Bernhard Meier
Für viele waren die neuen Daten zur Resynchronisationstherapie das herausragende Highlight
auf dem diesjährigen Kardiologenkongress in Stockholm. Ob man seinen Herzinsuffizienzpatienten
nun ab sofort die Resynchronisationstherapie empfehlen soll, beantwortet im Interview
Prof. Dr. med. Bernhard Meier, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kardiologie
am Universitätsspital Bern.
Herr Prof. Meier, was war die wichtigste Studie auf dem aktuellen Europäischen Kardiologenkongress?
Prof. Meier: Auf dem diesjährigen ESC-Kongress gab es wieder mehrere bahnbrechende Studien. Am
bedeutendsten sind aus meiner Sicht die neuen Daten der CARE-HF-Extension-Study zur
Resynchronisationstherapie der Herzinsuffizienz. Die ursprüngliche CARE-HF-Studie
hatte ja bereits gezeigt, dass die Implantation eines solchen Gerätes nicht nur die
Beschwerden deutlich reduziert, sondern auch signifikant die Mortalität senkt. In
der Care-HF-Extension-Studie, bei der das Follow up um weitere sechs Monate auf insgesamt
drei Jahre verlängert wurde, bestätigen sich diese Daten jetzt nicht nur, sondern
der Nutzen der Resynchronisationstherapie hat sogar noch weiter zugenommen.
Ist die Verlängerung um gerade mal sechs Monate auf drei Jahre wirklich so bedeutend?
Bei der Resynchronisationstherapie geht es um sehr viel Geld. In Zukunft wird es in
spezialisierten Zentren sehr viele Eingriffe dieser Art geben, was eine ungeheuerliche
Kostenlawine erwarten lässt, insbesondere wenn man bedenkt, wie viele Menschen unter
einer Herzinsuffizienz leiden. Verständlicherweise wurden daher die ersten Daten der
CARE-HF-Studie noch sehr skeptisch aufgenommen und teilweise auch etwas heruntergespielt.
Insofern ist die Bestätigung durch die erweiterte CARE-HF-Studie sehr hoch einzuschätzen.
Die Investigatoren kommen mit neuen Daten zurück, die den Erfolg nicht nur untermauern,
sondern sogar ein noch besseres Abschneiden zeigen. Das ist, glaube ich, wirklich
sensationell.
Das Gerät, das so groß wie eine flache Streichholzschachtel ist, wird unterhalb des
Schlüsselbeins implantiert und über drei Elektroden mit dem Herz verbunden. Die erste
Elektrode liegt im rechten Vorhof, eine weitere in der rechten Herzkammer. Die dritte
Elektrode wird in eine Herzkranzvene geschoben, um den linken Ventrikel zu erreichen.
Mit geringen elektrischen Stimuli ist es nun möglich, beide Kammern wieder synchron
schlagen zu lassen: Die Auswurfleistung nimmt zu.
Empfehlen Sie Ihren Patienten also die Resynchronisationstherapie?
Angesichts dieser Daten muss man Betroffenen zur Resynchronisationstherapie raten.
Allerdings würde ich niemanden dazu überreden, was ja bei manch anderen medizinischen
Therapien durchaus notwendig und sinnvoll sein kann.
Würden Sie sich auch selbst ein solches Gerät implantieren lassen?
Ich selbst gehöre wahrscheinlich zu den wenigen, die trotz der guten Beweislage immer
noch etwas zweifeln. Ich würde mir nach wie vor keines implantieren lassen, obwohl
die neuen Daten beeindruckend sind. Was mich erstaunt ist, wie wenig Komplikationen
bei diesem Verfahren auftreten. Die Implantation ist nicht ganz einfach. Man muss
die Elektroden an der richtigen Stelle positionieren. Es kann zu Perforationen kommen.
Die Sonde kann sich wieder lösen. Die Implantation ist technisch insgesamt sehr anspruchsvoll.
Da ist es durchaus vorstellbar, dass irgendwann Probleme auftreten, die sich heute
noch nicht abschätzen lassen und die dann vielleicht wieder ein paar Wolken vor die
Sonne schieben. Es wird interessant sein, wie sich das Verfahren in den nächsten fünf
bis zehn Jahren bewährt und ob nicht noch irgendein Pferdefuß auftaucht.
Welche weiteren wichtigen Erkenntnisse liefert der diesjährige ESC-Kongress für die
tägliche Praxis?
Für viel Aufsehen hat auch die NORVIT-Studie gesorgt, die rund 4000 Herzinfarktpatienten
mit erhöhten Homozysteinwerten einschloss. Untersucht wurde dabei, inwieweit Vitamin
B6 beziehungsweise Folsäure ein Herzinfarktrezidiv oder einen Schlaganfall verhindern
kann. Die Gabe solcher Präparate ist weit verbreitet. Allerdings war das Ergebnis
aus Sicht der Vitaminbefürworter enttäuschend. Zwar reduzierten sich die erhöhten
Homozysteinspiegel, die bislang als Risikofaktor für eine koronare Herzerkrankung
galten, um 30%, doch zu einer gleichzeitigen Verringerung des Herzinfarkt- und Schlaganfallrisikos
kam es nicht. Im Gegenteil: Die Einnahme von Folsäure oder Vitamin B6 erhöhte die Gefahr sogar etwas. Bei Patienten, die sowohl Folsäure als auch Vitamin
B6 einnahmen, stieg das Risiko um insgesamt 20%. Außerdem ließ sich bei Patienten, die
Folsäure einnahmen, eine Zunahme der Tumorhäufigkeit beobachten. Präparate mit Vitamin
B6 und Folsäure sollten daher heute nicht mehr zur Senkung des kardiovaskulären Risikos
zum Einsatz kommen. Außerdem muss die Hypothese überdacht werden, dass Homozystein
ein Risikofaktor für eine koronare Herzerkrankung darstellt.
Das Interview führte Dr. med. Karl Eberius, Heidelberg.