Kardiologie up2date 2005; 1(4): 351-365
DOI: 10.1055/s-2005-921121
Angeborene und erworbene Herzfehler
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Langzeitverlauf bei korrigierten kongenitalen Vitien

Rüdiger  Lange , Thomas  Günther
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Publication Date:
22 December 2005 (online)

Einleitung

Überlebensraten

Seit dem 8. August 1938, dem Tag, an dem Robert Gross im Children’s Hospital in Boston Massachusetts als Erster die Ligatur eines persistierenden Ductus arteriosus durchführte [1], hat die Chirurgie für angeborene Herzfehler eine enorme Entwicklung vollzogen, die sich in einer eindrucksvollen Verbesserung der Überlebensrate zeigt: Gibbon, dem am 9. Mai 1953 als Erster der Verschluss eines Vorhofseptumdefektes unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine gelang, verlor noch 5 von 6 operierten Patienten. Im Juli 1958 publizierte das American College of Chest Physicians die Operationsdaten von 2439 Patienten mit Fallot-Tetralogie: Dabei lag die Letalität für die Korrekturoperation unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine bei 39,3 % [2]. Selbst 10 Jahre später, 1967, betrug die operative Letalität für isolierte Ventrikelseptumdefekte immer noch 27 %. Das empfohlene Alter für solche Korrektureingriffe wurde mit 2 - 5 Jahren angegeben [3]. Der wesentliche Durchbruch zur Korrektur der Herzfehler bei kleinen Kindern und Säuglingen gelang, als die Technik der systemischen Hypothermie und des hypothermen Kreislaufstillstandes eingesetzt wurde [4]. Während in den Anfangsjahren der Chirurgie für angeborene Herzfehler in der Regel zunächst ein palliativer Eingriff vorangestellt und die Korrekturoperation im Alter zwischen 5 und 7 Jahren vorgenommen wurde, war es seit Ende der 80er Jahre zunehmend möglich, auch Kinder unter einem Jahr einer Primärkorrektur ihres Herzfehlers zuzuführen.

Der Fortschritt in der nichtinvasiven Diagnostik, der chirurgischen Technik, die Weiterentwicklung in der Anästhesie und in der intensivmedizinischen Betreuung haben dazu geführt, dass die Korrektur auch sehr komplexer Herzfehler bei Säuglingen in großen Zentren mit einer Letalität unter 4 % durchgeführt werden kann 4 5 6 7 8.

Im Deutschen Herzzentrum München lag die Letalität für alle Eingriffe bei Kindern unter einem Jahr im Jahre 2004 bei 3,4 %. Solche Ergebnisse sind nur möglich, weil weltweit erkannt wurde, dass die Behandlung angeborener Herzfehler im Säuglingsalter nur interdisziplinär durch ein Team von hochspezialisierten Heilberuflern erfolgreich durchgeführt werden kann, in dem jeder, auch der Chirurg, nur ein Glied in einer Kompetenzkette darstellt.

Langzeitergebnisse

Somit steht heute weniger die operative Letalität in Vordergrund, sondern das Langzeitergebnis und die langfristige Lebensqualität der Kinder mit angeborenen Herzfehlern, bei denen bereits im Säuglingsalter eine Korrekturoperation durchgeführt worden ist. Vom englischen Chirurgen Jaroslav Stark wurde bereits 1989 die provokante Frage gestellt: „Wie definieren wir ,Korrektur‘?” Seiner Ansicht nach kann nur dann von der Korrektur eines Herzfehlers gesprochen werden, wenn man in der Lage ist, folgende Kriterien langfristig zu erfüllen: Create and consolidate a normal functional status without residual lesions or conditions or complications. Achieve a normal life-expectancy with no need for further medication, catheter intervention or surgery [9] (Tab. [1]). Legt man diese strengen Kriterien an den Begriff Korrektur an, kann man allenfalls noch bei der Durchtrennung eines persistierenden Ductus arteriosus oder dem Verschluss eines Vorhofseptumdefekts wirklich von Korrektur sprechen. Bei den meisten Herzfehlern, vom Ventrikelseptumdefekt bis zur Transposition der großen Gefäße, die alle heute erfolgreich behandelt werden können, muss man den Begriff Korrektur dann mit einem Fragezeichen versehen, da die kleinen Patienten im Langzeitverlauf in einem mehr oder weniger großen Prozentsatz Reoperationen zu erwarten haben. In einer Arbeit von Monro aus dem Jahre 2003 regt dieser an, dass angesichts der Langzeitergebnisse bei den meisten Herzfehlern eher von Reparatur, als von Korrektur auszugehen sei [6]. Für Eingriffe bei univentrikulären Herzen kann unter diesen Voraussetzungen sogar allenfalls von nur einer „definitiven Palliation” gesprochen werden.

Tabelle 1 Kriterien für die Definition des Begriffes Korrekturoperation 9 How do we define „correction”? create and consolidate a normal functional status without residual lesions or complications achieve a normal life-expectancy no need for further medication, catheter intervention or surgery Da die meisten Patienten mit einem operierten angeborenen Herzfehler heute das Erwachsenenalter erreichen und in vielen Fällen eine fast normale Lebenserwartung haben, ist für die Zukunft mit einer zunehmenden Anzahl erwachsener Patienten mit kongenitaler Herzerkrankung zu rechnen 10.

Eine groß angelegte retrospektive Untersuchung aus Finnland mit mehr als 6000 Patienten, bei denen im Alter von < 15 Jahren (median 6,7 Jahre) ein kongenitales Vitium operiert worden war, hat gezeigt, dass der überwiegende Teil der Patienten (77 %) ihren Gesundheitszustand subjektiv als gut bezeichnen und nur 1 % mit ihrer Leistungsfähigkeit nicht zufrieden waren. Bei 97 % der Patienten wurde die körperliche Belastbarkeit als sehr gut bis gut (NYHA I-II) eingeschätzt, nur bei 2 % als erheblich eingeschränkt (NYHA III) und nur sieben von 2896 befragten Patienten klagten über Ruhebeschwerden. 70 % der Befragten gingen einer geregelten Beschäftigung nach. Alarmierend war allerdings, dass nur 26 % der befragten erwachsenen Patienten regelmäßig nachuntersucht wurde [11].

Insgesamt ist zwar die 45-Jahres-Überlebensrate operierter Patienten 15 % niedriger als die der Normalbevölkerung. Allerdings bestehen hier erhebliche Unterschiede bei verschiedenen angeborenen Herzfehlern im Hinblick auf die Überlebens- und Reoperationsrate. So haben Patienten mit einfachem Herzfehler, z. B. einem Vorhofseptumdefekt, nach Korrektur eine normale Überlebenswahrscheinlichkeit [12].

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Prof. Dr. med. Rüdiger Lange

Deutsches Herzzentrum München

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