Impfungen gelten als Siegeszug der Medizin im Kampf gegen Infektionskrankheiten. Sie
gehören zu den effektivsten und kostengünstigsten Maßnahmen der letzten 200 Jahre.
Aufgrund ihrer Erfolge sind einige Schutzimpfungen jedoch in Vergessenheit geraten,
teilweise wird ihre Notwendigkeit auch wegen eventueller Impfrisiken hinterfragt.
"Diese Befürchtungen sind aber falsch, vergleicht man die Komplikationen, die durch
die Krankheit entstehen mit denen, die durch eine Impfung hervorgerufen werden könnten",
gab Dr. Christian Schönfeld aus Berlin zu bedenken.
Pflichtprogramm von Reiseimpfungen
Pflichtprogramm von Reiseimpfungen
Zum Pflichtprogramm einer jeden Reiseberatung gehört laut Prof. Dr. Christel Hülße
aus Rostock die Kontrolle des Impfschutzes gegen Tetanus, Diphtherie und Poliomyelitis.
Als Reiseimpfung Nummer 1 bezeichnet sie die Tetanusimpfung. "Zirka 75% aller Tetanuserkrankungen
werden durch Bagatellverletzungen hervorgerufen, die primär keinen Arztbesuch erfordern."
Tetanus ist noch immer ein häufiges Krankheitsbild in Dritte-Welt-Ländern, jeder vierte
Erkrankte stirbt auch heute noch. Einen vollständigen Schutz vor Wundstarrkrampf bietet
eine Grundimmunisierung mit drei Impfungen, die alle zehn Jahre aufzufrischen ist.
Im Gegensatz zur Tetanusimpfung erzielt die Diphtherie-Impfung nicht nur einen Individual-
sondern auch einen Kollektivschutz. Denn bei Impfraten von über 80% wird die Erregerzirkulation
stark eingeschränkt. "Da heute nur zirka jeder dritte Erwachsene in Deutschland über
einen sicheren Diphtherie-Schutz verfügt, besteht die Gefahr der Einschleppung und
Verbreitung der Diphtherie", warnte Hülße. Diphtherie kommt häufig in den GUS-Staaten,
Albanien, Afrika, Südamerika und Asien vor und ist für Prof. Hülße damit die "Reiseimpfung
Nummer 2". Die vollständige Diphtherie-Impfung umfasst drei Impfungen zur Grundimmunisierung,
die Auffrischimpfung muss alle zehn Jahre erfolgen. Die dritte Reiseimpfung ist die
Poliomyelitis. Viele Länder sind zwar poliofrei, dennoch sollten Reisende nach Afrika
und Asien dringend einen Impfschutz haben, da sich nach einem Impfboykott in diesen
Regionen die Poliomyelitis wieder stark ausgebreitet hat. Die STIKO empfiehlt einen
vollständigen Impfschutz von mindestens vier Impfungen im Kindes- und Jugendalter
und Risikogruppen eine Auffrischung alle zehn Jahre. "In allen Ländern, in denen Muscheln
und Schalentiere gegessen werden, spielt Hepatitis A eine Rolle", betonte Hülße. Sie
empfiehlt die Impfung bei Reisen "südlich der Alpen und östlich der Oder". Bereits
mit einer zweimaligen Impfung im Abstand von sechs Monaten erzielt man einen mindestens
zehnjährigen Schutz gegen Hepatitis A.
Weitere impfpräventable Infektionskrankheiten
Weitere impfpräventable Infektionskrankheiten
Gelbfieber wird durch die Aedesmücke übertragen und tritt im tropischen Afrika und
Amerika auf. Die Letalität liegt bei 50-60%. Die Gelbfieberimpfung ist die einzige
Impfung, die internationalen Bestimmungen unterliegt und für die der Arzt eine Ermächtigung
benötigt. Im Rahmen der International Health Regulations stellt Cholera zwar keine
Pflichtimpfung dar, dennoch verlangen einige Länder den Impfschutz bei der Einreise.
Als spezifische Prävention steht nur ein einziger in Deutschland zugelassener Impfstoff
zur Verfügung. Dieser rekombinante Impfstoff ist gut verträglich und bietet hochgradigen
Choleraschutz nach der zweiten Dosis. Betroffen von Meningitis sind zu zirka 40% Kinder
unter fünf Jahren und zirka 20% Jugendliche zwischen 14 und 19 Jahren. "Wenn man bedenkt,
dass trotz guter Intensivmedizin in Deutschland jeder Zehnte an Meningitis stirbt,
ist eine Impfung auf jeden Fall empfehlenswert", hob Schönfeld hervor. Die Impfungen
gegen Meningokokken schützen ab dem zweiten Lebensjahr. Tollwut-Fälle sind in Deutschland
inzwischen sehr selten. "Aber bereits in Ost- und Südeuropa sieht das ganz anders
aus und in Afrika, Asien, Mittel- und Südamerika ist die Tollwut sogar unter den sechs
ersten Infektionserkrankungen", berichtete Schönfeld. Ein Problem in der Dritten Welt
ist, dass Impfstoffe eingesetzt werden, die in Deutschland seit über 30 Jahren nicht
mehr angewandt werden. Daher rät Schönfeld Reisenden, die ungeimpft gebissen werden,
die Impfung in solchen Ländern abzulehnen. Sehr empfehlenswert und nebenwirkungsarm
bezeichnete er dagegen die neuen präexpositionellen Impfstoffe. Angesichts des Krankheitsverlaufes
sollte die Tollwut-Impfindikation großzügig gestellt werden, forderte Schönfeld.
Veränderte Lebensbedingungen von Viren und Bakterien
Veränderte Lebensbedingungen von Viren und Bakterien
Dass künftig mit mehr Infektionserkrankungen zu rechnen ist, zeigte Prof. Dr. Dr.
Peter Höppe von der Münchener Rückversicherung. "Klimaveränderungen beeinflussen die
Lebensbedingungen von Viren und Bakterien sowie deren Überträger." Betrachtet man
das letzte Jahrhundert, haben wir zirka 0,8°C höhere globale Mitteltemperaturen, so
Höppe. Besonders Malaria und Dengue-Fieber hängen von Temperaturen ab. "Auch bei uns
kann es also einmal möglich sein, sich mit Malaria zu infizieren und nicht nur aus
dem Urlaub mitzubringen", prognostizierte Höppe. Auch Dengue hat sich durch hohe Lufttemperaturen
und hohe Luftfeuchte ausgebreitet. Im Sommer 1999 wurden in Baden-Württemberg, dem
wärmsten Bundesland, Sandmücken gefangen, die Leishmaniose übertragen können. Auch
Fälle von durch Zecken übertragener Borreliose und FSME sind in den letzten zwei Jahrzehnten
stark angestiegen. Die Aktivität der Zecke beginnt bei Lufttemperaturen von 8-10°C.
"Bei steigenden Temperaturen steigt also die Zeckensaison und damit das Infektionsrisiko."
Quelle: Pressegespräch "Macht Reisen krank?", März 2006 in Berlin. Veranstalter: Chiron
Behring GmbH & Co KG, Marburg.