Der Klinikarzt 2006; 35(6): XIV
DOI: 10.1055/s-2006-948033
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Von Antikoagulation bis Thrombozytenaggregationshemmung - Leitliniengerechte Therapie bei ischämischem Insult

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Publication Date:
05 July 2006 (online)

 
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In den Industrieländern erkranken und sterben mehr Menschen an einem Schlaganfall als bisher angenommen: Der Schlaganfall ist heute die häufigste Herzkreislauferkrankung überhaupt - noch vor dem Herzinfarkt ([2]). Da das Erkrankungsrisiko im Alter deutlich ansteigt, wird die Bedeutung des Schlaganfalls in Zukunft weiter zunehmen, so die düstere Prognose von Prof. M. Grond, Siegen. Der Neurologe und Geschäftsführende Vorstand der Deutschen Schlaganfall Gesellschaft stellte in Wiesbaden die aktuelle Leitlinie Primär- und Sekundärprävention der zerebralen Ischämie in Auszügen vor ([1]). Die unter Federführung von Prof. H.C. Diener, Essen, entwickelte Leitlinie beruht sowohl auf evidenzbasierten Daten als auch Empfehlungen von Experten.

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Orale Antikoagulation zur Primärprävention

Ursache für etwa 15% aller Schlaganfälle ist das Vorhofflimmern, die häufigste Form der Herzrhythmusstörungen. Betroffene, die mindestens einen weiteren der verbreiteten Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus oder Herzinsuffizienz aufweisen, haben ein fünffach höheres Risiko einen Schlaganfall zu erleiden. Diese Patienten sollen wann immer möglich eine orale Antikoagulation erhalten, die mit einer Ereignisreduktion um rund zwei Drittel assoziiert ist, meinte Prof. H. Darius, Berlin. Entscheidend für die Indikationsstellung sind die Einschlusskriterien. Eine Hilfestellung bietet hier der Framingham-Score: Ausgewählte Parameter ergeben in ihrer Addition einen Schätzwert für das Schlaganfallrisiko für die nächsten fünf Jahre.

Welche Potenz Thrombozytenaggregationshemmer in dieser Situation besitzen, ist derzeit schwer zu sagen. Bislang gibt es nur wenig Daten, die jedoch eine deutlich niedrigere Effizienz als bei oraler Antikoagulation aufweisen. Eine alleinige Therapie mit Acetylsalicylsäure (ASS) erscheint aufgrund einer nur 20%igen Reduktion der Ereignisse unbefriedigend, zur Kombination ASS plus Clopidogrel sollten die noch laufenden Studien abgewartet werden.

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Potenzial neuer oraler Antikoagulanzien

Im Mittelpunkt der Diskussion um neue orale Antikoagulanzien steht derzeit Dabigatran (RendixTM) nach mehreren erfolgreichen Phase-II-Studien. Dieser direkte Thrombinhemmer wird in einem Studienprogramm mit insgesamt 27000 Patienten getestet. Ein Teil dieses Programms ist die RE-LY[1]-Studie, in der die Schlaganfallprävention mit Dabigatran gegen Warfarin zur Schlaganfallprävention bei Patienten mit Vorhofflimmern in einem Behandlungszeitraum von bis zu drei Jahren getestet wird. Diese neue Substanz wird, so hofft Darius, bald eine effiziente Therapie mit weniger Komplikationen möglich machen.

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Risikoadaptierte Sekundärprävention

Zur Sekundärprophylaxe von Schlaganfall und transienten ischämischen Attacken empfiehlt die aktuelle Leitlinie Thrombozytenaggregationshemmer mit höchster Evidenzstärke (Tab. [1]). Nicht indiziert sind Glykoprotein(GP)-IIb/IIIa-Antagonisten und die regelmäßige Gabe von Clopidogrel plus ASS. Diese Kombination war der Clopidogrel-Monotherapie in der MATCH[2]-Studie nicht überlegen. "Sie wirkt nicht doppelt, die Patienten bluten nur doppelt so häufig", brachte Grond die Studienergebnisse auf den Punkt.

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Einen Einfluss auf die medikamentöse Sekundärprävention des ischämischen Hirninfarkts erwartet der Neurologe jedoch aus der ProFESS[3]-Studie bei der weltweit 15500 Patienten nach einem ischämischen Schlaganfall entweder mit ASS plus Dipyridamol oder mit Clopidogrel behandelt werden. In einer zweiten Randomisierung erhält ein Teil der Patienten zusätzlich den Angiotensin-Rezeptorblocker Telmisartan.

Die Rationale von ProFESS beruht dabei auf den Ergebnissen der ESPS[4]-2-Studie: Sowohl eine Therapie mit Acetylsalicylsäure als auch die Behandlung mit Dipyridamol und die Kombination beider Substanzen konnte hier das relative Risiko, einen erneuten Schlaganfall zu erleiden, signifikant senken - und zwar um 18% unter ASS, um 16,3% unter Dipyridamol und sogar um 37% unter der Kombinationstherapie.

Daniel Bomar, Linkenheim-Hochstetten

Quelle: Satellitensymposium "Leitliniengerechte Therapie beim Schlaganfall" im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), unterstützt von der Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co.KG, Ingelheim

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Literatur

  • 01 Gemeinsame Leitlinie der DGN und der Deutschen Schlaganfallgesellschaft (DSG). Primär- und Sekundärprävention der zerebralen Ischämie. www.dsg-info.de/pdf/Leitlinien_Schlaganfall_Prophylaxe.pdf
  • 02 Rothwell PM . Coull AJ . Silver LE . et al . Population-based study of event-rate, incidence, case fatality, and mortality for all acute vascular events in all arterial territories (Oxford Vascular Study).  Lancet. 2005;  366 1753-1754

02 Randomized Evaluation of Long term anticoagulant therapY

03 Management of Atherothrombosis with clopidogrel in high-risk patients with recent Transient isCHemic attack or ischemic stroke

04 Prevention regimen For Effectiveness avoiding Second Strokes

05 European Stroke Prevention Study

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Literatur

  • 01 Gemeinsame Leitlinie der DGN und der Deutschen Schlaganfallgesellschaft (DSG). Primär- und Sekundärprävention der zerebralen Ischämie. www.dsg-info.de/pdf/Leitlinien_Schlaganfall_Prophylaxe.pdf
  • 02 Rothwell PM . Coull AJ . Silver LE . et al . Population-based study of event-rate, incidence, case fatality, and mortality for all acute vascular events in all arterial territories (Oxford Vascular Study).  Lancet. 2005;  366 1753-1754

02 Randomized Evaluation of Long term anticoagulant therapY

03 Management of Atherothrombosis with clopidogrel in high-risk patients with recent Transient isCHemic attack or ischemic stroke

04 Prevention regimen For Effectiveness avoiding Second Strokes

05 European Stroke Prevention Study

 
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