PiD - Psychotherapie im Dialog 2006; 7(3): 233-234
DOI: 10.1055/s-2006-940068
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Sieben Jahre Psychotherapie im Dialog

Eine Zwischenbilanz und zwei Herausgeberwechsel
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Publication Date:
05 September 2006 (online)

Psychotherapie im Dialog ist durch ihr siebtes Jahr hindurch. Es ist zwar kein „verflixtes” gewesen, aber ein von Wechseln geprägtes.

Zwei Gründungsherausgeber - Ulrich Streeck und Arist von Schlippe - ziehen sich aus beruflichen Gründen aus dem Herausgebergremium zurück, um ihre ganze Energie auf andere Tätigkeitsfelder konzentrieren zu können. Während Ulrich Streeck dem Feld der Psychotherapie erhalten bleibt, wird Arist von Schlippe auf dem Lehrstuhl „Führung und Dynamik von Familienunternehmen” an der Universität Witten-Herdecke seine in der Psychotherapie gewonnenen Kompetenzen in den nächsten Jahren in einem ganz anderen Anwendungsbereich erproben.

Ulrich Streeck hat in unserem Team vorbildlich die sympathischen Tugend-Haltungen der Psychoanalyse verkörpert: freundliche Anteilnahme ohne Aufdrängen, empathische Distanz, Infragestellungen vermeintlicher Gewissheiten und die Fähigkeit, auch als Einzelgänger das ganze Werk (hier: die Herausgabe zweier Hefte) zu vollenden.

Arist von Schlippe hat die systemischen Tugenden der dichten Kooperation und Leichtigkeit in unser Team eingebracht, mit der Breite seiner Kontakte viele Kooperationspartner für uns erschlossen, durch seinen Humor und seine Witze erheitert und durch die Wechsel seiner Arbeitsplätze unsere Redaktionstreffen an Orte geleitet, die wir sonst nicht kennen gelernt hätten (Osnabrück, Jena, Witten). Beide haben mit ihrem ungewöhnlichen Engagement, ihrer umfangreichen theoretischen und klinischen Erfahrung, ihrer Szene-Kenntnis, nicht zuletzt aber durch ihre Freundlichkeit und nichtrivalisierende Freundschaft geholfen, dass unser Herausgeberteam die dem PiD-Projekt zwangsläufig innewohnenden zahlreichen Spannungen und Widersprüche so produktiv bewältigen konnte.

Die verbleibende „Mannschaft” (bislang war ja keine Frau darunter) hat den beiden schon viele Tränen nachgeweint. Sie hat aber nach angemessener Trauerphase nun zwei hervorragende neue Leute gefunden. Frau Dr. med. Bettina Wittmund, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Chefärztin der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Südharz-Krankenhaus Nordhausen (Thüringen) und zuvor an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie am Universitätsklinikum Leipzig als Leiterin der Ambulanz tätig, wird als Systemikerin und dabei noch ausgebildete Verhaltenstherapeutin die Herausgeberschaft von Arist von Schlippe übernehmen. Herr Prof. Dr. med. Henning Schauenburg, geschäftsführender Oberarzt und Leiter des Standortes Bergheim (ehem. Psychosomatische Klinik) der Klinik für Psychosomatische und Allgemeine Klinische Medizin am Universitätsklinikum Heidelberg und zuvor in der Göttinger Universitätsklinik für Psychosomatik tätig, wird als Psychoanalytiker von Ulrich Streeck das Staffelholz übernehmen.

Die ersten sieben Jahre von PID sind durchaus „fette Jahre” gewesen.

Binnen kurzer Zeit ist es im Jahre 2000 quasi aus dem Stand gelungen, eine große Anzahl von Abonnenten zu gewinnen, deren Zahl immer noch zunimmt. Vier Hefte pro Jahr, deren jedes Umfang und Qualität einer Buchpublikation erreichten, meist von je zwei Herausgebern geplant, sind seither regelmäßig erschienen. Oft hören wir, dass KollegInnen unsere Hefte wie kleine „Lehrbücher” zum jeweiligen Thema verwenden. Wir haben ein breites Themenspektrum beleuchtet. Etwa die Hälfte der Hefte haben Störungsbilder zum Thema. Deren Spektrum reicht von den „Klassikern” Angst, Panik, Zwang und Depression über Sexualstörungen, Narzissmus und posttraumatische Belastungsreaktionen bis hin zu Störungsbildern, bei denen oft eine multiprofessionelle Behandlung angesagt ist, wie Borderline, Essstörungen, Sucht und Psychose. Mit dem Schmerz und den chronischen körperlichen Erkrankungen haben wir die PiD auch in Richtung der Somatomedizin, mit dem Täterheft in Richtung Forensik geöffnet. Wir haben psychotherapeutische Settings beleuchtet wie Krisenintervention, Paartherapie, Gruppentherapie und Psychotherapie in der Psychiatrie. Wir haben Lebensphasen wie Kindheit und Adoleszenz psychotherapeutisch betrachtet und uns schließlich auch mit übergreifenden Fragestellungen wie der therapeutischen Beziehung und den Übergängen und Grenzen psychotherapeutischen Handelns befasst. Unser Ziel war es, in jedem Heft Beiträge verschiedener Therapieansätze zunächst „nebeneinander” zu stellen, sodass Verhaltenstherapeuten, Systemiker und Psychoanalytiker einander „über die Schulter” schauen können. Was die anderen konkret tun, nicht nur wie sie sich erklären was sie tun, sollte als erstes deutlich werden. Allmählich bekamen wir immer „integrativere” Beiträge, verlor die anfängliche Schulenorientierung an Trennschärfe. Wir sind froh, Praktiker ähnlich stark wie Hochschullehrer und Weiterbildungsprofis unter unseren Autoren zu haben - und das „Who is Who” unserer Autoren hat uns schon auch immer wieder erfreut und stolz gemacht. Seit 2002 haben wir erst in Berlin, ab 2004 in Baden-Baden bislang vier Kongresse mit über 300 Teilnehmern organisiert. Innovatives Element sind die „Laboratorien”: Subplenen, auf denen meist drei Referenten verschiedener Therapierichtungen gemeinsam einen „Fall” oder ein konzeptionelles Problem zu lösen bekommen.

Wir wollen, dass die nächsten sieben Jahre keinesfalls „magere” werden, aber auch nicht einfach eine Fortsetzung der ersten sieben. Wir sehen einige Herausforderungen auf die Psychotherapielandschaft zukommen, die auch in PiD Thema werden sollen.

Es gibt verschiedene Konzepte, wie eine nicht-eklektische Verbreiterung des psychotherapeutischen Wissens (des praktischen wie des theoretischen) durch Diskussion schulenspezifischer und schulenübergreifender Ansätze sinnvoll geleistet werden kann. Diese wollen wir intensiver diskutieren. Eine integrativere Psychotherapie braucht ein integrativeres Versorgungssystem, integrativere Zulassungs- und Abrechnungsrichtlinien und schließlich integrativere Aus-, Weiter- und Fortbildung. PiD soll mehr als bislang zu einem Diskussionsforum über sinnvolle Zwischenschritte auf diesem Weg werden. Diese Prozesse können nicht konfliktfrei laufen, weil mit ihnen Identitäten und Domänen verbunden sind. „Psychotherapie im Dialog” will sich auf dem Hintergrund des inzwischen entwickelten vertrauensvollen Austauschs vermehrt auch mit Streitfragen auf Basis gegenseitiger Wertschätzung auseinander setzen.

Im Kern aber werden wir „weiter so” machen. Wir werden weiterhin fachlich hochklassige Hefte zu psychotherapeutisch relevanten Störungsbildern, Lebenslagen, Settings und Grenzfragen produzieren, die unseren Lesern eine optimale, wohl gegliederte Zusammenschau der ganzen Breite der psychotherapeutischen Möglichkeiten und der Faszination unseres Faches bieten.

Wir hoffen, dabei auf Ihre Mitwirkung als kritische Leser und Diskussionspartner setzen zu können.

Michael Broda
Steffen Fliegel
Jochen Schweitzer
Wolfgang Senf

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