Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2006; 41(3): 160-162
DOI: 10.1055/s-2005-921118
Mini-Symposium
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Regionalanästhesiologische Techniken in der Kinderanästhesie

Regional Anaesthesia in Paediatric Patients Redaktion: N.  Roewer, Würzburg , C.  Krier, Stuttgart , G.  Nöldge-Schomburg, Rostock , Herausgeber: F.  K.  Pühringer1 , C.  Rex1
  • 1Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Klinikum am Steinenberg, Reutlingen
Die im Folgenden abgedruckten Beiträge wurden anlässlich eines Symposiums, das von der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin im Klinikum am Steinenberg in Reutlingen im Oktober 2004 veranstaltet wurde, zusammengestellt.
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Publication Date:
23 March 2006 (online)

Einführung

Die enorme Bedeutung der Regionalanästhesie als intraoperative Analgesieform sowie als effektive postoperative Schmerztherapie ist längst außer Streit. Multimodale Schmerzkonzepte haben vielerorts Eingang in klinische Pfade und Therapieschemata gefunden. Bisweilen scheinen davon aber vor allem fast ausschließlich Erwachsene zu profitieren. Dabei ist es unzweifelhaft, dass diese Form der Analgesie auch für Kinder eine deutliche Überlegenheit gegenüber der postoperativen systemischen Analgetikatherapie aufweist. Es ist evident, dass sowohl chronische Schmerzen als auch das spinale Schmerzgedächtnis durch operative Traumata in hohem Maße induziert werden können [1]. Dabei ist nicht zu erwarten, dass diese Inzidenz bei Kindern geringer ist als bei Erwachsenen. Daher ist es unserer Ansicht nach von besonderer Bedeutung, zum einen das Augenmerk und das Interesse auf regionalanästhesiologische Techniken in der Kinderanästhesie zu lenken, und zum anderen durch Fortbildungsveranstaltungen die vielerorts gelebte Zurückhaltung, möglicherweise bedingt durch fachliche und/oder technische Unsicherheiten, sowie vorbestehende Hemmungen gegenüber diesen Techniken zu reduzieren oder vielleicht gänzlich zu beseitigen. Dazu benötigt man eine klare Darlegung der Techniken mit allen Vor- und Nachteilen, Leitlinien bezüglich den Indikationen und Kontraindikationen, aber auch Hilfestellungen bei den unterschiedlichen Problemen sowie wertvolle klinische und vor allem praxisbezogene Tipps und Tricks. Unser Bestreben ist es, anerkannte Experten aus renommierten nationalen und internationalen Institutionen auf dem Sektor der kindlichen Regionalanästhesie zu diesem Thema zu Wort kommen zu lasen, um fundierte, klinisch gut praktikable und sichere Vorgehensweisen aufzuzeigen.

Die vorliegenden Beiträge dieses Mini-Symposiums belegen die enorme Vielfalt der Möglichkeiten, die aktuelle Entwicklung der Techniken und untermauern deren zunehmende Verbreitung in den letzten Jahren. Die hohe Kompetenz die sich in unserem Fachgebiet im Rahmen der Regionalanästhesie breit gemacht hat, darf nicht vor den Kindern Halt machen. Der gerne strapazierte Spruch „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen” hat sicherlich seine Gültigkeit, weshalb besonderes Augenmerk bereits auf die Vorbereitung zur kindlichen Regionalanästhesie zu legen ist. Rex [2] geht vor allem auf die besondere Situation der kindlichen Patienten sowie auf die Spezifika betreffend der Materialauswahl, der Pharmakologie sowie der Dosierung von Lokalanästhetika im Kindesalter ein. Klare Standards bezüglich Vorgehensweisen werden aufgezeigt, um größtmögliche Erfolgsraten zu erzielen, sowie Komplikationen und die stete Gefahr postoperativer Analgesielücken [3] zu vermeiden.

Die Diskussion bezüglich des optimalen Anästhesieverfahren für ehemalige Frühgeborene, die zur Leistenhernienoperation anstehen, wird immer noch sehr kontrovers geführt. Schorer [4] zeigt auf, dass die Kaudalanästhesie ein einfaches und klinisch sicheres Konzept darstellt, um die bei vielen Frühgeborenen bestehenden kardiopulmonalen Probleme nicht zu aggravieren und weitere Komplikationen wie postoperative Apnoen zu provozieren. Dieses „Oldenburger Konzept” ist ein klares, aus dem klinischen Alltag entstandenes Konzept, das ein klinisch erfolgreich umgesetztes Vorgehen darstellt, welches basierend auf breiter klinischer Basis eine wertvolle Hilfe für den klinischen Alltag darstellen kann.

Das weitere Spektrum der neuroaxialen Regionalanästhesie bei Kindern wird von Roth et al. [5] aus der Innsbrucker Klinik behandelt. Darin werden die Vorteile, aber auch Risiken und Gefahren der einzelnen Techniken detailliert dargestellt. Es wird vor allem auf die Einbettung der neuroaxialen Anästhesieverfahren (NAV) in ein multimodales Konzept Wert gelegt. Die entscheidenden Vorteile der neuroaxialen Anästhesieverfahren liegen vor allem in dem geringeren Bedarf an systemischen Anästhetika, der Prävention vor dem „spinalen Schmerzgedächtnis”, einer Reduktion der intraoperativen Stressantwort und daraus resultierend in einem geringeren Blutverlust. Vor allem die postoperative Periode ist durch diese Techniken in den letzten Jahren dramatisch beeinflusst worden, da die Qualität der Analgesie entscheidend verbessert wurde und zeitgleich die Inzidenz an postoperativen Komplikationen (Apnoe, Schmerzzustände etc.) verringert werden konnte.

In den letzten Jahren ist der Anteil ambulant durchgeführter Eingriffe an Kindern stetig angestiegen. Daher widmet sich Claßen [6], aus dem Team um Prof. Kretz, dem Thema Peniswurzelblock und Ilioinquinalisblock. Dabei werden diese beiden Verfahren als leicht anwendbare, extrem sichere und hoch effektive Techniken vorgestellt, die eingebettet in ein Konzept gemeinsam mit peripheren Analgetika auch im ambulanten Bereich zu effektiver und lang anhaltender postoperativer Analgesie der Patienten führen kann.

Das restliche weite Spektrum an peripheren Techniken im Kindesalter wird von Martin Jöhr [7] ausführlich dargstellt. Dabei zeigt auch er die zweifelsfrei großen Vorteile diverser regionalen Techniken und fordert aber gleichzeitig zu einer sehr kritischer Risko-Nutzen Abwägung der einzelnen Techniken auf. Dennoch ist unbestritten festzuhalten, dass eine Vielfalt an peripheren Blöcken sowie die Wundinfiltrationen mit langwirksamen Lokalanästhetika eine bedeutende Stellung in der modernen Kinderanästhesie erlangt haben. Einfache periphere Techniken sowie die Wundinfiltration sollten allemal zum Standard eines jeden Anästhesisten gehören.

Die Visualisierung der nervalen und anatomischen Strukturen mittels Ultraschall sowie die direkte Beobachtung der Ausbreitung des Lokalanästhetikums mit der Möglichkeit einer jederzeitigen Korrektur der Kanülenposition sind entscheidende Vorteile der sonographischen Technik. Für Erwachsene liegen bereits mehrere wissenschaftliche Arbeiten über ultraschallgezielte regionalanästhesiologische Techniken vor. Deren Ergebnisse können sicherlich auch auf Kinder übertragen werden. Marhofer et al [8] zeigen eindrucksvoll und leicht nachvollziehbar die Vorteile des Ultraschalls als Hilfe zur kindlichen Regionalanästhesie auf. Sie geben in ihrem Paper Einblick in technische und anatomische Grundlagen, die praktische Durchführung der Sonographie sowie interessante Darstellungen und Vorgehensweisen von peripheren Blöcken der oberen und unteren Extremität. Obgleich eine exakte wissenschaftliche Evaluierung der sonographisch gesteuerten Regionalanästhesie für viele Bereiche noch aussteht, scheint diese Technik sehr vielversprechend bezüglich Blockadequalität und Vermeidung von Komplikationen.

Der Benefit der Regionalanästhesie in der Kinderanästhesie bezüglich perioperativer Analgesie, Patientensicherheit und Komfort ist mittlerweile unbestritten. Daher muss in der Ausbildung junger Kollegen ein deutlich höheres Augenmerk auf regional-anästhesiologische Techniken gelegt werden, da bereits einfache, unkomplizierte Techniken und Lokalinfiltrationen sehr positive Effekte zeigen. Durch kritische Wahl des optimalen Verfahrens sowie durch standardisiertes Vorgehen können Komplikationen, Analgesielücken und Risiken dramatisch reduziert werden. Die erfolgversprechenden Berichte über den Einsatz des Ultraschalls zur exakten Lokalisation anatomischer Strukturen geben zur Hoffnung Anlass, dass zusammen mit dieser neuen Technik die Regionalanästhesie im Kindesalter eine noch größerer Akzeptanz und noch breitere Anwendung finden kann.

Literatur

  • 1 Sandkühler J. Learning and memory in pain pathways.  Pain. 2000;  88 113-118
  • 2 Rex C, Pühringer F. Regionalanästhesie bei Kindern: Allgemeine Aspekte.  Anästhesiol Intensivmed Schmerzther. 2006;  41 162-165
  • 3 Wolf A R. Tears at bedtime: a pitfall of extending paediatric day case surgery without extending analgesia.  Br J Anaesth. 1999;  82 319-320
  • 4 Schorer C. Leistenhernien-Operation in Kaudalanästhesie beim Frühgeborenen.  Anästhesiol Intensivmed Schmerzther. 2006;  41 165-167
  • 5 Roth W, Kühbacher-Luz G, Keller C. Neuroaxiale Regionalanästhesie bei Kindern - Das Innsbrucker Konzept.  Anästhesiol Intensivmed Schmerzther. 2006;  41 167-170
  • 6 Claßen I. Peniswurzelblock und modifizierter Ilioinguinalisblock als Teil eines Analgesiekonzepts in der Kinderanästhesie.  Anästhesiol Intensivmed Schmerzther. 2006;  41 170-173
  • 7 Jöhr M. Periphere Blockaden bei Kindern.  Anästhesiol Intensivmed Schmerzther. 2006;  41 173-178
  • 8 Marhofer P, Kapral S. Die Anwendung von Ultraschall in der Regionalanästhesie bei Kindern.  Anästhesiol Intensivmed Schmerzther. 2006;  41 178-183

Prof. Dr. Friedrich K. Pühringer,
OA Dr. Christopher Rex

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