Gastroenterologie up2date 2006; 2(4): 258-259
DOI: 10.1055/s-2006-944905
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Endoskopie: Schneller hinters Steuer nach Propofol-Sedierung? - Für neue Empfehlungen zur Fahrtauglichkeit ist es noch zu früh

Ingolf  Schiefke, Joachim  Mössner, Horst  Gross
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Publication Date:
05 January 2007 (online)

Kommentar zu

Qualität der psychomotorischen Erholung nach Sedierung mit Propofol bei Routineendoskopien: eine randomisierte und kontrollierte Studie

Quality of psychomotor recovery after propofol sedation for routine endoscopy: a randomized and controlled study

Riphaus A, Gstettenbauer T, Frenz MB, Wehrmann T; Innere Medizin I (Gastroenterologie und interventionelle Endoscopie), Krankenhaus Siloah, Hannover (Akademisches Lehrkrankenhaus der Medizinischen Hochschule Hannover)

Hintergrund: Endoskopische Prozeduren erfolgen meist unter Sedierung. Zur Sicherheit untersagt man den Patienten danach für 24 h die aktive oder passive Teilnahme am Straßenverkehr. Neuere Sedierungsmittel erlauben es vielleicht, diese Karenzzeit zu minimieren.

Methoden: A. Riphaus et al. prüften den Einfluss zweier Sedierungstechniken bei insgesamt 100 Endoskopien. Randomisiert erhielten die Patienten entweder Midazolam kombiniert mit dem Opiat Pethidin oder das Narkosemittel Propofol. In der Midazolam-Gruppe wurde initial ein Bolus von 2,5 mg gegeben. Situativ konnte bis zu einer Gesamtdosis von 7,5 mg nachdosiert werden. Zusätzlich erhielten die Patienten 25 mg (Gastroskopie) oder 50 mg (Koloskopie) Pethidin, ebenfalls intravenös. In der Propofol-Gruppe war kein zusätzliches Opiat notwendig. Die initiale Dosis lag hier zwischen 40 und 60 mg. Zusätzlich waren Boli von 20 mg erlaubt. Vor dem Eingriff und 2 h danach prüfte man die Verkehrstauglichkeit in einem Fahrsimulator. Die kognitiven Funktionen wurden zusätzlich durch einen Zahlenkombinationstest (NCT) überprüft. Das Erwachen aus der Sedierung ermittelte man durch den „post-anesthesia recovery score” (PARS).

Ergebnisse: Die Propofol-Patienten zeigten eine deutlich bessere Erholungstendenz. Klinisch waren sie nach 14 min wieder wach. Beim Fahrtest 2 h nach der Sedierung ergab sich im Vergleich zur Ausgangsprüfung keine Beeinträchtigung mehr. Auch beim Zahlentest ließ sich kein Sedierungsüberhang nachweisen. Unter der Kombination Midazolam/Pethidin erwachten die Patienten nach etwa 25 min. Im Fahrsimulator zeigten sich erhebliche Defizite. Die Patienten überfuhren öfter Kreuzungen, verpassten häufiger die Spur und fuhren tendenziell zu schnell. Beim Zahlentest dagegen war auch unter Midazolam/Pethidin keine Beeinträchtigung mehr nachweisbar.

Folgerung: Das Kurznarkotikum Propofol eignet sich wegen seines schnelleren Abbaus besser zur Sedierung bei ambulanten Endoskopien. Im Simulationstest ergab sich 2 h nach einer Propofol-Sedierung kein Anhalt mehr für eine eingeschränkte Fahrtauglichkeit. Im Gegensatz zu Midazolam/Pethidin scheint deshalb nach diesem Mittel eine kürzere Straßenverkehrskarenz denkbar, so die Autoren.

Endoscopy 2006; 38 : 677 - 683

In den letzten Jahren hat die Frequenz der endoskopischen Untersuchungen mit Sedierung erheblich zugenommen. Die Studie greift somit ein relevantes Problem der ambulanten Endoskopien auf: Wie lange ist ein Patient nach einem endoskopischen Eingriff in Kurzzeitnarkose mit Propofol nicht fahrtüchtig?

Die erhaltenen Resultate bestätigen bereits bekannte Untersuchungen zur schnelleren Erholung der psychomotorischen bzw. kognitiven Fähigkeiten der Patienten nach dem Einsatz von Propofol im Vergleich zu Midazolam oder Opioiden. Als Gründe für die schnelle Erholung werden die kurze Halbwertzeit und Wirkungszeit von Propofol genannt. Neu ist die Erkenntnis, dass die Fahrtüchtigkeit im Fahrsimulator 2 h nach der Propofol-Sedierung der vor dem Eingriff vergleichbar ist.

Problem Studienkonzeption. Da das Ziel der Studie der Vergleich zweier Sedierungstechniken hinsichtlich der postinterventionellen Erholung der kognitiven Funktionen war, sind Analysen dieser Funktionen innerhalb einer Gruppe vor und nach dem Eingriff mit Vorsicht zu bewerten. Um, wie angedeutet, eine Äquivalenz der Fahrtauglichkeit vor und nach der Propofol-Sedierung nachweisen zu können, reicht der einfache Nachweis fehlender Unterschiede nicht aus. Die Studie hat interessante, zukunftsträchtige Hypothesen für den Umgang mit Propofol-sedierten Patienten in der Endoskopie generiert und eingefahrene Wege aufgebrochen. Einen Beweis für eine verkürzte Nachbeobachtungszeit nach Propofol-Gabe kann die Studie aufgrund der unpassenden Konzeption indes nicht antreten.

Fazit. Somit sollte aus den Ergebnissen der Studie im Moment keine Empfehlung zu einer kürzeren Nachbeobachtungszeit oder zu einer Aufweichung der eingeschränkten Fahrtüchtigkeit nach Propofol abgeleitet werden. In Anbetracht der noch dürftigen Datenbasis sollten die Ergebnisse rasch - auch unter dem Blickwinkel einer langjährig etablierten Praxis und vor allem juristisch relevanter Abläufe - durch adäquat geplante Untersuchungen mit größerer Fallzahl und statistischer „Belastbarkeit” bestätigt werden.

Prof. Dr. med. Joachim Mössner

Medizinische Klinik & Poliklinik II

Universität Leipzig · Philipp-Rosenthal-Straße 27 · 04103 Leipzig

Email: moej@medizin.uni-leipzig.de

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