Case-Managements auch für kritisch kranke Patienten in Erwägung gezogen werden? Welche Arbeitsmittel und Dokumentationssysteme unterstützen Pflegende bei ihren Leistungen am besten? Wann kann und sollte ein Patient verlegt werden, ohne die Gefahr einer Wiederaufnahme in Kauf zu nehmen? Auf diese Fragen an das Management einer Intensivstation - und hier sind nur einige Beispiele genannt - werden kompetente Antworten benötigt, die den aktuellen Wissensstand reflektieren, begründete Entscheidungen mit bester Evidenz enthalten, verkrustete Strukturen aufbrechen und wenig nützliche Rituale abschaffen.

Das Pflegemanagement der Intensivstationen hat hier die Chance, Veränderungsprozesse zugunsten einer gesicherten Pflegequalität zu initiieren und sich nicht in einer notwendigen, aber nicht hinreichenden Suche nach Personal zum Auffüllen der Lücken im Dienstplan zu erschöpfen.

Die Herausgeber

Literatur

  • 1 DGAI .Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) zur Versorgungssituation m Bereich der Intensivmedizin. 2000. Online im Internet (Stand: 20.05.2005): . http://www.svr-gesundheit.de/Gutachten/Gutacht01/befragung/id-nummern/096.pdf
  • 2 Aiken L, Clarke S P, Sloane M P. et al . Hospital Nurse Staffing and Patient Mortality, Nurse Burnout and Job Dissatisfaction.  JAMA. 2002;  1987-1993
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