Plötzlich und unerwartet, d.h. ohne ersichtlichen äußeren Auslöser auftretende Panikattacken
können wegen ihres klar abgrenzbaren Verlaufs, sowie ihres charakteristischen Musters
somatischer, emotionaler, kognitiver und behaviouraler Symptome als eine prototypische
Erscheinungsform von Angst angesehen werden. Panikattacken treten bei 10-30 % der
Bevölkerung auf und sind ein bedeutsamer Risikomarker für das spätere Auftreten psychiatrischer
Erkrankungen. Darüber hinaus sind sie ein spezifischer Risikofaktor für die Entwicklung
einer Panikstörung. Die Panikstörung ist durch das wiederholte Auftreten spontaner
Panikattacken, ausgeprägte und persistierende Erwartungsangst und häufig auch durch
ein agoraphobes Vermeidungsverhalten charakterisiert. Durch die experimentelle Provokation
von Panikattacken, z.B. mittels einer Laktat-Infusion oder pharmakologischer Interventionen,
ergibt sich, neben den sogenannten Modellpsychosen, die in der Psychiatrie nahezu
einzigartige Möglichkeit, das zentrale klinische Symptom, beim Menschen experimentell
zu erzeugen und standardisiert zu untersuchen. Im Folgenden werden die wichtigsten
respiratorischen und pharmakologischen Provokationsverfahren dargestellt. Am Beispiel
des atrialen natriuretischen Peptids (ANP) wird gezeigt, wie experimentell induzierte
Panikattacken als Modell herangezogen werden können, um mögliche neue Therapiestrategien
zu entwickeln. Möglichkeiten und Grenzen experimentell induzierter Panikattacken werden
ebenso diskutiert wie Fragen der Validität.
Experimentelle Provokation von Panikattacken
Allgemeine Voraussetzungen
Die Sicherheit während der experimentellen Symptomprovokation steht an erster Stelle.
Da die Provokationsverfahren an sich nicht gefährlich sind, muss vor der Untersuchung
ausgeschlossen werden, dass eine andere Erkrankung besteht, die durch eine experimentell
induzierte Panikattacke verschlechtert werden könnte. Informed Consent und eine medizinische
und psychiatrische Überwachung während der Untersuchung sind weitere Voraussetzungen
für die Durchführung solcher Studien. Um die Pathophysiologie der Panikstörung zu
untersuchen, sollten die entsprechenden Patienten medikamentenfrei sein und an keiner
anderen psychiatrischen Erkrankung leiden. Als Kontrollprobanden müssen solche mit
positiver Familienanamnese für eine Panikstörung und solche mit Panikattacken in der
Vorgeschichte ausgeschlossen werden. Bei den Patienten müssen Studien mit experimenteller
Provokation von Panikattacken in ein verhaltenstherapeutisches Behandlungskonzept
eingebunden sein. Der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn sollte nicht durch andere
Studien erreicht werden können. In [Abbildung 1] ist als standardisiertes Erfassungsinstrument experimentell induzierter Panikattacken
das Panikinventar gezeigt. Es handelt sich hierbei um eine Erweiterung des international
weit verbreiteten API Scores (Acute Panik Inventory) [6].
Provokationsverfahren
Verschiedene panikogen wirksame Substanzen mit ihren Mechanismen und Auswirkungen
auf das Stresshormonsystem und die Atmung sind in [Tabelle 1] aufgeführt. Laktat und CO2 werden als respiratorische Provokationsverfahren zusammengefasst und den pharmakologischen
Provokationsverfahren mit jeweils klaren, Rezeptor-assoziierten Mechanismen gegenübergestellt.
Respiratorische Provokationsverfahren führen über pH und pCO2-Veränderungen und, vermittelt über medulläre Chemorezeptoren, zu einer Stimulation
der Atmung.
Laktat: Die Infusion einer 0,5-molaren Natrium-Laktat-Lösung ist die am besten untersuchte
Methode zur experimentellen Provokation von Panikattacken. Bereits 1967 beschrieben
Pitts und McClure [12] das Auftreten von Laktat-induzierten Panikattacken bei Patienten mit Angsterkrankungen,
nicht jedoch bei gesunden Kontrollprobanden. Die Panikogenität von Laktat findet sich
nicht nur bei Patienten mit einer Panikstörung, sondern auch bei Patienten, die Panikattacken
in der Anamnese hatten, sowie bei Patientinnen mit prämenstruellem Syndrom. Eine antipanisch
wirksame Psychopharmakotherapie mit Antidepressiva oder Benzodiazepinen blockiert
Laktat-induzierte Panikattacken. Der Mechanismus, über den Laktat panikogen wirkt,
ist noch nicht eindeutig geklärt. Die anfängliche Hypothese, dass Laktat über eine
Hypokalzämie Panikattacken auslöst, konnte nicht bestätigt werden. Vielmehr wird diskutiert,
dass die laktatbedingte metabolische Alkalose zu einer Vasokonstriktion der hirnversorgenden
Gefäße führt, welche eine zerebrale Ischämie mit erhöhtem Laktat/Pyruvat-Quotienten
und abfallendem pH in den medullären Chemorezeptoren zur Folge hat. Panikattacken
würden demzufolge als Folge der Fehlwahrnehmung von Chemorezeptoren, die eine lebensbedrohliche
zentrale Hypoxie und Azidose vermitteln, entstehen. Eine andere Hypothese geht ebenfalls
von einer metabolischen Alkalose aus, wobei dem aus Laktat entstehenden Bikarbonat
eine zentrale Rolle zugeschrieben wird. Bikarbonat wird zu Karbonsäure und in der
Folge zu CO2 umgewandelt. CO2 könnte eine zentrale Hyperkapnie zur Folge haben und über eine Stimulation medullärer
Chemorezeptoren die Atmung beschleunigen. Da Hyperkapnie den Locus Coeruleus stimuliert,
könnten Laktat-induzierte Panikattacken auch, oder zumindest teilweise zentral noradrenerg
vermittelt sein.
Kohlendioxid (CO2): Die CO2-Inhalation ist ein ebenfalls gut charakterisiertes Modell experimentell induzierter
Panikattacken. Panikattacken die durch Inhalation von 5 % CO2 induziert werden, sind gekennzeichnet durch einen Anstieg des Atemzugvolumens [7] im Sinne eines überaktiven respiratorischen Systems. Die Wirkungen von CO2 werden durch Rezeptoren in der Lunge, dem Aortenbogen, den Carotiden und der Medulla
vermittelt. Darüber hinaus konnte im Tierexperiment gezeigt werden, dass CO2 dosisabhängig die Feuerrate des Locus Coeruleus erhöht. Hinweise für eine genetische
Grundlage der CO2-Hypersensitivität [11] ermöglichen die Verwendung dieses biologischen Markers i.S. eines Endophänotyps
auch in genetischen Untersuchungen.
Cholecystokinin Tetrapeptid (CCK-4): CCK-4 nimmt eine Sonderstellung zwischen den pharmakologischen Panikogenen wie Yohimbin
und den respiratorischen panikogenen Laktat und CO2 ein: es stimuliert die Atmung und das Stresshormonsystem. De Montigny konnte erstmals
zeigen, dass die Gabe von CCK-4 Panikattacken hervorrufen kann. Weitere Studien ergaben,
dass Patienten mit einer Panikstörung eine CCK-4-Hypersensitivität haben [2]. Der Versuch, durch Entwicklung spezifischer CCK-B-Rezeptorantagonisten einen neuen
Therapieansatz bei Patienten mit Panikstörung zu entwickeln, war bisher jedoch nicht
erfolgreich. Inwiefern dies mit der fehlenden Bioverfügbarkeit der bisherigen Substanzen
zusammenhängt, ist derzeit noch offen.
In eigenen Untersuchungen waren CCK-4-induzierte Panikattacken von Patienten mit Panikstörung
von einer starken Aktivierung der hypophysären ACTH-Sekretion begleitet, ohne dass
es zu einer vermehrten Kortisol-Freisetzung kam [24]. Auch wenn die Grundlagen für diese Entkoppelung im Stresshormonsystem noch unklar
sind, verdeutlicht der fehlende Anstieg der Kortisol-Konzentrationen bei gleichzeitiger
ACTH-Stimulation bei Patienten mit CCK-4-induzierten Panikattacken, dass Panikattacken
von Patienten mit Panikstörung ohne vermehrte Kortisol-Sekretion mit einer zentralen
Aktivierung des HPA-Systems und vermehrter CRH-Freisetzung einhergehen könnten. Dies
wird durch die Beobachtung gestützt, dass bei Patienten mit spontanen oder situativ
getriggerten Panikattacken ebenfalls kein Kortisolanstieg nachweisbar war.
Noradrenerge und serotonerge Neurotransmission: Die durch serotonerge oder noradrenerge Stimulation erzeugte Angstsymptomatik ist
nur eingeschränkt mit der von einer Hyperventilation begleiteten Laktat-induzierten
oder spontanen Panikattacke vergleichbar. Die erzeugte klinische Symptomatik wurde
daher eher mit der Erwartungsangst oder Symptomen der generalisierten Angststörung
in Verbindung gebracht. Auch findet sich im Gegensatz zu spontanen und Laktat-induzierten
Panikattacken bei den sogenannten pharmakologischen Panikogenen eine Aktivierung des
HPA-Systems [Tab. 1].
Yohimbin hat den am besten charakterisierten Wirkmechanismus experimentell induzierter
Angst. Dieser a2-Adrenorezeptor-Antagonist erhöht die noradrenerge Aktivität durch Blockade der noradrenergen
Autorezeptoren am Locus Coeruleus. Präklinische Studien von Redmond konnten zeigen,
dass die elektrische Stimulation des Locus Coeruleus zu panikattackenartiger Symptomatik
führt. Im Vergleich zu Kontrollprobanden entwickeln Patienten mit Panikstörung nach
oraler Gabe von Yohimbin vermehrt Angst und Panikattacken [4]. Hingegen hat der α2-Rezeptor-Agonist Clonidin, eine transiente antipanische Aktivität, die jedoch aufgrund
von Nebenwirkungen therapeutisch nicht genutzt werden kann. Die akute Clonidin-Gabe
war bei Patienten mit Panikstörung stärker anxiolytisch wirksam als bei Kontrollprobanden
und führte zu einem starken Abfall der Plasma-Konzentrationen von MHPG, dem peripheren
Metaboliten von Noradrenalin. Imipramin blockiert zwar spontane Panikattacken und
die Aktivität des Locus Coeruleus, hat aber bemerkenswerterweise keinen Einfluss auf
die Yohimbin-induzierte Symptomatik.
Etwa 70 % des im ZNS nachweisbaren Noradrenalins wird im Locus Coeruleus, einer bilateralen
Ansammlung von mehreren tausend noradrenergen Nervenzellen im dorsalen Tegmentum,
produziert. Der Locus Coeruleus hat u.a. efferente Verbindungen zu Hypothalamus, Hippokampus,
der Amygdala und Bereichen des Kortex. Afferenzen erhält der Locus Coeruleus u.a.
von hypothalamischen Kernen, wobei Projektionen von CRH produzierenden Neuronen aus
dem Nucleus paraventricularis für das Verständnis der Beziehung von Locus Coeruleus-Aktivität
und neuroendokriner Stressreaktion von zentraler Bedeutung sind. Die Aktivität des
Locus Coeruleus wird durch α2-Adrenorezeptoren moduliert. Die Stimulation dieser Autorezeptoren senkt die Feuerrate
der noradrenergen Neurone und vermindert somit die Freisetzung von Noradrenalin. Noradrenalin
und auch der b-Adrenorezeptor-Agonist Isoprenalin, der paradoxerweise nicht die Blut-Hirn-Schranke
passieren kann, wirken beim Menschen anxiogen. Imipramin und andere trizyklische Antidepressiva
reduzieren die Feuerrate des Locus Coeruleus.
Eine gestörte serotonerge Neurotransmission bei der Panikstörung wurde aufgrund der
guten klinischen Wirksamkeit selektiver Serotonin Reuptake-Inhibitoren (SSRI) angenommen.
SSRIs sind jedoch auch bei anderen psychiatrischen Erkrankungen wie der Depression,
der Zwangsstörung, PTSD, bei Phobien und der generalisierten Angststörung Mittel der
1. Wahl in der Psychopharmakotherapie. Relativ spezifisch für Patienten mit Panikstörung
scheint hingegen die Verstärkung der Angstsymptomatik bei zu rascher Aufdosierung
zu sein. Dies wird auf eine Hypersensitivität postsynaptischer Serotonin-Rezeptoren
zurückgeführt, was durch Studien mit dem Serotonin-Agonisten m-Chlorophenylpiperazin
(mCPP) ebenfalls unterstützt wird. Die intravenöse Gabe von mCPP löst bei Patienten
mit Panikstörung, und in höherer Dosierung auch bei gesunden Kontrollprobanden, Angst
aus. Die Symptomatik konnte durch Ritanserin, einen 5-HT2-Antagonisten, blockiert werden [15]. Oral verabreicht führt mCPP nur bei Patienten mit Panikstörung, nicht jedoch bei
gesunden Kontrollprobanden zu Angst [8]. Ähnliche Befunde wurden auch für Fenfluramin, eine Substanz die präsynaptisch Serotonin
freisetzt, beobachtet: auch hier traten Panikattacken bei Patienten mit Panikstörung
häufiger auf. Der partielle 5-HT1A-Rezeptor Agonist Buspiron ist bei Patienten mit generalisierter Angststörung, nicht
jedoch bei Patienten mit Panikstörung wirksam. Während die anxiolytische Aktivität
von Buspiron mit einer präsynaptischen Hemmung serotoninerger Aktivität in Verbindung
gebracht wurde, kann Buspiron in höheren Dosierungen über eine Aktivierung postsynaptischer
5-HT-Rezeptoren bei Patienten mit einer Panikstörung anxiogen wirken. Eine abgeschwächte
Aktivierung des HPA-Systems und ein vermindertes Absinken der Körpertemperatur auf
die Gabe von Ipsapiron bei Patienten mit Panikstörung wurde als Ausdruck subsensitiver
prä- und postsynaptischer 5-HT1A-Rezeptoren angesehen. Da Ipsapiron weder bei Kontrollprobanden noch bei Patienten
mit Panikstörung anxiogen wirkt, wird eine komplexe Dysfunktion des serotoninergen
Systems angenommen.
GABA-erge Neurotransmission: Die anxiolytische Aktivität von Benzodiazepinen und die Anxiogenität von inversen
Agonisten an den Benzodiazepin-GABAA-Rezeptoren sind gut charakterisiert. Während es bei Patienten mit Panikstörung Hinweise
für eine verminderte Empfindlichkeit gegenüber den Effekten von Benzodiazepinen gibt
(28), sind inverse Agonisten der Benzodiazepin-GABAA-Rezeptoren bei Patienten mit Panikstörung nicht untersucht. Als Benzodiazepin-Rezeptor-Antagonist
blockiert Flumazenil die meisten pharmakologischen Effekte von Benzodiazepinen, inklusive
der sedierenden, muskelrelaxierenden, anxiolytischen und antikonvulsiven. Daneben
wurde jedoch auch eine intrinsische Aktivität, i.S. einer am Benzodiazepin-Rezeptor
agonistischen oder invers agonistischen Aktivität beschrieben.
Die 1990 von Nutt und Mitarbeitern [10] postulierte „Rezeptor-Shift” bzw. „Set-Point” Hypothese der Panikstörung basiert
auf der Beobachtung, dass acht der zehn untersuchten Patienten mit einer Panikstörung
eine Panikattacke nach Flumazenil entwickelten. Bei gesunden Kontrollprobanden fanden
sich keine Hinweise auf eine anxiogene Aktivität von Flumazenil. Dieser Befund veranlasste
uns, die Effekte von Flumazenil bei Patienten mit Panikstörung mit der am besten untersuchten
panikogenen Substanz, einer Laktat-Lösung, zu vergleichen. Während acht der zehn untersuchten
Patienten eine Laktat-induzierte Panikattacke entwickelten, konnte durch Flumazenil-Gabe
keine Panikattacke experimentell induziert werden [19]. Neben den fehlenden psychopathologischen Veränderungen fand sich nach Flumazenil
auch keine Aktivierung des HPA-Systems oder der untersuchten Kreislaufparameter, so
dass sich insgesamt keine Hinweise für eine invers agonistische Aktivität von Flumazenil
bei den untersuchten Patienten mit Panikstörung ergaben. Auch im Vergleich zu gesunden
Kontrollprobanden fand sich bei den untersuchten Patienten mit einer Panikstörung
keine differentielle Wirksamkeit von Flumazenil i.S. einer invers agonistischen Aktivität
von Flumazenil oder einen „Rezeptor-Shift” bzw. eine veränderte Rezeptoreinstellung
(„Set-Point”). Möglicherweise ist eine Kombination aus komorbiden psychiatrischen
Erkrankungen, einer hohen Panikattacken-Frequenz und Effekten des weiblichen Zyklus
an der panikogenen Aktivität von Flumazenil mit beteiligt. Unsere Ergebnisse werden
auch von Randall und Mitarbeitern [13] gestützt, die ebenfalls keine Hinweise auf eine panikogene Aktivität von Flumazenil
bei Patienten mit PTSD und komorbider Panikstörung fanden.
In den letzten Jahren fanden sich vermehrt Hinweise dafür, dass bestimmte Steroide
durch Interaktion mit Neurotransmitter-Rezeptoren auch die neuronale Erregbarkeit
über membranäre Prozesse modulieren können. Steroide mit diesen Eigenschaften werden
als neuroaktive Steroide bezeichnet und können teilweise im Gehirn ohne Zuhilfenahme
peripherer Ressourcen synthetisiert werden. Die beiden neuroaktiven Steroide 3α,5α-THP
und 3α,5α-THDOC modulieren die neuronale Erregbarkeit durch Interaktion mit den GABAA-Rezeptoren. Diese neuroaktiven Steroide zeigen in elektrophysiologischen Untersuchungen
Benzodiazepin-ähnliche Effekte und sind entsprechend auch anxiolytisch und hypnotisch
wirksam. Andere neuroaktive Steroide haben gegensinnige Wirkungen. Bei experimentell
induzierten Panikattacken von Patienten mit Panikstörung kommt es nahezu zeitgleich
zu den psychopathologischen Veränderungen zu massiven Veränderungen der Konzentration
neuroaktiver Steroide, die von einem stark verminderten GABA-ergen Tonus begleitet
sein können [Abb. 2] [23]. Bemerkenswerterweise fanden sich diese Veränderungen nicht bei Kontrollprobanden,
nicht einmal bei den Kontrollprobanden mit experimentell induzierten Panikattacken.
Basal zeigten die Patienten mit Panikstörung erhöhte Konzentrationen der GABAA-agonistisch wirksamen Stereoisomere 3α,5α-THP und 3α,5β-THP, während das GABAA-antagonistisch wirksame Stereoisomer 3β,5α-THP vermindert war. Die Panikattacken-assoziierten
Veränderungen neuroaktiver Steroide lassen es möglich erscheinen, dass die basalen
Veränderungen der Konzentrationen neuroaktiver Steroide bei Patienten mit einer Panikstörung
kompensatorisch erhöht sind, um dem Auftreten von Panikattacken entgegenzuwirken.
Möglichkeiten und Grenzen
Allgemeine Ziele, die mit der experimentellen Symptomprovokation verfolgt werden können,
sind in [Tabelle 2] aufgeführt. Neben den dargestellten Untersuchungen zur Pathophysiologie und Therapie
der Panikstörung werden z.B. CO2-induzierte Panikattacken auch für genetische Studien herangezogen. Während die wissenschaftliche
Untersuchung experimentell induzierter Panikattacken weltweit an vielen Zentren durchgeführt
wird, hat sich die vorgeschlagene Anwendung zur Behandlung der Panikstörung [1] bisher nicht durchgesetzt. Neben praktischen Aspekten ist hierfür insbesondere die
gute Behandlungsmöglichkeit der Panikstörung verantwortlich.
Die Behandlungssensitivität eines experimentelles Modells ist ein wichtiger Aspekt
der Validität. Während pharmakologische Interventionen, wie in [Tabelle 3] dargestellt, gut untersucht sind, gibt es zum Einfluss einer kognitiven Verhaltenstherapie
bisher nur eine kleine Studie von Shear et al. [16], die eine Abschwächung laktatinduzierter Panikattacken bei Patienten beschreiben
konnte.
Da Laktat auch bei gesunden Probanden mit Panikattacken in der Vorgeschichte oder
bei Patienten mit Panikattacken i.R. anderer psychiatrischer Erkrankungen panikogen
ist, ist die Spezifität nicht auf die Panikstörung, sondern auf die Panikattacke als
klinisches Syndrom begrenzt. CCK-4 dahingegen ist dosisabhängig auch bei gesunden
Kontrollprobanden anxiogen bzw. panikogen.
Mögliche neue Therapieansätze
Am Beispiel eigener Arbeiten mit dem atrialen natriuretischen Peptid (ANP) wird dargestellt,
dass die experimentelle Provokation von Panikattacken verwendet werden kann, um mögliche
neue Behandlungsansätze zu untersuchen. Allerdings hat sich in Studien zur therapeutischen
Anwendung von CCK-B-Rezeptor-Antagonisten gezeigt, dass die anxiolytische Aktivität
bei experimentell induzierten Panikattacken nicht gleichzusetzen ist mit der klinischen
Wirksamkeit bei Patienten. Auch neue Antiepileptika werden derzeit unter Anwendung
experimentell induzierter Panikattacken als mögliche neue Behandlungsansätze untersucht
[25]. Inwiefern experimentelle Panikattacken von Patienten mit Panikstörung und gesunden
Kontrollprobanden vergleichbar sind, wurde bisher nicht systematisch untersucht. Es
gibt jedoch Hinweise aus eigenen Untersuchungen, dass Panikattacken von Patienten
und Probanden auch neurobiologisch verschieden sein können [23].
Atriales Natriuretisches Peptid (ANP)
Das atriale natriuretische Peptid (ANP) besteht aus 28 Aminosäuren, und wird v.a.
im rechten Vorhof des Herzens synthetisiert [5]. Neben ANP wurden zwei verwandte Peptidhormone beschrieben: Brain Natriuretic Peptid
(BNP) und C-type natriuretic Peptid (CNP). BNP wurde im Gehirn des Schweins entdeckt,
beim Menschen jedoch wird es hauptsächlich in den Ventrikeln des Herzens synthetisiert
und hat primär hämodynamische Funktionen. ANP und CNP sind im ZNS weit verbreitet
und spielen eine wichtige Rolle als Neuromodulator.
In-vivo- und in-vitro-Studien bei der Ratte konnten zeigen, dass ANP als ein hypothalamischer
CRH-inhibierender Faktor wirkt. Die intravenöse Gabe von ANP-Antiserum hatte bei der
Ratte einen deutlichen Anstieg der basalen wie auch der stimulierten HPA-Aktivität
zur Folge. In-vivo-Studien beschrieben auch einen direkt hemmenden Effekt von ANP
auf die adrenale Kortisolfreisetzung. Auch beim Menschen konnte gezeigt werden, dass
ANP die CRH-stimulierte ACTH-, Kortisol- und Prolaktinsekretion hemmt [20]. Die Interaktion von ANP mit dem Stresshormonsystem ist in [Abbildung 3] dargestellt.
Während die neuroendokrinologische Funktion und die Rolle natriuretischer Peptide
in der Volumenregulation gut charakterisiert sind, wurden hiervon unabhängige Verhaltenseffekte
natriuretischer Peptide bisher kaum untersucht. Erste Hinweise für eine Verhaltensaktivität
von ANP kamen aus Untersuchungen, die ein verändertes Explorationsverhalten von Ratten
im „Open-Field-Test” sowie eine verzögerte Extinktion angstassoziierten Verhaltens
beschrieben. Erste Hinweise für eine mögliche Rolle von ANP bei Patienten mit einer
Panikstörung ergaben sich aus einer Studie von Kellner et al. [9], in der gezeigt werden konnte, dass Laktat-induzierte Panikattacken von Patienten
mit einer Panikstörung von einer vermehrten ANP-Freisetzung begleitet sind. Diese
vermehrte ANP-Freisetzung erklärt möglicherweise die fehlende Aktivierung des HPA-Systems
bei Laktat-induzierten Panikattacken. In den nachfolgenden Untersuchungen wird die
mögliche Rolle von ANP in der Angstmodulation beschrieben. Dies wurde sowohl präklinisch
im Tierexperiment, als auch klinisch bei Patienten mit einer Panikstörung untersucht.
Im Tierexperiment konnte eine anxiolytische Aktivität von Atriopeptin II, einem ANP-Fragment,
beschrieben werden. Sowohl nach periphererer als auch nach zentraler Gabe von Atriopeptin
II fand sich im Elevated Plus-Maze nach Social Defeat eine vermehrte Zeit auf dem
sowie vermehrt Eintritte in den offenen Arm des Plus Maze, was als verminderte Angst
interpretiert wird. Eine vergleichbare anxiolytische Aktivität zeigten die Tiere nach
lokaler Applikation von Atriopeptin II in den zentralen Amygdalakern [18]. Die spezifische anxiolytische Aktivität von ANP bei der Ratte wird durch die fehlenden
Effekte auf die lokomotorische Aktivität im Open Field-Test unterstrichen, denn eine
unveränderte lokomotorische Aktivität ist Voraussetzung für die korrekte Interpretation
der Verhaltenstests.
Auch bei Patienten mit einer Panikstörung konnte eine anxiolytische Aktivität von
ANP beschrieben werden: die CCK-4-induzierte Symptomatik von Patienten wurde durch
Vorbehandlung mit ANP signifikant abgeschwächt [22]. Neben den CCK-4-induzierten somatischen Symptomen waren auch angstspezifische Variablen
des API-Scores durch ANP-Vorbehandlung signifikant abgeschwächt (s. [Abb. 4]). Aufgrund der kleinen Stichprobe fand sich jedoch nur ein Trend zu einer verminderten
Anzahl CCK-4-induzierter Panikattacken nach ANP-Vorbehandlung. Eine anxiolytische
Aktivität von ANP beim Menschen wurde auch in einer Studie von Wiedemann und Mitarbeitern
[24] nachgewiesen. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass die anxiolytische Aktivität
von ANP bei Patienten mit Panikstörung und gesunden Kontrollprobanden von einer Hemmung
des HPA-Systems und einer Beeinflussung der Herzfrequenzvariabilität begleitet war
[24]. In dieser Studie wurde eine Dosis von CCK-4 verabreicht, die auch bei einem Großteil
der Kontrollprobanden eine Panikattackenähnliche Symptomatik hervorrief. Dies deutet
darauf hin, dass die anxiolytische Aktivität von ANP beim Menschen möglicherweise
nicht nur auf Patienten mit einer Panikstörung beschränkt ist.
Sowohl tier- als auch humanexperimentelle Studien beschreiben also eine anxiolytische
Aktivität von ANP, so dass sich die Frage stellt, inwiefern eine Modulation der Rezeptoren
natriuretischer Peptide einen neuen Therapieansatz in der Behandlung von Angsterkrankungen,
z.B. auch der Panikstörung, darstellen könnte. Da es sich bei spezifischen Angststörungen
und insbesondere auch der Panikstörung um chronisch verlaufende psychiatrische Störungen
handelt, müssen Therapien auch zur langfristigen Anwendung geeignet sein. Die parenterale
Gabe stellt nur ein Mittel zur wissenschaftlichen Untersuchung von Peptiden dar, da
sie therapeutisch zur Behandlung chronisch verlaufender Angsterkrankungen nicht genutzt
werden kann. Derzeit limitiert also noch die fehlende Verfügbarkeit nichtpeptiderger
ANP-Rezeptorliganden mit oraler Bioverfügbarkeit die weitere Untersuchung von ANP
in der Therapie der Panikstörung.
Schlussfolgerungen
Neben primär pathophysiologisch orientierten wissenschaftlichen Untersuchungen kann
die experimentelle Provokation von Panikattacken genutzt werden, um mögliche neue
Therapieansätze zu untersuchen. Dies wurde am Beispiel des atrialen natriuretischen
Peptids dargestellt. Inwiefern hieraus abgeleitete Therapiestrategien in die Klinik
Eingang finden werden, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Obwohl die Neurobiologie
von Angsterkrankungen in vielen Bereichen noch unklar ist, stellen experimentelle
Panikattacken eine Möglichkeit dar, ein so komplexes Phänomen wie Angst standardisiert
zu untersuchen und neue Behandlungsstrategien zu entwickeln.