psychoneuro 2005; 31(11): 546-547
DOI: 10.1055/s-2005-922541
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Therapie der Schizophrenie - Sind Antipsychotika der zweiten Generation wirklich effektiver?

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Publication Date:
25 November 2005 (online)

 
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Bei einem ZNS-Expertenworkshop in Potsdam wurde unter anderem auch die Frage nach der therapeutischen Effektivität der verschiedenen Antipsychotika gestellt und diskutiert.

In den Vergleichsstudien der Neuroleptika der ersten und zweiten Generation wurde in der Regel Haloperidol als Vergleichssubstanz gewählt. Die in diesen Studien beobachtete bessere Verträglichkeit der neueren Antipsychotika bei vergleichbarer antipsychotischer Wirksamkeit, insbesondere was die extrapyramidal-motorischen Nebenwirkungen anbelangt, ist zumindest zum Teil darauf zurückzuführen, dass Haloperidol in nicht äquivalenter, d.h. zu hoher Dosierung eingesetzt wurde. In der Diskussion wird jedoch häufig auf Basis dieser Daten generell auf eine schlechtere Verträglichkeit aller Neuroleptika der ersten Generation geschlossen. In der Literatur finden sich bisher aber nur wenige Berichte über Vergleichsstudien anderer "alter" Neuroleptika mit neuen Substanzen.

Thomas Messer aus Augsburg stellte drei prospektive Studien zu dem allgemein gut verträglichen Flupentixol (Fluanxol®) im Vergleich zu verschiedenen Antipsychotika der zweiten Generation vor.

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Studienergebnisse mit Flupentixol

In der randomisierten, doppelblinden Multicenterstudie (11 Zentren) Amisulprid vs. Flupentixol ([4]) über sechs Wochen kam es bei den 132 in die Studie eingeschlossenen Patienten mit akuter Exazerbation und vorherrschender Positivsymptomatik unter beiden Medikationen zu einer signifikanten Besserung (BPRS, Brief Psychiatric Rating Scale). Die deskriptive Überlegenheit von Amisulprid (in der Reduktion des BPRS-Scores) ist statistisch nicht signifikant. Auch in der Wirksamkeit auf die Negativsymptomatik (SANS, Scale for the Assessment of Negative Syndrome) gab es keinen signifikanten Unterschied, ebenso wenig im CGI (Clinical Global Impression). Hinsichtlich der Verträglichkeit erwies sich Amisulprid dem Flupentixol als überlegen, bezüglich EPMS (extrapyramidal-motorische Syndrome) schnitt die Amisulpridgruppe signifikant besser ab. Allerdings waren die mittleren Tagesdosierungen mit 22,6 mg Flupentixol - wie auch von den Autoren diskutiert - relativ hoch gewählt. Der gefundene Unterschied ist daher zu relativieren.

In der von Gattaz et al. beschriebenen randomisierten, zweiarmigen Doppelblindstudie über vier Wochen mit Olanzapin vs. Flupentixol ([1]) zeigten sich keine Unterschiede in der Effektivität beider Verumgruppen auf die Positiv- und Negativsymptomatik (PANSS, Positive And Negative Syndrome Scale; CGI). Die klinische Response betrug in der Olanzapingruppe 69% und in der Flupentixolgruppe 75%. Bei der Bewertung der Verträglichkeit ergaben sich zwar hinsichtlich der extrapyramidal-motorischen Nebenwirkungen Vorteile für Olanzapin, andererseits nahmen die Patienten unter Olanzapin signifikant mehr zu als unter Flupentixol. So betrug die mittlere Gewichtszunahme unter Olanzapin innerhalb des Beobachtungszeitraumes von vier Wochen 4,3 kg, unter Flupentixol jedoch nur 0,9 kg.

Ebenso erwies sich das Atypikum Risperidon in der kontrollierten Vergleichsstudie vs. Flupentixol über sechs Monate ([3]) bei chronisch schizophrenen Patienten mit überwiegender Negativsymptomatik als nicht überlegen, weder hinsichtlich der Effektivität auf die Negativsymptomatik (PANSS-Negativskala), die Positivsymptomatik (PANSS), die depressive Begleitsymptomatik (MADRS, Montgomery Asberg Depression Scale), noch hinsichtlich des klinischen Gesamteindrucks (CGI) und auch nicht bei der Betrachtung der Rückfallraten (Risperidon 15,7%, Flupentixol 14,3%). Auch bezüglich der extrapyramidalmotorischen Verträglichkeit (ESRS) ergaben sich keine signifikanten Unterschiede, allerdings wurden in der Flupentixolgruppe häufiger Anticholinerika eingesetzt. In dieser randomisierten, zweiarmigen Doppelblindstudie wurden 153 Patienten in 30 psychiatrischen Zentren in Deutschland und Österreich mit 4-12 mg Flupentixol (mittlere Dosierung 6,63 mg/Tag) oder 2-6 mg Risperidon (mittlere Dosierung 3,65 mg/Tag) über 24 Wochen behandelt.

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Wirksam auch bei Negativsymptomatik

Die beschriebenen Studien lassen keinen wesentlichen Unterschied in der Effizienz von Flupentixol (Fluanxol®) im Vergleich zu Amisulprid, Risperidon und Olanzapin erkennen. Die äquivalente Wirkung von Antipsychotika der ersten und zweiten Generation auf die Akutsymptomatik ist allgemein anerkannt, weitgehend bestritten wurde bisher die Wirksamkeit älterer Antipsychotika auf die Negativsymptomatik bei chronischem Krankheitsverlauf. Die Vergleichsstudie Flupentixol vs. Risperidon zeigt beispielhaft, dass ein Antipsychotikum der ersten Generation bei Negativsymptomatik genau so wirksam sein kann wie ein Atypikum.

Fundierte Hinweise auf eine Gleichwertigkeit alter und neuer Antipsychotika bei chronischer Schizophrenie liefert auch eine aktuelle Studie der amerikanischen Gesundheitsbehörde NIMH (National Institute of Mental Health; [2]). An dieser so genannten CATIE-Studie (Clinical Antipsychotic Trials of Intervention Effectiveness) haben 1493 Patienten in 57 Zentren teilgenommen. Sie erhielten bis zu 18 Monate lang randomisiert entweder ein Neuroleptikum der 2. Generation (Risperidon, Olanzapin, Quetiapin, Ziprasidon) oder Perphenazin. Überraschend war das Ergebnis, dass in allen Verumgruppen die Abbruchrate etwa gleich hoch war, nur ein Viertel der Patienten führte die medikamentöse Therapie über den Zeitraum von 18 Monaten fort. Eine ausreichend lange Therapie mit Antipsychotika (unter Umständen bis zu fünf Jahren) wird aber als unbedingt notwendig angesehen, um Rückfälle und weitere Verschlechterungen im Krankheitsverlauf möglichst zu verhindern. Die eingesetzten neueren atypischen Neuroleptika wurden auf lange Sicht nahezu genauso schlecht von den Patienten angenommen wie das ältere typische Perphenazin. Die Überlegenheit der Atypika wurde bisher vor allem auch auf die niedrige Rate von extrapyramidalen Nebenwirkungen zurückgeführt. In der Studie konnten jedoch keine signifikanten Unterschiede gezeigt werden.

Die Ergebnisse der CATIE-Studie stellen zur Diskussion, ob nicht schizophrene Patienten genauso gut, aber wesentlich kostengünstiger mit verträglichen Antipsychotika der ersten Generation behandelt werden können. Wie die zuvor genannten Vergleichsstudien zu Flupentixol (Fluanxol®) dokumentieren, dürfte auch dieses Antipsychotikum der ersten Generation eine vielversprechende Option darstellen. Flupentixol ist bei chronisch schizophrenen Patienten gut wirksam und verträglich, auch bei Patienten mit vorherrschender Negativsymptomatik. Nicht zuletzt kann die kostengünstige Depotformulierung zu einer besseren Compliance und damit zum Behandlungserfolg in der Langzeittherapie beitragen.

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Expertenworkshop ZNS, 8.-10. Juli 2005, Potsdam, Bayer Vital GmbH, Leverkusen

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Literatur

  • 9 Gattaz W . et al . .  Pharmacopsychiatry. 2004;  37 279-285
  • 10 Liebermann JA . et al . .  N Engl J Med.. 2005;  353(12) 1209-23
  • 11 Philipp M . et al . .  Psychopharmakotherapie. 2002;  2 67-75
  • 12 Wetzel H . et al . .  Psychopharmakotherapie. 1998;  137 223-232
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Literatur

  • 9 Gattaz W . et al . .  Pharmacopsychiatry. 2004;  37 279-285
  • 10 Liebermann JA . et al . .  N Engl J Med.. 2005;  353(12) 1209-23
  • 11 Philipp M . et al . .  Psychopharmakotherapie. 2002;  2 67-75
  • 12 Wetzel H . et al . .  Psychopharmakotherapie. 1998;  137 223-232
 
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