Notfall & Hausarztmedizin 2006; 32(6): 294-295
DOI: 10.1055/s-2006-948073
Blickpunkt

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Reiseberatung in der Allgemeinpraxis - Impfschutz gegen Mumps nicht vergessen!

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Anschrift des Verfassers

Prof. Dr. med. Hagen Sandholzer

Selbständige Abteilung für Allgemeinmedizin

Philipp-Rosenthal-Str. 55

04103 Leipzig

Phone: 0341/9715710

Fax: 0341/9715719

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Publication Date:
14 July 2006 (online)

 
Table of Contents

Nun kommen sie wieder: die Sommerferien - Zeit für viele Schüler, ihre Englischkenntnisse aufzubessern und in die USA zu reisen. Auch für viele Erwachsene ist eine Reise in die USA attraktiv. Im Gegensatz zu tropischen Ländern, wo sich auch dem Laien eine notwendige Überprüfung des Impfschutzes aufdrängt, denkt man bei Reisen in angelsächsische Länder kaum an nennenswerte Risiken durch übertragbare Infektionen. Ein gravierender Irrtum: nach Epidemien in Großbritannien und Irland ([1], [2]) wütet gerade im Mid-Westen die schlimmste Mumps-Epidemie seit Jahrzehnten ([3]).

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Mumps-Impfung weltweit

Seit mehr als drei Jahrzehnten ist eine Lebendimpfung mit einer attenuierten Mumps-Vaccine verfügbar, die bereits 1996 von 74 Mitgliedstaaten (39%) eingesetzt wurde. Bei der Mumpsimpfung werden verschiedene Stämme verwandt, unter anderem Rubini, Jeryl-Lynn, RIT 4385, Leningrad-3, L-Zagreb und Urabe. Selten auch Hoshino, Torii und NKM-46. Das Positionspapier der Weltgesundheitsorganisation empfiehlt für die epidemiologische Kontrolle eine einmalige Impfung im Alter von 12-18 Monaten, für die Ausrottung eine Zweitimpfung, die zum bestmöglichen Zeitpunkt - bei dem die höchstmögliche Durchimpfungsquote erreicht werden kann - durchgeführt werden sollte ([3]). Wie es sich leider gezeigt hat, führen verschiedene Faktoren dazu, dass mit dieser Strategie ein vollständiger Impfschutz für die Bevölkerung nicht erreicht wurde. Dazu hat beigetragen, dass einige Impfstoffe nicht gut wirksam waren ([4]-[6]). Die Effektivität von Rubini- und Urabe-Impfstoffen betrug nur rund 50% im Gegensatz zu Jeryl-Lynn-Stämmen, die über 80% erreichten ([3], [4]).

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Zweite MMR-Impfung wird häufig vergessen

Weitere Faktoren bedingen, dass Mumpsepidemien wieder auftreten, dazu gehören Bedenken von Eltern gegenüber der Impfung und leider auch schlichtes Vergessen von Impfterminen. Denn zwei Impfungen sind nötig, um die Elimination von Mumps zu erreichen. Laut den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) sollten alle Kinder im Alter von 11 bis 14 Monaten mit der Masern/Mumps/Röteln/Varizellen-Vakzine (MMR) geimpft werden. Bis zum Ende des zweiten Lebensjahres sollte auch die zweite Masern/Mumps-Röteln-Impfung erfolgt sein (Tab. [1]) ([7]).

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Es hat sich gezeigt, dass die guten Durchimpfungsquoten für die erste Mumpsimpfung nicht für die zweite gelten: In den alten Bundesländern bestand bei der Schuleingangsuntersuchung eine erste Mumps-Impfung bei 92%, eine zweite jedoch nur noch bei 64%. Die Quoten waren in den neuen Bundesländern nur wenig besser: erste Impfung 97%, zweite Impfung 78% der Kinder ([9]).

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Praktische Konsequenzen

Mumps verläuft zwar bei bis zu 30% der Infizierten klinisch inapparent, ist jedoch keine banale Erkrankung:

  • Bis zu 15% der Erkrankten entwickeln eine Meningitis, 0,02-0,03% eine Enzephalitis. Mumps ist immer noch die wichtigste Infektion, die eine sensorineurale Taubheit verursacht (5 auf 100000 Mumpskranke)

  • Eine Pankreatitis kommt bei 4% der Erkrankten vor

  • Eine Orchitis tritt zwar bei 20-30% der postpubertalen Männer auf, eine bleibende Infertilität ist jedoch selten.

  • Eine Infektion während der Frühschwangerschaft führt bei 25% der Frauen zum Spontanabort.

Während die Epidemien in England, Schottland, Wales und Irland bereits 2005 abgeflaut sind, wurden am 28. März 2006 bereits 219 Mumpsfälle in Iowa beobachtet, wobei zusätzliche 14 Erkrankungsfälle in Illinois, Nebraska, und Minnesota darauf hinweisen, dass sich die Epidemie ausbreitet ([3]). Das CDC geht von der größten Mumpsepidemie seit 1998 aus. Deswegen sollte man bei Reisen in die USA dringend einer Überprüfung und gegebenenfalls Auffrischung des Impfschutzes zuraten. Eine zweite MMR-Impfung sollte vorliegen oder aktuell durchgeführt werden.

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Dreimal impfen?

Die derzeit gültigen Empfehlungen des Centers of Disease control empfehlen, in den USA die zweite Masern-Mumps-Impfung im vierten bis sechsten Lebensjahr durchzuführen ([10], [11]). Schüler und Studenten können vom Campus ausgeschlossen werden, wenn sie keinen Nachweis einer Immunität führen können: "Any individual who cannot show proof of immunity or adequate immunization and refuses to be immunized shall be excluded from any institution or facility of the University System until such time as he/she presents valid evidence that he/she is immunized against the disease or the epidemic or threat no longer constitutes a significant public health danger" (12).

Da die Besorgnis allgemein groß ist, fordern Anbieter von Austauschprogrammen für Schüler eine zweite Impfung nach dem zwölften Lebensjahr. Für den Hausarzt stellt sich nun die Frage, ob er ein - nach den früher gültigen deutschen Stiko-Empfehlungen - regelhaft mit sechs Jahren zum zweiten Mal geimpftes Kind ein drittes Mal impfen soll. Nach einer persönlichen Auskunft des CDC (Juni 2006) ist eine solche Strategie unsinnig, da die Einreisebehörden eine solche Impfung nicht fordern. Der reisemedizinisch tätige Hausarzt sollte bei Ausstellung eines Gesundheitszeugnisses akkurat die Impfdaten eintragen und den Eltern raten, direkt mit dem Anbieter von Austauschprogrammen oder den besuchten Schulen Kontakt aufzunehmen.

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Literatur

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