Die molekulare Grundlagenforschung des letzten Jahrzehnts hat uns deutliche Fortschritte
für das Verständnis der Pathogenese der Multiplen Sklerose (MS) ermöglicht. Wir gehen
davon aus, dass es sich bei der Multiplen Sklerose um ein heterogenes Syndrom handelt,
bei dem neben genetischen Faktoren auch Umwelteinflüsse und Prägung des Immunsystems
eine Rolle spielen. Diese Heterogenität der Multiplen Sklerose spiegelt sich bereits
in unterschiedlichen Typen akuter MS-Plaques wider. Darüber hinaus liefert sie auch
eine Erklärung dafür, dass manche Patienten auf die modernen Immuntherapien sehr gut
ansprechen, während andere Patienten leider progressiv schlechter werden.
Mit diesem Schwerpunktheft haben wir uns die Aufgabe gestellt, aus dem angeführten
aktuellen Forschungsfeld relevante Themen prägnant abzuhandeln. Aus dem Institut für
Neuroimmunologie, Charité Berlin, werden innovative experimentelle Arbeiten zu Mechanismen
neuronalen Zelltods bei der Multiplen Sklerose diskutiert. Sie zeigen uns, welche
neuartigen Schädigungsprinzipien und damit assoziiert auch molekulare Therapien zukünftig
diesen Aspekt abdecken können. Am Institut für Neuropathologie der Universität Göttingen
werden die Fortschritte der humanen molekularen Neuropathologie intensiv erforscht.
Diese betreffen den frühen axonalen Schaden, die möglichen Mechanismen chronischer
Progredienz mit axonaler Schädigung sowie vor allem die in den letzten beiden Jahren
beschriebenen kortikalen Läsionen. Ein besseres Verständnis dieser Vorgänge ermöglicht
vor allem die Therapie von kognitiven Störungen in späteren Krankheitsverläufen. Aus
der Neurologischen Universitätsklinik, Sankt Josef-Hospital Bochum werden Mechanismen
und Prinzipien der Immuntherapie im klinischen Alltag zusammengestellt. Dies soll
eine möglichst individualisierte Therapie der MS erleichtern. Schließlich geben meine
eigenen Mitarbeiter einen Überblick über zukünftige Therapieentwicklungen: welche
Medikamente stehen in der Zulassungs-Pipeline, und welche werden momentan aus dem
experimentellen Bereich übertragen? All dies belegt, dass eine erfolgreiche Therapie
der MS nur unter Einbeziehung verschiedener immunologischer und neurobiologischer
Aspekte möglich sein wird. Dies ist bisher in Deutschland nur im Institut für MS Forschung
verwirklicht, an dem drei der vier Autorengruppen mitarbeiten.
Wir hoffen, dass wir mit der Auswahl der Themen dieses Hefts den interessierten Kollegen
aktuelle Informationen liefern können, die ein Bindeglied zwischen moderner Grundlagenforschung
und klinischer Anwendung im Sinne „translationaler Medizin” darstellen.