Dtsch Med Wochenschr 2006; 131(36): 1965-1966
DOI: 10.1055/s-2006-949197
Korrespondenz | Correspondence
Leserbrief
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Isolierte ventrikuläre Non-compaction-Kardiomyopathie

Zum Mediquiz-Fall 2769, DMW 50/2005C. Stöllberger, J. Finsterer
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Publication Date:
07 September 2006 (online)

Mit großem Interesse haben wir den Mediquiz-Fall 2769 [3] gelesen. Zum präsentierten Fall haben wir aber einige Fragen und Einwände:

Entsprechend der Literatur und eigenen Beobachtungen sind der Apex und die laterale Wand des linken Ventrikels die hauptsächlichen Regionen, in denen linksventrikuläre Hypertrabekulierung/Noncompaction (LVHT) gefunden wird 5 11. Extrem selten sind das Septum und der linksventrikuläre Ausflusstrakt betroffen. In welchen Regionen, außer dem Septum interventriculare, hat sich LVHT noch nachweisen lassen? Die Abbildung zeigt einen auf LVHT verdächtigen Befund im linksventrikulären Ausflusstrakt. Unserer Meinung nach könnte es sich dabei differentialdiagnostisch auch um einen Artefakt, eine abortive Ruptur des interventrikulären Septums, ein intramyokardiales Hämatom oder um einen intramyokardialen Abszess handeln 7 10. Die letzte Differentialdiagnose wird durch die klinische Präsentation der Patientin - Sepsis, ausgehend von einer Infektion des Osteosynthesematerials einer vorausgehenden Nagelung des Oberarms - unterstützt. Wieweit wurden diese Differentialdiagnosen ausgeschlossen? Die Annahme, dass es bei LVHT zu einer erhöhte Embolieneigung kommt, ist zwar naheliegend, nach wie vor aber spekulativ. Pathoanatomische Studien haben gezeigt, dass ein intertrabekulärer Thrombus bei LVHT ein seltener Befund ist 9. Es gibt zwar Fallberichte über Schlaganfall und periphere Embolien bei Patienten mit LVHT, andererseits zeigen eine größere Nachbeobachtungsstudie und eine Fall-Kontroll-Studie keinen Hinweis auf erhöhte Embolieneigung 4 8. Nach derzeitiger Datenlage ist eine orale Antikoagulation bei Patienten mit LVHT nur dann indiziert, wenn gleichzeitig Vorhofflimmern oder eine schwere systolische Funktionsstörung vorliegen. Über eine Endokarditis bei einem LVHT-Patienten wurde unseres Wissens bisher nicht berichtet. Deswegen erscheint uns die generelle Empfehlung für eine Endokarditis-Prophylaxe bei LVHT übertrieben und nicht evidenz-basiert. LVHT als Folge einer embryonalen Fehlentwicklung ist eine von mehreren pathogenetischen Theorien, die alle bisher nicht bewiesen wurden. Da über Patienten berichtet wird, bei denen LVHT während des extrauterinen Lebens entstanden ist, ist allerdings die embryonale Entstehungs-Hypothese als alleinige Erklärung nicht mehr haltbar 1 2. Es ist anzunehmen, dass es sich bei LVHT vermutlich um die gemeinsame Endstrecke verschiedener pathogenetischer Prozesse handelt. LVHT ist in der Mehrzahl der Fälle mit neuromuskulären Erkrankungen assoziiert 6. Deswegen sollte eine neurologische Abklärung bei allen Patienten mit LVHT erfolgen. Hatte die präsentierte Patientin klinisch-anamnestisch Hinweise auf eine neuromuskuläre Erkrankung, und war sie neurologisch untersucht worden?

Uns überzeugen die gelieferten Informationen des Fallberichtes nicht davon, dass es sich tatsächlich um einen Fall mit LVHT handelt, weil 1. die Lokalisation im Septum interventriculare eine absolute Rarität darstellt und 2. andere, naheliegendere Differentialdiagnosen, wie ein myokardialer Abszess, nicht weiter in Betracht gezogen wurden. Darüber hinaus erscheint uns die Entscheidung, bei der Patientin mit oralen Antikoagulation zu beginnen und eine Endokarditis-Prophylaxe zu empfehlen, anfechtbar. Auf jeden Fall würde uns der weitere klinische Verlauf der Patientin sehr interessieren.

Literatur

  • 1 Finsterer J, Stöllberger C, Schubert B. Acquired left ventricular hypertrabeculation /noncompaction in mitochondriopathy.  Cardiology. 2004;  102 228-230
  • 2 Finsterer J, Stöllberger C. Spontaneous left ventricular hypertrabeculation in dystrophin duplication based Becker’s muscular dystrophy.  Herz. 2001;  26 477-481
  • 3 Müller C, Wipper J. Mediquiz. Was sehen Sie? Fall 2769.  Dtsch Med Wochenschr. 2005;  130 2897-2898
  • 4 Murphy R T, Thaman R, Gimeno Blanes J. et al . Natural history and familial characteristics of isolated left ventricular non-compaction.  Eur Heart J. 2005;  26 187-192
  • 5 Petersen S E, Selvanayagam J B, Wiesmann F. et al . Left ventricular non-compaction. Insights from cardiovascular magnetic resonance imaging.  J Am Coll Cardiol. 2005;  46 101-105
  • 6 Stöllberger C, Finsterer J, Blazek G. Left ventricular hypertrabeculation/noncompaction and association with additional cardiac abnormalities and neuromuscular disorders.  Am J Cardiol. 2002;  90 899-902
  • 7 Stöllberger C, Finsterer J, Waldenberger F R, Hainfellner J A, Ullrich R. Intramyocardial hematoma mimicking abnormal left ventricular trabeculation.  J Am Soc Echocardiogr. 2001;  14 1030-1032
  • 8 Stöllberger C, Finsterer J. Left ventricular hypertrabeculation/noncompaction and stroke or embolism.  Cardiology. 2005;  103 68-72
  • 9 Stöllberger C, Finsterer J. Thrombi in left ventricular hypertrabeculation/noncompaction - Review of the literature.  Acta Cardiol. 2004;  59 341-344
  • 10 Stöllberger C, Preiser J, Finsterer J. Candida sepsis with intramyocardial abscesses mimicking left ventricular noncompaction.  Eur J Echocardiogr. 2004;  5 76-78
  • 11 Stöllberger C, Winkler-Dworak M, Blazek G, Finsterer J. Age-dependency of cardiac and neuromuscular findings in left ventricular noncompaction.  Int J Cardiol. 2006;  111 131-135

Univ.-Prof. Dr. Claudia Stöllberger

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