psychoneuro 2006; 32(2): 61
DOI: 10.1055/s-2006-933648
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Zu Risiken und Nebenwirkungen - Lesen Sie die Packungsbeilage?

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Publication Date:
03 March 2006 (online)

 
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    Im Durchschnitt hat ein Allgemeinarzt nur etwa eine Minute pro Patient und Visite zur Verfügung, um mit dem Patient über Wirkungen und Nebenwirkungen seiner Medikamente zu sprechen. Aber auch bei Fachärzten sind die zeitlichen Ressourcen begrenzt. Packungsbeilagen sind daher für die Patienten eine wichtige Informationsquelle. Versteht der Patient allerdings die Packungsbeilagen nicht oder falsch, können die Folgen unter Umständen katastrophal sein. Rund 25% aller Krankenhauseinweisungen sind vermutlich auf fehlerhafte Arzneimittelanwendungen zurückzuführen. Andererseits werden viele verordnete Medikamente auch einfach weggeworfen. Jedes Jahr landen rund 100 Tonnen Medikamente im Wert von 500 Millionen € im Müll. Nach dem Lesen der aufgelisteten Nebenwirkungen sind viele Patienten so verunsichert, dass sie das verordnete Medikament nicht oder nur in geringerer Dosis einnehmen. Ein Viertel der Packungen wird nicht einmal angebrochen. Die Schäden einer Non-Compliance werden auf zehn Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Bei Patienten mit Depressionen nimmt sogar vermutlich jeder zweite Patient sein Antidepressivum nicht ausreichend ein. Gründe hierfür sind u.a. fehlende Krankheitseinsicht und Vorurteile gegenüber Psychopharmaka. Viele Patienten befürchten z.B., Antidepressiva würden abhängig machen oder die Persönlichkeit verändern.

    Packungsbeilagen sind daher ein entscheidender Faktor, um die Compliance zu verbessern. Auch Wirksamkeit und Sicherheit von Arzneimitteln beruhen wesentlich auf der korrekten Anwendung. Fehlanwendungen verzerren das Nutzen-Risiko-Profil des Medikaments. Wie sieht es aber tatsächlich mit der Lesbarkeit und Verständlichkeit der Packungsbeilagen aus? Das Institut für angewandte Verbraucherforschung (IFAV) hat daher im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbandes e.V. die Packungsbeilagen der 100 verordnungshäufigsten Medikamente untersucht. Die Ergebnisse wurden jetzt vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WldO 53. Zu Risiken und Nebenwirkungen: Lesen Sie die Packungsbeilage, 2005) veröffentlicht. Demnach sind immer noch viele Packungsbeilagen nicht verbraucherfreundlich, unverständlich, zu klein oder zu lang geschrieben.

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    Die Patienten wünschen sich übersichtlichere Packungsbeilagen ohne Fachchinesisch mit nützlichen, handlungsorientierten Informationen, auch zu ihrer Erkrankung. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat bereits 2002 ihre Empfehlungen zur Gestaltung der Packungsbeilagen gründlich überarbeitet. Ein gutes Beispiel für die gelungene Umsetzung dieser Empfehlungen bietet jetzt z.B. der neue Beipackzettel zu Citalopram-Hormosan® 20 mg von Hormosan Pharma. Dieser beinhaltet nicht nur, um was für ein Arzneimittel es sich handelt, was bei der Einnahme zu beachten ist, wie es einzunehmen ist und was für Nebenwirkungen möglich sind, sondern spricht den Patienten auch direkt an und erklärt in einfachen Worten seine Erkrankung und warum ihm der Arzt/die Ärztin seines Vertrauens ein Antidepressivum verschrieben hat und was dabei zu berücksichtigen ist. Zum Beispiel, dass ein Antidepressivum erst nach etwa zwei bis vier Wochen regelmäßiger Einnahme voll wirksam sind und dass die Einnahme solange fortgesetzt werden muss, wie sein Arzt/Ärztin dies empfohlen hat. Die Compliance der Patienten, die Zusammenarbeit mit dem Arzt und der Therapieerfolg können vermutlich damit deutlich verbessert werden. Denn was nützt das beste Medikament, wenn es nicht eingenommen wird.

    KW

     
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