Der Klinikarzt 2006; 35(4): VI
DOI: 10.1055/s-2006-939828
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Duale Plättchenhemmung - Kardiovaskuläre Risikopatienten nicht über einen Kamm scheren

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10 May 2006 (online)

 
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Mit der CHARISMA[1]-Studie hat die "Antiplatelet Trialists Collaboration" eine Lücke im Wissen um die Prävention kardiovaskulärer Ereignisse geschlossen - allerdings war das Ergebnis anders als die Experten antizipiert hatten. So scheint eine duale Plättchenhemmung mit Acetylsalicylsäure (ASS) und Clopidogrel zwar bei Patienten mit symptomatischer atherosklerotischer Gefäßerkrankung die kardiovaskuläre Ereignisrate senken zu können, in der Primärprävention jedoch hat sie nicht nur keinen Vorteil, sondern ist eher mit einem größeren Risiko für die Patienten assoziiert.

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Hohe Erwartungen an die duale Plättchenhemmung enttäuscht

Nach den Ergebnissen der CURE[2]- und CAPRIE[3]-Studie hatten die Initiatoren von CHARISMA hohe Erwartungen an eine duale Plättchenhemmung. Zum einen hatte CAPRIE belegt, dass man mit dem ADP-Rezeptorantagonist Clopidogrel die Wirkung von ASS sogar übertreffen könne, konstatierte Prof. D.L. Bhatt, Cleveland (Ohio, USA). CURE wiederum belegte den Nutzen der Clopidogreltherapie auf dem Boden einer ASS-Behandlung nach einem akuten Koronarsyndrom. CHARISMA sollte jetzt den Effekt einer dualen Plättchenhemmung in Krankheitsstadien untersuchen, die "nicht die ganz heiße Phase wie in CURE repräsentieren", so Prof. Chr. Hamm, Bad Nauheim.

Dazu erhielten insgesamt 15600 Patienten mit hohem kardiovaskulären Risiko entweder eine antithrombotische Therapie mit ASS (75-162 mg pro Tag) und zusätzlich 75 mg Clopidogrel (Iscover® bzw. Plavix®) oder Plazebo. Schon zu Studienbeginn waren die Patienten verhältnismäßig gut therapiert worden, berichtete Hamm. In der Regel erhielten sie bereits eine plättchenhemmende Therapie, ein hoher Prozentsatz war darüber hinaus mit Antihypertonika und Lipidsenkern gut versorgt.

Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 28 Monaten war zwischen den beiden Studienarmen nur ein Trend, aber kein statistischer Unterschied zu beobachten, berichtete Bhatt. So waren unter der Kombinationstherapie insgesamt 534 in der Kontrollgruppe dagegen 573 Ereignisse - Myokardinfarkt, Schlaganfall oder kardiovaskulärer Tod - zu verzeichnen (6,8 versus 5,3%, p = 0,22). "Der statistische Purist würde bereits jetzt aufhören, wir Kliniker sehen dies jedoch ganz anders", meinte Prof. W. Hacke, Heidelberg. Denn auch aus den sekundären Endpunkten könne man Schlüsse für den klinischen Alltag ziehen.

Zählt man zum Beispiel neben den kardiovaskulären Ereignissen auch die Zahl der Klinikeinweisungen, erreicht man mit der dualen Plättchenhemmung eine signifikante Risikoreduktion von etwas über 1%, berichtete Hacke, das entspricht einer relativen Risikoreduktion von 7,7% (17,9 versus 16,7%, p = 0,04). Interessante Ergebnisse liefern zudem die beiden Subgruppenanalysen, "die nach dem Studiendesign statthaft waren", bekräftigte Hacke, "da beide Gruppen präspezifiziert waren."

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Primär- und Sekundärprävention unterscheiden!

Betrachtet man ausschließlich Patienten, die zuvor bereits einen Myokardinfarkt oder einen Schlaganfall erlitten hatten oder bei denen eine periphere arterielle Verschlusskrankheit klinisch manifest war (symptomatische Patienten; n = 12150), ergab sich ebenfalls ein statistisch signifikanter Unterschied bezüglich des primären Endpunkts. Mit einer relativen Risikoreduktion von 12,5% profitierten diese Patienten deutlich von der Kombinationstherapie, berichtete Bhatt.

Anders ausgedrückt: Werden 1000 Patienten behandelt, kann man etwa zehn kardiovaskuläre Ereignisse (Tod, Myokardinfarkt oder Schlaganfall) verhindern - ein Benefit, der praktisch nicht mit einem erhöhten Blutungsrisiko erkauft werden muss. Nur zwei von 1000 Patienten erleiden unter der Kombinationstherapie eine schwere Blutung, "Bei diesen symptomatischen Patienten ist der duale Ansatz also durchaus eine Option", meinte Hacke.

Anders ist dies jedoch bei dem Einsatz von Clopidogrel plus Acetylsalicylsäure in der Primärprävention bei Patienten, die mindestens drei kardiovaskuläre Risikofaktoren aufweisen (asymptomatische Patienten; n = 3450). Hier hatte die duale Plättchenhemmung nicht nur keinen positiven Effekt, die kardiovaskuläre Sterberate war mit 5,4% im Vergleich zu 3,8% bei der ASS-Monotherapie sogar erhöht, so Bhatt.

Eine mögliche Erklärung für dieses unerwartete Ergebnis sieht Hamm in dem hohen Anteil an Diabetikern in dieser Primärpräventionsgruppe (42%), was eventuell zu der höheren Komplikationsrate beigetragen haben könnte. Aber auch einen Zufallseffekt könne man nicht ausschließen, meinte Hacke. Dies müsse aber noch genauer analysiert werden, bislang sei das reine Spekulation.

"Grundsätzlich bin ich nicht enttäuscht von den Ergebnissen. Denn einerseits sind die Daten Wasser auf die Mühlen von CURE. Wir sehen uns bestätigt, dass wir durch die duale Plättchenhemmung mit ASS und Clopidogrel bei Patienten in der Sekundärprophylaxe das Risiko für ein erneutes Ereignis senken können. In der Primärprophylaxe dagegen werden wir die duale Plättchenhemmung aber sicherlich nicht mehr einsetzen," schloss Hamm.

sts

Quelle: Late Breaking Session und CHARISMA-Pressekonferenzen (veranstaltet von Bristol Myers-Squibb und Sanofi-Aventis) auf dem Kongress des "American College of Cardiology" (ACC)

01 Clopidogrel for High Atherothrombotic Risk and Ischemic Stabilization, Management and Avoidance

02 Clopidogrel in Unstable angina to prevent Recurrant Events

03 Clopidogrel versus Aspirin in Patients at Risc of Ischemic Events

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