Rofo 2006; 178(4): 455-456
DOI: 10.1055/s-2006-939473
Mitteilungen der DRG
Radiologie und Recht
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Ausschreibungsverpflichtung bei Ausscheiden aus einer Gemeinschaftspraxis

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Rechtsanwälte Wigge Kleinke Frehse

RA Dr. Peter Wigge
RA Sebastian Sczuka

Münster

URL: http://www.ra-wigge.de

Email: kanzlei@ra-wigge.de

Publication History

Publication Date:
10 April 2006 (online)

 
Table of Contents

Seit der Einführung der vertragsärztlichen Bedarfsplanung im Jahr 1993 durch das Gesundheitsstrukturgesetz haben beim Ausscheiden eines Vertragsarztes aus einer Gemeinschaftspraxis die in der Gesellschaft verbleibenden Ärzte ein berechtigtes Interesse daran, dass der Vertragsarztsitz des ausscheidenden Arztes in der bisherigen Gemeinschaftspraxis verbleibt und mit einem den verbleibenden Partnern genehmen Nachfolger nachbesetzt wird. Nur in diesem Fall kann - abgesehen von der Bildung sogenannten Job-Sharing-Gemeinschaftspraxen - wegen der überwiegend bestehenden Zulassungssperren die bisherige Gemeinschaftspraxis mit einem neuen Partner weiterbetrieben werden.

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Gesetzliche Ausschreibung bei Wegfall der Zulassung

Nach § 103 Abs. 4 SGB V hat allerdings der ausscheidende Arzt das Recht, seinen Vertragsarztsitz durch die zuständige Kassenärztliche Vereinigung (KV) ausschreiben zu lassen. Die Rechtsposition der in der Gemeinschaftspraxis verbleibenden Partner wurde zunächst durch eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25. November.1998 (Az.: B 6 KA 70/97 R) gestärkt, als auch ihnen ein eigenes Ausschreibungsrecht zuerkannt wurde. Dieses besteht aber nur für Fälle, in denen die Zulassung des ausscheidenden Partners nach § 103 Abs. 4 SGB V durch Tod des Arztes, Entziehung der Zulassung oder Wegfall derselben aus Altersgründen endet.

Nimmt der Ausscheidende hingegen seinen Vertragsarztsitz mit und verlegt diesen nach § 24 Abs. 4 Ärtze-ZV innerhalb des Planungsbereichs, scheidet ein Ausschreibungsrecht der verbleibenden Partner nach § 103 Abs. 4 SGB V aus. Um dies zu vermeiden, werden in Gemeinschaftspraxisverträgen häufig Regelungen aufgenommen, die den Verbleib des Vertragsarztsitzes in der Gemeinschaftspraxis auch für diesen Fall sichern sollen. Dabei verpflichtet sich der Ausscheidende, seinen Vertragsarztsitz durch die Kassenärztliche Vereinigung ausschreiben zu lassen und bei der Übertragung der Zulassung auf einen Arzt nach Wahl der verbleibenden Partner mitzuwirken. Allerdings wird der mit dieser Regelung zwangsläufig erfolgende Verzicht auf die Zulassung nicht immer ausdrücklich im Vertrag erwähnt.

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Ausschreibungsverpflichtung aufgrund von Vertragsklauseln

Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) bereits in einem Urteil vom 22. Juli 2002 (Az.: II ZR 265/00) entschieden hat, dass solche den Verbleib des Vertragsarztsitzes in der Gemeinschaftspraxis sichernden Regelungen zulässig sind, hat nun das Pfälzische Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken mit Urteil vom 25. Mai 2005 (Az.: 4 U 73/04) - dem BGH folgend - geurteilt, dass der ausscheidende Partner einer Gemeinschaftspraxis in einem gesperrten Planungsbereich auch zur Ausschreibung des Vertragsarztsitzes verpflichtet werden kann. Der Entscheidung des OLG Zweibrücken lag der folgende Sachverhalt zu Grunde:

Der Kläger betrieb zusammen mit seinem Vater eine augenärztliche Gemeinschaftspraxis. Nach dem Ausscheiden des Vaters erhielt der Beklagte dessen freigewordenen Sitz als Vertragsarzt. Kläger und Beklagter setzten die Gemeinschaftspraxis fort. Der Gesellschaftsvertrag sah nach ordentlicher Kündigung die Verpflichtung des ausscheidenden Partners vor, unverzüglich bei der zuständigen KV einen Antrag auf Ausschreibung des vakant werdenden Vertragsarztsitzes zu stellen, um so die weitere Existenz der Gemeinschaftspraxis zu ermöglichen.

Nach etwa zwei Jahren kündigte der Beklagte die Gemeinschaftspraxis, allerdings ohne einen Antrag auf Ausschreibung seines Vertragsarztsitzes zu Gunsten des verbleibenden Partners der Gemeinschaftspraxis (mithin des Klägers) zu stellen. Vielmehr eröffnete er in der Nähe zur ehemaligen Gemeinschaftspraxis eine Einzelpraxis.

Der Kläger begehrte, unter Berufung auf die im Vertrag übernommene Verpflichtung, in einem ersten Rechtsstreit vom Beklagten, die Ausschreibung seines Vertragsarztsitzes bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung zu beantragen. Letztinstanzlich entschied der BGH in dem bereits oben genannten Urteil, dass solche Klauseln in Gesellschaftsverträgen zumindest dann wirksam sind, wenn der ausscheidende Partner auf Grund "der relativ kurzen Zeit seiner Mitarbeit die Gemeinschaftspraxis noch nicht entscheidend mitprägen konnte". Der Beklagte wurde dementsprechend rechtskräftig verurteilt, die Ausschreibung seines Sitzes zu beantragen.

Die KV lehnte aber im folgenden, nach dem entsprechenden Antrag des Beklagten, die Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens mit der Begründung ab, der Beklagte habe zum einen keinen Verzicht auf seine Zulassung im Sinne von § 103 Abs. 4 SGB V erklärt und zum anderen sei der Antrag auf Ausschreibung nicht zu Gunsten der augenärztlichen Gemeinschaftspraxis gestellt worden. Die daraufhin vom Kläger zur Erzwingung der erforderlichen Erklärungen unmittelbar eingeleiteten Maßnahmen, ein Zwangsvollstreckungsverfahren sowie eine Klage gegen den Ablehnungsbescheid der KV vor dem zuständigen Sozialgericht blieben erfolglos.

Im nunmehr angestrengten Verfahren vor dem OLG Zweibrücken begehrt der Kläger vom Beklagten die Erklärung des über den Antrag auf Ausschreibung des Vertragsarztsitzes hinaus erforderlichen Verzichts auf seinen - des Beklagten - Vertragsarztsitz zu Gunsten der augenärztlichen Gemeinschaftspraxis des Klägers. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Zentrale Frage des Rechtstreits war also, ob der Beklagte parallel zum Antrag auf Ausschreibung seines Vertragsarztsitzes gegenüber der zuständigen KV auch seinen Zulassungsverzicht zu erklären hat. Diese Frage hat das Gericht ganz klar bejaht.

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Vertragliche Ausschreibungspflicht impliziert Zulassungsverzicht

Die im Gesellschaftsvertrag übernommene Verpflichtung des Beklagten, die Ausschreibung des Vertragsarztsitzes zu beantragen, enthält zugleich - wie bereits der BGH in der Entscheidung vom 22. Juli 2002 explizit festgestellt hat - die Verpflichtung, auf seine Zulassung gegenüber der KV zu verzichten. Denn nur durch einen solchen Verzicht kann - abgesehen vom Tod des Arztes, der Entziehung der Zulassung oder dem Wegfall derselben aus Altersgründen - ein Ausschreibungsverfahren in einem gesperrten Bezirk eingeleitet werden. Daher muss der zur Stellung eines Ausschreibungsantrags Verpflichtete zwingend auch die für eine solche Ausschreibung nach Maßgabe der sozialrechtlichen Vorschriften im Vorfeld notwendigen Erklärungen abgeben. Seine Verpflichtung würde ansonsten - so wie das vorliegend seit dem Ausscheiden des Beklagten aus der Gemeinschaftspraxis der Fall war - völlig leer laufen.

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Rechtsklarheit bezüglich Vertragsklauseln

Auch wenn das vorliegende Urteil noch nicht rechtskräftig ist, kann man davon ausgehen, dass es der Revision vor dem BGH standhalten wird, denn das OLG Zweibrücken hat die Vorgaben aus dem Urteil des BGH vom 22. Juli 2002 nur konsequent umgesetzt.

Es bekräftigt die schon durch das BGH-Urteil gestärkte Rechtsposition der in einer Gemeinschaftspraxis tätigen Ärzte. Zudem hat die Entscheidung Klarheit geschaffen, dass im Falle einschlägiger Vertragsklauseln, die den ausscheidenden Partner zur Ausschreibung verpflichten, diese nicht nur zulässig sind, sondern darüber hinaus auch der ausscheidende Partner daraus verpflichtet ist, alle damit im Zusammenhang stehenden notwendigen Erklärungen abzugeben. Dies gilt natürlich nur für die Fälle, in denen die Zusammenarbeit in den ersten Jahren der gemeinsamen Berufsausübung scheitert. Denn nur dann hat der Ausscheidende noch keine Rechtsposition in der Gesellschaft erlangt, die gegenüber den Interessen der verbleibenden Partner Vorrang genießt.

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Zeitliche Dauer der Ausschreibungspflicht noch unklar

Für die tägliche Praxis ist es insbesondere fraglich, zu welchem genauen Zeitpunkt und unter welchen konkreten Umständen tatsächlich davon auszugehen ist, dass der Ausscheidende die Gemeinschaftspraxis "mitgeprägt" hat. Neben der in den gerichtlichen Entscheidung schwerpunktmäßig angeführten Dauer der Zugehörigkeit zur Gesellschaft kommen zahlreiche weitere Faktoren (Beteiligung am Gesellschaftsvermögen, Aufbau eines eigenen Patientenstamms oder Anlass der Kündigung der Gesellschaft) in Betracht, die es möglicherweise zu berücksichtigen gilt.

Zur Schaffung einer gewissen Rechtssicherheit erscheint es sinnvoll, diese soeben genannten Umstände in den Gemeinschaftspraxisvertrag aufzunehmen und die Verpflichtung zum Zulassungsverzicht daran zu orientieren.

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