Immer häufiger kommt bei chronischem Schwindel das so genannte Vestibularis-Training
zum Einsatz. Erfolgversprechend sind die einfachen Übungen immer dann, wenn sich der
Schwindel mit Kopfbewegungen provozieren lässt, was allerdings bei einem Großteil
der Betroffenen der Fall ist.
Die Basis des Vestibularis-Trainings bilden zwei einfache Übungen. Entweder wird der
Kopf wie beim "Nein-Sagen" nach rechts und links hin- und hergedreht oder wie beim
"Ja-Sagen" nach oben und unten. Darauf aufbauend sind zahlreiche Varianten möglich.
Zum Beispiel kann mit geschlossenen Augen geübt werden oder die Übungen können statt
im Sitzen beim Laufen erfolgen.
Trainingsprogramm versus Medikamenteneinnahme
Trainingsprogramm versus Medikamenteneinnahme
Nach einer aktuellen Studie sind die Übungen so einfach, dass sich das Trainingsprogramm
in einer einzigen Sitzung ausreichend vermitteln lässt und die Patienten dann mit
einem selbstständigen Training tatsächlich auch ihre Schwindelsymptome signifikant
verringern können. Überprüft wurde dies an 170 Patienten, die durchschnittlich 62
Jahre alt waren und im Mittel seit über acht Jahren unter Schwindel litten. Der einen
Hälfte wurden die Übungen von einer angelernten Krankenschwester in einem 30- bis
40-minütigem Gespräch erklärt. Die andere Hälfte führte einfach ihre bisherige medizinische
Behandlung fort, was zum Beispiel die Einnahme von Antiemetika und anderen Medikamenten
umfasste. Nach einem dreimonatigen Training berichteten schließlich 67% der Übungsgruppe
von Verbesserungen der Schwindelsymptome gegenüber nur 38% in der Kontrollgruppe (Ann Intern Med 2004; 141: 598-605).
Kopfübungen als Therapie und Screeningmethode
Kopfübungen als Therapie und Screeningmethode
Geeignet ist das Training allerdings nicht für alle Schwindelpatienten gleichermaßen.
Nach Hinweisen von Studienleiterin Prof. Lucy Yardley von der University of Southampton
ist ein Ansprechen auf die Therapie immer dann zu erwarten, wenn sich der Schwindel
mit Kopfbewegungen auslösen lässt, was ein Zeichen für eine vestibuläre Ursache darstellt,
also zum Beispiel eine Störung im Bereich der Bogengänge oder des dazugehörigen Nervs.
Dabei ist die Bewegungsabhängigkeit jedoch keineswegs selten, wie die Schwindel-Spezialistin
ergänzt. Nach ihrer Erfahrung ist dies in einer Allgemeinarztpraxis sogar bei der
Mehrheit der Schwindelpatienten anzutreffen.
Ob ein Schwindel tatsächlich bewegungsabhängig ist, lässt sich einfach zum Beispiel
mit denselben Übungen feststellen, mit denen auch die Behandlung erfolgt. Demnach
sind die Kopfübungen also nicht nur als Therapie sinnvoll, sondern auch als Screeningmethode.
Keine bedeutenden Nebenwirkungen
Keine bedeutenden Nebenwirkungen
Insgesamt waren in der Studie, in die nur Patienten mit bewegungsabhängigem Schwindel
aufgenommen wurden, sehr unterschiedliche Diagnosen vertreten. Entsprechend den Aufzeichnungen
der 20 Arztpraxen, aus denen sich die Teilnehmer rekrutierten, lauteten die Diagnosen
zum Beispiel Morbus Menière, gutartiger paroxysmaler Lagerungsschwindel oder Neuritis
vestibularis. Und in fast 70% der Fälle war die Ursache sogar unbekannt und wurde
für die Studie auch nicht weiter abgeklärt.
Bedeutende Nebenwirkungen ließen sich in der Untersuchung nicht beobachten. Zwar berichteten
sieben der 170 Teilnehmer von verschiedenen Beschwerden, die aber alle nur vorübergehend
auftraten. Dabei handelte es sich um Übelkeit, Kribbeln in den Füßen, Druckgefühl
im Kopf und viermal um zervikale Beschwerden, die in der Studie nicht näher beschrieben
wurden.
Dr. med. Karl Eberius, Heidelberg
Quelle: Lucy Yardley. Patientenbroschüre "Balance Retraining: Exercises Which Speed
Recovery from Dizziness and Unsteadiness." Ann Intern Med 2004; 141 Issue 8, Appendix
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