Dtsch Med Wochenschr 2006; 131(11): 554-555
DOI: 10.1055/s-2006-933695
CME
Kardiologie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Stabile koronare Herzerkrankung - Der konkrete Fall

Stable coronary artery disease - case reportF. Custodis1 , B. Scheller1 , U. Laufs1
  • 1Klinik für Innere Medizin III, Universitätsklinikum des Saarlandes
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Priv.-Doz. Dr. med. Ulrich Laufs

Klinik für Innere Medizin III, Universitätsklinikum des Saarlandes

66421 Homburg

Email: ulrich@laufs.com

Publication History

eingereicht: 2.1.2006

akzeptiert: 9.2.2006

Publication Date:
15 March 2006 (online)

Table of Contents #

Anamnese

Bei einem 70-jährigen, rüstigen und körperlich aktiven Patienten war vor 6 Monaten, im Rahmen einer Herzkatheteruntersuchung, eine koronare Zweigefäßerkrankung mit Engstellen im Bereich des Ramus interventricularis anterior (RIVA = LAD) und des Ramus circumflexus (RCX) diagnostiziert worden. Es erfolgte eine Revaskularisation der hochgradig stenosierten LAD mittels PTCA und Stentimplantation. Nun verspürt der Patient seit 2 Monaten rezidivierend ein dumpfes, retrosternales Druckgefühl verbunden mit einem Taubheitsgefühl des linken Armes bei intensiver körperlicher Belastung wie schnellem Bergaufgehen oder anstrengender Gartenarbeit. Die Beschwerden sistieren nach Beendigung der Belastung. Dyspnoe, Herzrhythmusstörungen oder Schwindel werden nicht berichtet.

Über die bekannte koronare Herzerkrankung hinaus sind keine kardiovaskulären Vorerkrankungen bekannt. An Risikofaktoren liegen ein langjähriger und fortgesetzter Nikotinkonsum, ein medikamentös behandelter arterieller Hypertonus, eine Hyperlipidämie sowie eine positive Familienanamnese vor (Myokardinfarkt des Vaters mit 52 Jahren).

Eine ambulante Belastung auf dem Fahrradergometer wurde bei 100 Watt aufgrund von typischen Beschwerden sowie horizontalen ST-Senkungen (0,15 mV) in den lateralen Ableitungen V4 - 6 abgebrochen. Vom behandelnden Hausarzt war zunächst die bestehende medikamentöse Therapie (ASS 100 mg, Ramipril 5 mg, Bisoprolol 5 mg, Simvastatin 40mg) um ein Nitrat (Isosorbiddinitrat 60mg) erweitert worden. Unter der gewählten Therapie berichtet der Patient von in ihrer Intensität geminderten, jedoch weiterhin existenten, retrosternalen Beschwerden unter körperlicher Belastung.

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Klinischer Untersuchungsbefund

Bei Aufnahme präsentierte sich der 175 cm große und 79 kg schwere Patient in einem kardiopulmonal kompensierten Zustand. Der Bauchumfang lag bei 95 cm. Der Blutdruck betrug 135/80 mmHg, die Herzfrequenz 77/min. Sowohl der kardiale als auch der pulmonale Auskultationsbefund waren unauffällig. Der Pulsstatus war regelrecht. Die weiteren körperlichen Untersuchungen erbrachten keinen pathologischen Befund.

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Diagnostik

Elektrokardiographisch zeigten sich ein normofrequenter Sinusrhythmus, ein Linkstyp, normwertige Zeiten sowie eine unauffällige De- und Repolarisation ohne ischämietypische Kammerendteilveränderungen. Laborchemisch fanden sich keine erhöhten herzspezifischen Enzyme. Blutbild, Elektrolyte, Retentionsparameter und Leberenzyme lagen im Normbereich. Nüchternblutzucker 107 mg/dl. Neben einem Gesamtcholesterin von 258 mg/dl, einem LDL-Cholesterin von 177 mg/dl und einem HDL-Cholesterin von 48 mg/dl fanden sich Triglyceride von 166 mg/dl. Vor dem Hintergrund der pathologischen Ergometrie bei bekannter KHK und den trotz antianginöser medikamentöser Therapie persistierenden Beschwerden wurde die Indikation zur koronarinvasiven Diagnostik gestellt. Im Rahmen der Herzkatheteruntersuchung fand sich eine hochgradige Instent-Restenose der LAD (Abb. [1] A) sowie eine 50 %ige De novo-Stenose des distalen Ramus circumflexus. Die linksventrikuläre Pumpfunktion war erhalten (Ejektionsfraktion 68 %).

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Abb. 1 A) Instent-Restenose der mittleren LAD (Pfeile), B) Angioplastie durch einen Paclitaxel-beschichteten Ballonkatheter („PACCOCATH”), C) Ergebnis unmittelbar im Anschluss an die Dilatation, D) Ergebnis nach 6 Monaten.

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Therapie und Verlauf

Es erfolgte eine Re-PTCA der LAD-Stenose mittels eines Paclitaxel-beschichteten Ballonkatheters im Rahmen der PACCOCATH ISR I-Studie [3]. Direkt im Anschluss an die Intervention zeigte sich nur ein mäßiges angiographisches Ergebnis, wie häufig nach alleiniger PTCA einer Instent-Restenose (Abb. [1] C). Periinterventionell erhielt der Patient eine Clopidogrel-„Loading Dose” von 600 mg. Eine kombinierte Thrombozytenaggregationshemmung mit ASS 100 mg (dauerhaft) und Clopidogrel 75 mg (für 4 Wochen) wurde eingeleitet. Die bestehende medikamentöse Therapie (ACE-Hemmer, Betablocker, Statin) wurde hinsichtlich der Tagesdosen modifiziert, eine schrittweise Erhöhung von Ramipril 5 mg auf eine tägliche Zieldosis von 10 mg begonnen. Die Gabe von Bisoprolol wurde auf täglich 10 mg erhöht. Bei einem unter 40 mg Simvastatin persistierend hohen LDL-Cholesterin erfolgte die Erweiterung der lipidsenkenden Therapie um 10 mg Ezetimib. Postinterventionell war der Patient beschwerdefrei, daher wurde das Nitrat abgesetzt.

Dem Patienten wurde eindringlich eine vollständige und dauerhafte Beendigung des Nikotinkonsums empfohlen und sowohl medikamentöse als auch nicht-medikamentöse Optionen zur Unterstützung der Entwöhnung erläutert. Darüber hinaus wurden ihm regelmäßiges körperliches Training im Sinne einer aeroben Ausdauerbelastung (z. B. Nordic walking), eine langfristige Umstellung der Ernährungsweise (mediterrane Diät) und ein moderater Alkoholkonsum (< 30 g/Tag) nahe gelegt. Als weitere Präventionsmaßnahme wurde ihm zu einer jährlichen Grippeimpfung geraten.

Nach 6 Monaten zeigte sich ein gutes koronarangiographisches Ergebnis (Abb. [1] D). Der Patient ist in der Lage, sämtliche körperlichen Anstrengungen beschwerdefrei zu bewältigen.

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Fazit

Die Therapieziele einer Verbesserung der Lebensqualität und der Erhalt körperlicher Belastbarkeit des Patienten durch Vermeidung von pektanginösen Beschwerden wurden durch die Angioplastie erreicht. Instent-Rezidive treten mit einer Häufigkeit von 15 - 35 % nach Implantationen von unbeschichteten Metallstents auf [1]. Neben den etablierten therapeutischen Optionen wie der vaskulären Brachytherapie (intrakoronare Bestrahlung) und der Anwendung medikamentenbeschichteter Stents (Stent-in-Stent Implantation), befindet sich ein neues, alternatives Therapiekonzept in Erprobung. Die Applikation antiproliferativer Substanzen über einen Ballonkatheter wurde bislang im Tiermodell untersucht [2] und ist Gegenstand laufender klinischer Untersuchungen. Der vorliegende Fallbericht und erste randomisierte Daten zeigen, dass es sich hierbei um eine sichere, effektive und kosteneffiziente Methode zur Behandlung der Instent-Restenose handeln könnte [3].

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Literatur

  • 1 Suwaidi J, Berger P, Holmes D R. Coronary artery stents.  JAMA. 2002;  284 1828-1836
  • 2 Scheller B, Speck U, Abramjuk C, Bernhardt U, Böhm M, Nickenig G. Paclitaxel balloon coating, a novel method for prevention and therapy of restenosis.  Circulation. 2004;  110 810-814
  • 3 Scheller B, Hehrlein C, Bocksch W, Rutsch W, Haghi D, Dietz U, Böhm M, Speck U. Randomised trial for the treatment of in-stent restenosis by a paclitaxel coated balloon catheter - PACCOCATH ISR.  Eur Heart J. 2005;  Abstract book Z645

Priv.-Doz. Dr. med. Ulrich Laufs

Klinik für Innere Medizin III, Universitätsklinikum des Saarlandes

66421 Homburg

Email: ulrich@laufs.com

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Literatur

  • 1 Suwaidi J, Berger P, Holmes D R. Coronary artery stents.  JAMA. 2002;  284 1828-1836
  • 2 Scheller B, Speck U, Abramjuk C, Bernhardt U, Böhm M, Nickenig G. Paclitaxel balloon coating, a novel method for prevention and therapy of restenosis.  Circulation. 2004;  110 810-814
  • 3 Scheller B, Hehrlein C, Bocksch W, Rutsch W, Haghi D, Dietz U, Böhm M, Speck U. Randomised trial for the treatment of in-stent restenosis by a paclitaxel coated balloon catheter - PACCOCATH ISR.  Eur Heart J. 2005;  Abstract book Z645

Priv.-Doz. Dr. med. Ulrich Laufs

Klinik für Innere Medizin III, Universitätsklinikum des Saarlandes

66421 Homburg

Email: ulrich@laufs.com

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Abb. 1 A) Instent-Restenose der mittleren LAD (Pfeile), B) Angioplastie durch einen Paclitaxel-beschichteten Ballonkatheter („PACCOCATH”), C) Ergebnis unmittelbar im Anschluss an die Dilatation, D) Ergebnis nach 6 Monaten.