Krankenhauspsychiatrie 2005; 16(2): 47
DOI: 10.1055/s-2005-870914
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Prüfsteine für eine neue Bundesregierung oder: Zeit zum Träumen? aus Sicht der Kinder- und Jugendpsychiatrie

Time for Dreams? Touchstones for a New German Government from the CAP PerspectiveR.  Schepker1
  • 1Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie am ZfP Weissenau, 1. Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Leitender Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e. V.
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Publication Date:
16 June 2005 (online)

Zeit zum Träumen wird sie in der Psychiatriepolitik wohl wahrlich nicht haben, eine neue Bundesregierung. Aber für uns ist jetzt eine Gelegenheit unsere Erwartungen zu formulieren.

Prof. Dr. med. Renate Schepker

Mehr Investment in Prävention und präventive Forschung; ab der Schwangerschaft für Kinder aus Risikokontexten, wie Kinder psychisch kranker Eltern, Kinder allein erziehender jugendliche Mütter, Prävention von Drogenkonsum Jugendlicher und damit von jugendpsychiatrischer Morbidität. Sicherstellen einer flächendeckenden regionalen Versorgung mit vollstationären, teilstationären und ambulanten Angeboten auch in den neuen Bundesländern. Weiterfinanzierung stationärer Behandlung unter Verzicht auf DRGs. Vielfache Forschungen zeigen, dass Dauer und damit Kosten von stationären Aufenthalten durch Diagnosen, selbst multiaxial, nur zu maximal 20 % erklärt werden können. Mit der Psych-PV steht eine Berechnungsgrundlage für die Arbeit im stationären Bereich zur Verfügung, die höchstens modernisiert werden könnte. Weiterbestehen des Rechts auf Eingliederungshilfe bei seelischer Behinderung. Fortbestehen des § 35 a KJHG. Umfassende, individuell flexible Eingliederungsmaßnahmen nach ärztlicher Beratung und Begleitung können die Prognose bei psychisch kranken Jugendlichen nachhaltig verbessern. Förderung und Etablierung interdisziplinärer familienpsychiatrischer Versorgungsmodelle im stationären Bereich, z. B. Mitaufnahme von Eltern in der KJPP oder Mitbehandlung von Kindern bei einem psychiatrisch erkrankten Elternteil. Zulassung neuer Psychopharmaka nur mit Nachweis von Studien an Kindern und Jugendlichen. Kein „Waisenkindstatus” in der Kinder-Psychopharmakaforschung durch staatliche Förderung einer unabhängigen Anwendungsforschung. Sicherstellung der Berücksichtigung der Perspektive von zugewanderten Kindern und Jugendlichen in Versorgung und Forschung. In wenigen Legislaturperioden wird die Hälfte aller neugeborenen Kinder einen Zuwanderungshintergrund haben und die Arbeitsweisen der Kinder- und Jugendpsychiatrie wesentlich bestimmen. Etablierung der Interkulturalität als Qualitätsmerkmal in der Versorgung, etwa in gesetzlichen Qualitätsberichten etc. Hinwendung zur gesellschaftlichen Gesamtkosten-Betrachtungsweise unter Einbezug aller Systeme (GKV, RV, Schule, Jugendhilfe, ggfs. auch Strafvollzug). Eine frühzeitige Vorstellung und Behandlung bei einem Kinder- und Jugendpsychiater senkt langfristig Kosten. Schluss mit den zersplitterten Zuständigkeiten zwischen Jugendhilfe, Kinder- und Jugendpsychiatrie und Rentenversicherungsträgern in der stationären Nachsorge. Mehr Mut zu Mischfinanzierung und integrierten Projekten, die Jugendlichen „alles aus einer Hand” in Trägerkooperation anbieten.

Prof. Dr. Renate Schepker

Abt. für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie am ZfP Weissenau

Weingartshofer Str. 2

88214 Ravensburg-Weissenau

Email: renate.schepker@zfp-weissenau.de