Proximale Humerusfrakturen stellen die dritthäufigsten Frakturen dar. Sie treten mehrheitlich
als Folge eines einfachen Sturzes auf. Ältere Frauen sind davon am meisten betroffen.
Weniger häufig finden sie sich als Folge von Sportverletzungen und Verkehrsunfällen
bei vorwiegend jüngeren Patienten.
Ziel der Therapie ist die möglichst gute Wiederherstellung der früheren Funktion.
Das große Bewegungsausmaß des glenohumeralen Gelenkes stellt einen hohen Anspruch
an eine anatomiegerechte Form und den Erhalt oder die schnelle Wiederherstellung einer
hohen Stabilität des Humeruskopfes. Damit wird die rasche Wiederaufnahme der Beweglichkeit
ermöglicht, um Spätfolgen wie subakromiale Adhäsionen, Kapselschrumpfungen und schmerzhaftes
Impingement zu verhindern.
Wenig verschobene stabile Brüche machen die Mehrzahl proximaler Humerusfrakturen aus.
Ihre hohe intrinsische Stabilität, bedingt durch erhaltene Weichteilverbindungen der
Rotatorenmanschette und/oder des Periostes, erlaubt eine kontrollierte funktionelle
Behandlung. Bei relevant dislozierten instabilen Frakturen ist eine operative Stabilisierung
indiziert, um die anatomische Form des Humeruskopfes wiederherzustellen und eine rasche
Bewegungsaufnahme zu ermöglichen zur Vermeidung einer schmerzhaften Schultersteife.
Patientenfaktoren wie hohes Alter mit geringem funktionellem Bedarf, Polymorbidität
sowie eine schlechte Knochenqualität beeinflussen die Indikation zur Operation und
die Stabilisierungsart. Mehrfragmentfrakturen beim jungen Patienten nach Hochrasanztrauma,
aber auch beim älteren Patienten, sind technisch anspruchsvolle Gelenkfrakturen, welche
einer sorgfältigen präoperativen Planung mit guter konventioneller und evtl. 2-D-
oder 3-D-Bildgebung bedürfen und entsprechende Erfahrung voraussetzen.
Winkelstabile Implantate mit besserem Halt auch im osteoporotischen Knochen haben
die Indikation zum Erhalt des Humeruskopfes erweitert. Die Möglichkeit zur zuverlässigen
und stabilen Rekonstruktion und damit zur frühfunktionellen Nachbehandlung hat zu
günstigen klinischen Resultaten bei gleichzeitiger Reduktion bekannter Komplikationen
wie Sekundärdislokation, Implantatlockerung und avaskulärer Kopfnekrose, geführt.
Das Indikationsspektrum minimalinvasiver perkutaner Verfahren dürfte sich deshalb
tendenziell auf einfache Bruchformen reduzieren. Die Hemiprothese bleibt der nicht
mehr stabil rekonstruierbaren Mehrfragmentfraktur und dem sehr alten Patienten mit
schlechter Knochenqualität vorbehalten.
Die Nachbehandlung richtet sich nach der intrinsischen Stabilität der Fraktur bzw.
nach derjenigen der operativen Fixation. Lagerungsstabile Verfahren erfordern eine
Phase mit Pendelbewegungen, bevor eine aktiv-assistierte Therapie begonnen werden
kann, während übungsstabile Fixationen unmittelbar postoperativ aktiv-assistiert beübt
werden können. Das funktionelle Ergebnis nach proximalen Humerusfrakturen wird durch
eine konsequent geführte Bewegungstherapie entscheidend beeinflusst. Diese kann auch
nach abgeschlossener Frakturheilung bei funktionellen Defiziten langzeitig nötig sein.
Die Prognose ist bei Erhalt der anatomischen Form des Humeruskopfes und einer frühfunktionellen
Nachbehandlung günstig. Eine Bewegungseinbuße von 15 - 20 % ist im Vergleich zur gesunden
Gegenseite üblich.