Laryngorhinootologie 2006; 85(6): 397-398
DOI: 10.1055/s-2006-947070
Tipps + Tricks
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Editorial - Wissenschaftliches Manuskript und industrielles Produkt - Partner oder Feinde?

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Publication Date:
31 May 2006 (online)

 

Prof. Dr. Dr. R. Siegert

Seit 2004 haben wir in der Laryngo-Rhino-Otologie die Rubrik "Tipps & Tricks", für die ich verantwortlich zeichne. Das bedeutet in erster Linie: "Ohren aufsperren" und Ideengeber aus Klinik und Praxis motivieren, Autoren zu werden. Viele interessante Manuskripte sind bereits eingegangen, die Mehrzahl davon konnte veröffentlicht werden. Ich danke den zahlreichen Autoren - insbesondere den Kollegen mit ihren pfiffigen Ideen, die nicht (mehr) an einer universitären Einrichtung tätig sind und damit nicht mehr regelmäßig publizieren (müssen).

Viele "Tipps & Tricks" sind Modifikationen oder gar Neuentwicklungen von Geräten, Instrumenten oder Einmalartikeln. Die besonders tauglichen von ihnen werden produziert und gehen in die Mitverantwortung unserer Partner in der Industrie über. Ich hoffe für die Autoren, dass sie für ihre Ideen und Mühen belohnt werden.

Dürfen wir darüber berichten und Manuskripte von Autoren veröffentlichen, die wirtschaftlich mit ihrem Produkt eng verzahnt sind? Oder ist dies versteckte, kostenlose Werbung unter Ausnutzung der Seriosität und Reputation einer wissenschaftlichen Zeitschrift wie der Laryngo-Rhino-Otologie?

Anlass für diese Fragen und eine intensive interne Diskussion war das Manuskript von Dr. Theo Wesendahl über die Optimierung des Eingriffs zur Implantation "seines" RetroX-Hörgeräts. Das Ergebnis dieser Diskussion sehen Sie auf Seite 399 dieses Hefts: Sein Manuskript wird in dieser Ausgabe veröffentlicht - aber es hat mich verleitet, dazu einige grundsätzliche Gedanken und Thesen zur Diskussion zu stellen:

Aus meiner medizinisch-wissenschaftlichen Sicht kann ich keine rechtlichen Vorbehalte erkennen, warum derartige produktbezogene Manuskripte nicht veröffentlicht werden sollten. In einer Rubrik wie "Tipps & Tricks" wollen wir kleine Innovationen und Ideen darstellen, die für die Praxis relevant sein können. Sie sollen unseren Lesern kurzfristig zugänglich gemacht werden, obwohl möglicherweise noch keine langfristigen Bewertungen der Technik vorliegen. Sie mögen den Leser anregen, über Probleme und deren Lösungsmöglichkeiten nachzudenken. Über die Ergebnisse guter Ideen wird sicherlich in Zukunft wiederholt berichtet werden; schlechte Ideen werden im Sumpf der Vergessenheit versinken. Viele Ideen betreffen Neuentwicklungen oder Modifikationen von Geräten. Selbstverständlich können wir ohne Geräte nicht arbeiten und ebenso selbstverständlich werden Geräte nicht von uns hergestellt und vertrieben, sondern von Partnern in der Industrie. Das halte ich für völlig legitim. Wenn jemand für Geräteentwicklungen der Industrie etwas leistet, darf er - nach meinem Verständnis - dafür auch in irgendeiner Form Vorteile genießen. Diese Beziehung sollte aber - wie es beispielsweise in den USA sehr streng durchgehalten wird - im Rahmen eines entsprechenden Vortrags oder einer Veröffentlichung erwähnt werden. Dieses Gebot hat Herr Wesendahl beachtet, und darauf werde ich als Rubrikenverantwortlicher auch in Zukunft achten. Welche Auswirkung hat eine offen und ehrlich dargestellte Beziehung eines Autors zur Industrie? Ich meine, wenn eine gute Idee von der Industrie vermarktet wird, kann es allen helfen: dem Ideengeber hinsichtlich seiner Reputation und hoffentlich seines Portemonnaies, der Firma hinsichtlich ihres Umsatzes und dem Patienten, der in den Genuss des Fortschritts kommt. Zeigt sich im Verlauf einer Entwicklung, dass eine gute Idee doch nicht hält, was ursprünglich von ihr erwartet wurde, so ist das Pech für den Autor, der seine Zeit ineffektiv investiert hat, und für den industriellen Partner, der getätigte Investitionen abschreiben muss. Vieles lässt sich am Beginn einer Entwicklung noch nicht erkennen. Hat der Autor seriös wissenschaftlich gearbeitet, schmälert der Verlust der Marktfähigkeit nicht seine wissenschaftliche Leistung. Wie wir gerade in jüngster Zeit beobachten mussten, kommen in Deutschland entwickelte Produkte dann auch schon einmal über ausländische Firmen zu uns zurück. Preist ein Autor im Interesse einer Firma aber ein Produkt an, von dem wir als kritische, wissenschaftliche Gemeinschaft bereits gemerkt haben, dass es nicht nutzbringend ist, so verspielt der Autor in einem so überschaubaren Kreis, wie wir es als HNO-Ärzte sind, seine seriöse klinische und wissenschaftliche Reputation. Das würde für ihn sicher sehr "teuer". Trotz der unvermeidlichen Verflechtungen zwischen Autor und Industrie müssen wir uns davor hüten, dass wissenschaftliche Ergebnisse durch diesbezügliche Zielkonflikte beeinflusst oder gar manipuliert werden. Die Grenzen zwischen "neutraler Untersuchung", "unbewusstem Einfluss" und "beabsichtigter Manipulationen" können im Einzelfall fließend sein. In einer Rubrik wie "Tipps & Tricks", in der einerseits auch neue technische Ideen und Entwicklungen dargestellt werden sollen und andererseits per se keine sehr hohen Anforderungen an umfangreiche wissenschaftliche Nachuntersuchungen gestellt werden können, ist das "Risiko" für Interessenskonflikte besonders hoch.

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