Obwohl die Insulintherapie durch die modernen ultra-dünnen Pennadeln sehr viel einfacher
geworden ist, ist die Vorstellung, Insulin zu spritzen, für viele Patienten abschreckend.
Häufig beginnen Patienten mit Typ 2-Diabetes die Therapie deshalb nicht rechtzeitig.
Nach 15 Jahren klinischer Entwicklung ist jetzt erstmals ein inhalatives Insulin zur
Therapie des Diabetes mellitus zugelassen. Laut Prof. Andreas Pfützner aus Mainz ist
das Besondere an diesem Medikament, dass die Lunge als reines Aufnahmeorgan genutzt
wird. Das pulverförmige kurzwirksame Insulin wird mit Hilfe eines speziell konzipierten
Inhalationsgerätes vor dem Essen appliziert. In klinischen Studien flutete das Insulin
nach Inhalation ebenso schnell an wie kurzwirksame Insulinanaloga, seine Wirkdauer
ist vergleichbar mit der von Normalinsulin. Im Gegensatz zu Asthmainhalatoren vernebelt
das Inhalationsgerät das Insulin in einer durchsichtigen Kammer, aus der das Insulinpulver
dann in aller Ruhe eingeatmet werden kann. Dabei sollen zirka 25% der applizierten
Dosis die Alveolen der Lunge erreichen, zirka 10% sind später im Plasma nachweisbar.
Aufgrund ihrer ähnlichen pharmakokinetischen Profile lässt sich inhalatives Insulin
in den Wirksamkeitsdaten nicht von der des subkutan gespritzten Insulins unterscheiden.
Wie Pfützner erklärte, ist Exubera® zugelassen zur Behandlung von erwachsenen Patienten
mit Typ 2-Diabetes, die mit oralen Antidiabetika nicht zufrieden stellend eingestellt
sind und eine Insulintherapie benötigen. Bei Erwachsenen mit Typ 1-Diabetes kann es
zusätzlich zu lang oder verzögert wirkendem, subkutanen Insulin prandial appliziert
werden. Inhalatives Insulin könne es dem Arzt erleichtern, seine Patienten rechtzeitig
auf Insulin umzustellen und so die bei unkontrolliertem Diabetes drohenden Komplikationen
zu vermeiden, bilanzierte Pfützner.
Eine Frage der Lebensqualität
Eine Frage der Lebensqualität
Dies bestätigte eine Real-World-Studie, die in der diabetologischen Schwerpunktpraxis
von Dr. Karin Schlecht aus Eisenach unter Alltagsbedingungen stattfand. Hier hatten
Patienten mit Typ 2-Diabetes die Möglichkeit, entweder auf eine Therapie mit inhalativem
Insulin umzustellen, oder wie bisher Insulin zu spritzen. Als Präferenz gaben dabei
viele Patienten die Therapie mit inhalativem Insulin an. Dr. Schlecht sieht damit
ihre fast zwanzigjährige Erfahrung in der Diabetologie bestätigt: Die Bedürfnisse
der Patienten orientieren sich nicht nur an der medizinisch-wissenschaftlichen Fachlichkeit,
sondern auch an Fragen der Lebensqualität.
Pulmonale Verträglichkeit
Pulmonale Verträglichkeit
Prof. Joachim Lorenz aus Lüdenscheid sieht die inhalative Insulintherapie als "kopernikanische
Wende" in der medikamentösen Behandlung, die die Lunge als Resorptionsorgan für zahlreiche,
bisher parenteral applizierbare Medikamente erschließt. Aufgrund möglicher Nebenwirkungen
wurde Exubera® während der klinischen Entwicklung in Studien bis zu drei Jahren auf
seine pulmonale Verträglichkeit geprüft. Während der Therapie traten weder Asthma,
chronische Bronchitis, Lungenfibrose oder Tumore auf. Häufigste Nebenwirkung war ein
leichter bis mäßiger Husten, wie er auch von der Anwendung von Antiasthmatika bekannt
ist. Verglichen mit der subkutanen Insulinanwendung zeigte sich bei Patienten mit
Typ 1- oder Typ 2-Diabetes bald nach Therapiebeginn eine Reduktion der Lungenvolumina
und des Gasaustausches. Diese war aber klinisch nicht relevant und nach dem Absetzen
voll reversibel. Lorenz empfiehlt daher vor Beginn einer inhalativen Insulintherapie
einen Lungenfunktionstest, der nach einem halben Jahr und dann jährlich wiederholt
werden sollte. Aufgrund bisher fehlenden Erfahrungen ist das Medikament aber bei starkem
oder unkontrolliertem Asthma oder COPD beziehungsweise bei abnormaler Lungenfunktion
kontraindiziert. Bei akuten Atemwegserkrankungen sollte ein engmaschiges Monitoring
erfolgen. Da die Aufnahme durch Rauchen stark erhöht wird, dürfen Raucher erst nach
einem sechsmonatigen Rauchstopp mit der Therapie beginnen.
Zwei laufende Phase-III-Studien
Zwei laufende Phase-III-Studien
Ergebnisse aus zwei laufenden Phase-III-Studien wurden jetzt auf den 66. Annual Scientific
Sessions der American Diabetes Association vorgestellt. An der Typ 2-Diabetes-Studie
nahmen 635 Erwachsene teil, die bisher regelmäßig Insulin injizierten. Diese erhielten
entweder inhalatives Insulin oder verblieben in der bisherigen Therapie. Nach zwei
Jahren verbesserte sich der HbA1C-Wert bei den Patienten beider Gruppen jeweils von
zirka 7,8% auf 7,3%. Patienten unter inhalativer Insulintherapie erreichten darüber
hinaus etwas bessere Nüchternglukosewerte. Die durchschnittliche Gewichtszunahme unter
Exubera® betrug 1,7 kg, verglichen mit 3,0 kg bei den Patienten, die injizierbares
Insulin anwendeten. Das inhalative Insulin wurde gut vertragen, wobei sich die Lungenfunktion
in Relation zu den Vergleichstherapien im Durchschnitt nur geringfügig reduzierte.
Der Husten, der im Exubera®-Arm häufiger auftrat, war in der Regel leicht, führte
jedoch nur selten zum Abbruch der Behandlung.
An einer weiteren Studie nahmen 582 Erwachsene mit Typ 1-Diabetes teil. Die HbA1C-Werte
zu Studienbeginn betrugen 7,4% im Exubera®-Arm und 7,5% in der Kontrollgruppe. Nach
zweijähriger Studiendauer verbesserten oder stabilisierten sich die Blutzuckerwerte
bei den Patienten beider Gruppen in ähnlichem Maße. Die durchschnittliche Gewichtszunahme
unter inhalativem Insulin betrug 0,8 kg, unter injizierbarem Insulin 2,0 kg. "Diese
Studie stützt die Ergebnisse früherer Untersuchungen, die gezeigt haben, dass inhalatives
Insulin eine adäquate Therapieoption für Patienten mit Typ 1-Diabetes ist," so die
Studienleiterin Prof. Lois Jovanovic aus Kalifornien.
Quelle: Pressemitteilung der Pfizer Pharma GmbH, Karlsruhe