Geburtshilfe Frauenheilkd 2005; 65(11): 1031-1033
DOI: 10.1055/s-2005-872979
Editorial

Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Trastuzumab - Immuntherapie hält Einzug in die adjuvante Therapie

Trastuzumab - Immune Therapy for the Adjuvant TreatmentN. Maass1 , D. Bauerschlag1 , W. Eiermann2 , W. Jonat1
  • 1Frauenklinik des Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel
  • 2Frauenklinik vom Bayer. Roten Kreuz, München
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Publication Date:
02 December 2005 (online)

Trastuzumab (Herceptin®) gilt als klinisch relevantester Vertreter der individualisierten, sog. „Tailored-Therapie“ des Mammakarzinoms. Mithilfe der HER2-neu-Expression steht ein Selektionskriterium für das individuelle Ansprechen einer Patientin mit Mammakarzinom auf eine Herceptintherapie zur Verfügung. Ca. 20 bis 25 % aller Tumoren von Patientinnen mit Mammakarzinomen zeigen eine entsprechende Onkogenexpression. In der metastasierten Situation ist eine HER2-neu-Expression seit längerem als prädiktiver Marker für das Ansprechen auf eine Herceptintherapie akzeptiert. Aus diesem Grund hat die Immuntherapie mit dem Antikörper Herceptin in den vergangenen Jahren Einzug in das Therapiespektrum des fortgeschrittenen Mammakarzinoms erhalten.

Seit der diesjährigen Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) liegen nun auch erste Studiendaten zur Bedeutung einer Herceptintherapie bei der adjuvanten Behandlung HER2-positiver Patientinnen vor. Die Interimsanalysen dreier großer Studien, zweier parallel in den USA durchgeführter Studien, NCCTG und NSABP‐B31 sowie der internationalen HERA-Studie, zeigten bislang beispiellose Ansprechraten.

Die zusammengefasste Interimsanalyse der beiden amerikanischen Studien basiert auf Daten von über 3300 Patientinnen. Verglichen wurde jeweils der Kontrollarm beider Studien: AC gefolgt von Paclitaxel, mit dem experimentellen Arm: AC gefolgt von Paclitaxel in Kombination mit Herceptin. Bei nur geringgradig unterschiedlichem Paclitaxel-Dosierungsschemata beider Studien ergab sich nach einem medianen Follow-up von 2 Jahren eine Reduktion des Risikos für das Auftreten des ersten Ereignisses um 52 % zugunsten des Herceptinarmes. Im Herceptin-Paclitaxelarm lebten nach 3 Jahren 87 % der Patientinnen vs. 75 % unter Paclitaxel allein. Darüber hinaus konnte die Zugabe des Antikörpers die Wahrscheinlichkeit von Fernmetastasen nach 3 Jahren um 53 % verglichen zum Kontrollarm reduzieren. Interessanterweise profitierten alle Patientinnen unabhängig vom Alter, Hormonrezeptor- und Nodalstatus sowie Tumorgröße von der zusätzlichen Herceptintherapie. Trotz des relativ kurzen Follow-up beider Studien ließ sich ein signifikanter Vorteil hinsichtlich des Gesamtüberlebens mit einer relativen Risikoreduktion von 33 % zugunsten der zusätzlichen Antikörpertherapie zeigen.

Bei der sog. HERA-Studie (HERceptin adjuvant Trial) handelt es sich um die größte der kürzlich vorgestellten Studien im frühen Stadium der Mammakarzinomerkrankungen mit insgesamt über 5000 Patientinnen aus 39 Ländern. Neben der Voraussetzung eines positiven HER2-neu-Status war das Therapieregime bezüglich der zytostatischen Therapie bei dieser Studie deutlich weiter gesteckt als bei den amerikanischen Studien. Die Patientinnen in der HERA-Studie erhielten nach einer (neo-)adjuvanten Standardchemotherapie über mindestens 4 Zyklen entweder 1 Jahr Herceptin-Mono-Therapie bzw. 2 Jahre Herceptin-Mono-Therapie oder keine weitere Therapie im Rahmen des Beobachtungsarms. Die kürzlich vorgestellte Interimsanalyse nach einem medianen Follow-up nach 1 Jahr berücksichtigt Daten von 3387 Patientinnen. Davon hatten knapp 70 % aller Patientinnen eine antracyclinbasierte Chemotherapie erhalten (26 % erhielten eine antracyclin/taxanhaltige Therapie). Rund zwei Drittel aller Patientinnen beider Studienarme erhielten zusätzlich eine endokrine Therapie mit Tamoxifen. Vergleichbar zu den amerikanischen Studien zeigte auch diese Studie eine hoch signifikante Reduktion des Rezidivrisikos um 46 % im Herceptinarm verglichen zur Beobachtungsgruppe. Nach 2 Jahren waren 85 % der mit dem Antikörper behandelten Patientinnen krankheitsfrei im Vergleich zu 77 % in der Kontrollgruppe. Neben der Reduktion des Rezidivrisikos konnte eine 51%ige Reduktion des metastasen- bzw. tumorfreien Überlebens zugunsten der Herceptintherapie gezeigt werden. Die Subgruppenanalyse der HERA-Studie ergab einen Vorteil sämtlicher Patientinnen, unabhängig vom Alter, Nodal- oder Hormonrezeptorstatus sowie adjuvanter Chemotherapie. Bezüglich des Gesamtüberlebens lässt sich aufgrund des kurzen Follow-up bislang nur ein Trend zugunsten der Antikörpertherapie belegen.

Die aus der metastasierten Situation gefürchteten kardialen Nebenwirkungen des Herceptins belegen in der HERA-Studie nur einen geringen Unterschied im Sinne einer Herzinsuffizienz von 0,5 vs. 0 %, wohingegen die amerikanischen Studien eine Erhöhung des kardialen Risikos um 3,5 % zuungunsten der Antikörpertherapie beobachteten. Neben eines zu fordernden engmaschigen kardialen Monitorings sind hier insbesondere Langzeitrisiken abzuwarten.

Aufgrund dieser hoch aktuellen Ergebnisse hat die AGO-Organkommission Mamma ihre Leitlinien zur adjuvanten Antikörpertherapie zeitnah aktualisiert. Demnach ist bei einem LOE von 2 b und einem Empfehlungsgrad der AGO „+“ der adjuvante Einsatz von Trastuzumab beim nodalpositiven Mammakarzinom indiziert. Aufgrund der Subgruppenanalysen profitieren jedoch auch nodalnegative, HER2-neu-positive, High-risk (T > 1 cm) -Patientinnen von einer zusätzlichen Herceptintherapie. Dabei kann eine Herceptintherapie simultan zu einer taxanhaltigen Chemotherapie bzw. sequenziell im Anschluss an eine antracyclinhaltige Therapie erfolgen. Auch eine evtl. Radio- oder endokrine Therapie kann simultan zur Herceptingabe durchgeführt werden.

Obgleich sämtliche adjuvante Daten zur Trastuzumabtherapie bislang lediglich als Interimsanalysen und nicht full-publiziert vorliegen, rechtfertigen die hoch signifikanten Ergebnisse eine rasche Implementierung dieser Antikörpertherapie in den klinischen Alltag. Zusätzliche Ergebnisse werden im Rahmen der Veröffentlichung einer weiteren großen Studie, der BCIRG-006, auf dem San Antonio-Brustkrebs-Meeting im Dezember d. J., erwartet. Bisherige Pressemitteilungen zeigen jedoch bereits vergleichbare Effekte (s. zusammenfassende Tab. [1]).

Tab. 1 Übersicht der aktuellen Studien zum Trastuzumab in der adjuvanten Therapie des Mammakarzinoms NSABP‐B31 NCCTG N9831 HERA BCIRG006 Patientenauswahl HER2-Status IHC 3+ oder FISH positiv IHC 3+ oder FISH positiv IHC 3+ oder FISH positiv FISH positiv Nodalstatus N+ N+ oder Hochrisiko-N0 N+ und N- N+ oder Hochrisiko-N0 Design Randomisierung vor Chemotherapie vor Chemotherapie nach Chemotherapie vor Chemotherapie Strahlentherapie gleichzeitig mit Herceptin (aber nach CT) gleichzeitig mit Herceptin (aber nach CT) abgeschlossen vor Herceptintherapie gleichzeitig mit Herceptin Chemotherapie AC gefolgt von Taxol (q3w) AC gefolgt von Taxol (q1w) mind. 4 Zyklen CT AC gefolgt von Taxotere (q3w) bzw. Taxotere plus Platin plus Herceptin Hormontherapie 3 - 12 Wochen nach CT parallel zu Radiatio oder bis 5 Wochen nach CT parallel zu Herceptintherapie 3 - 4 Wochen nach CT Trastuzumab … Sequenz gleichzeitig mit Taxol gleichzeitig vs. sequenziell mit Taxol nach Chemotherapie gleichzeitig mit Chemotherapie Dosierung q1w q1w q3w q3w Dauer 1 Jahr 1 Jahr 1 vs. 2 Jahre 1 Jahr Ergebnisse der Interimanalyse Reduktion des Rezidivrisikos mm>52 % 46 % AC‐T + H: 51 % Carbo + T + H: 39 % OS 33 % noch nicht erreicht noch nicht erreicht Kardiale Events Beobachtungsarm 0,78 % 0 % 1,2 % Herceptinarm 4,28 % 0,50 % 2,3 % (AC‐T + H) bzw. 1,2 % (Plat + T + H) Allgemeines zugrunde liegende Eventzahlen 395 475 322 mediane Nachbeobachtungsdauer 2 Jahre 1 Jahr 23 Monate Patientenzahl 3351 5100 3222 2085 von 2700 3406 von 3600

Priv.-Doz. Dr. N. Maass

Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel

Michaelistraße 16

24105 Kiel

Email: nmaass@email.uni-kiel.de

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