Knochenschmerzen, Anämien oder Thrombozytopenien sollten grundsätzlich umfassend abgeklärt
werden, unter Umständen könnte sich hinter solchen unspezifischen Symptomen auch ein
M. Gaucher verbergen, eine lysosomale Speicherkankheit mit möglicherweise schwersten
Folgen.
Einen typischen Fall hat uns Dr. E. Mengel vom Universitätskinderklinikum in Mainz
beschrieben: Zwischen der Manifestation des Morbus Gaucher und der Diagnose lagen
hier 15 Jahre - keine Seltenheit, wie der Pädiater versichert.
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Etwa ein Drittel der Patienten werden tatsächlich erst im Erwachsenenalter diagnostiziert.
Zwar treten die klinischen Manifestationsformen des Glukozerebrosidasemangels oft
schon viel früher auf, werden aber in der Kindheit meist fehldiagnostiziert oder ignoriert.
Laut epidemiologischen Daten sind nur 10-20% der Patienten in Deutschland korrekt
diagnostiziert. Ein Grund dafür sind die unspezifischen Symptome, wie Adynamie, leichte
Ermüdbarkeit und Knochenbeschwerden.
Bei der heute 43-jährigen Frau E. standen die Symptome des Bewegungsapparates im Vordergrund:
Im Alter von zehn Jahren trat erstmals eine schmerzhafte Schwellung der Fingergrundgelenke
auf.
Es folgten Schwellungen der Sprung- und Kniegelenke und Behandlungen mit nichtsteroidalen
Antirheumatika (NSAR) sowie Steroiden bei Verdacht auf eine juvenile, chronische Arthritis.
Eine Milzvergrößerung wurde erstmals im Alter von zwölf Jahren beschrieben. Beidseitige
Hüftkopfnekrosen im 20. Lebensjahr wurden als Folge der Steroidbehandlung interpretiert.
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Unbehandelt verläuft der M. Gaucher bei fast allen Patienten fortschreitend und chronisch.
Je früher die Erkrankung manifest wird, desto schwerer und rascher verläuft sie in
der Regel. Blutungskomplikationen und Milzrupturen - die Milz kann bis auf das 20fache
der Norm vergrößert sein - können die Betroffenen vital gefährden.
Blutungskomplikationen - genauer eine Thrombopenie - waren auch bei Frau E. der Anlass,
warum im Alter von 25 Jahren nach der ersten Schwangerschaft ein Morbus Gaucher mit
nichtneuronopathischer Verlaufsform diagnostiziert wurde. Frau E. war beim Schlittschuhlaufen
gestürzt, und erst zu diesem Zeitpunkt wurde erstmals ein Zusammenhang zwischen der
Milzvergrößerung und den Skelettveränderungen vermutet.
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Ein großes Problem in der Praxis sind zudem Knochen- und Gelenkveränderungen, angefangen
von tief im Schaftbereich lokalisierten dumpfen Knochenschmerzen der unteren Extremitäten,
Gelenkschmerzen und Knochenkrisen bis hin zum Auftreten pathologischer Frakturen,
Wachstumsstörungen und osteonekrotischen Veränderungen vor allem am Hüftkopf oder
dem proximalen Humerus.
Gezielt nach früheren Erkrankungen fragen
In der Anamnese spielt die gezielte Erfragung der am häufigsten betroffenen Organsysteme
eine wichtige Rolle - zum Beispiel vorangegangene Splenektomien oder eine frühere
Therapie wegen eines Morbus Perthes bzw. aseptischer Knochennekrosen. Wichtige laborchemische
Befunde sind Anämien und (ausgeprägte) Thrombozytopenien. Im Blutplasma sind die lysosomalen
Verlaufsparameter (saure Phosphatase, ACE und Ferritin) typischerweise erhöht. Gesichert
wird die Verdachtsdiagnose 'Morbus Gaucher' durch eine direkte Bestimmung der Beta-Glukozerebrosidase
in Leukozyten oder aus kultivierten Fibroblasten (Glukozerebrosidase-Aktivität unter
30%).
Fehlendes Enzym ersetzen
Verursacht wird diese verringerte Enzymaktivität durch einen autosomal-rezessiv vererbten
Defekt der Glukozerebrosidase, weshalb Glukozerebrosid nicht zu Glukose und Ceramid
degradiert werden kann. Damit kommt es in der Folge zur Anreicherung der Speichersubstanz
in Milz, Leber, Knochenmark und seltener der Lunge.
Standardtherapie des M. Gaucher ist heute die Infusion der rekombinanten Glukozerebrosidase
(Imiglucerase; Cerezyme®) im Abstand von etwa 14 Tagen. Dies führt zu einer allmählichen
Verbesserung von Anämie und Thrombozytopenie - was wiederum die Leistungsfähigkeit
der Patienten deutlich steigert -, Leber- und Milzvolumen normalisieren sich. Zudem
werden Gaucher-Zellinfiltrate im Knochenmark reduziert, der Fettanteil im Knochenmark
wieder hergestellt, und Knochenschmerzen sowie andere Knochenkomplikationen verringern
sich.
Da das Krankheitsbild des M. Gaucher interindividuell stark variiert, lässt sich nur
mithilfe einer individualisierten Therapie in dem zuvor gesetzten Zeitrahmen ein maximaler
Behandlungserfolg sicherstellen. Eine Dosisreduktion jedoch kann erst erwogen werden,
wenn tatsächlich alle relevanten therapeutischen Ziele erreicht wurden, denn in der
Regel klingen die hämatologischen und viszeralen Symptome schneller ab als bestehende
Knochen- oder Lungenkomplikationen. Um eine adequate Erhaltungstherapie sicherzustellen,
eignet sich die Bestimmung der Chitotriosidase, da die Konzentration dieses sensitivsten
Verlaufparameter bereits ansteigt, bevor eine klinische Verschlechterung der Gaucher-Symptome
zu erkennen ist.