Senologie - Zeitschrift für Mammadiagnostik und -therapie 2006; 3(3): 102-104
DOI: 10.1055/s-2006-949566
Aktuell diskutiert

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Bedeutung von Minimal Residual Disease von Mammakarzinompatientinnen - Neuigkeiten vom ASCO 2006

W. Janni1 , B. Rock1 , T. Fehm2 , E. Stickeler3 , H. Sommer1 , K. Friese1
  • 1Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Ludwig-Maximilians-Universtität München, Maistr. 11, 80337 München
  • 2Universitätsfrauenklinik Tübingen, Calwerstr.7, 72076 Tübingen
  • 3Universitätsfrauenklinik Freiburg, Hugstetterstr. 55, 79106 Freiburg
Further Information

Publication History

Publication Date:
06 September 2006 (online)

 

Insgesamt beschäftigten sich über 40 Beiträge auf dem ASCO 2006 mit dem Nachweis von minimalen Tumorresiduen im Knochenmark oder peripheren Blut. Wie in den Vorjahren, waren gerade Arbeitsgruppen aus dem europäischen und vor allem auch deutschsprachigen Raum auf diesem Forschungsgebiet sehr präsent.

In einer aktualisierten Auswertung der Bone Marrow Micrometastasis Collaborative Group zur internationalen Pooled Analysis wurde das Metastasierungsverhalten von 4686 Patientinnen mit bekanntem Knochenmarkstatus untersucht (Braun et al., Abstract # 567). Bei 1432 Patientinnen wurden zum Zeitpunkt der Primärdiagnose isolierte Tumorzellen im Knochenmark nachgewiesen. Bei jenen Patientinnen, bei denen im späteren Verlauf eine Fernmetastasierung auftrat, lag signifikant häufiger zum Zeitpunkt der Primärdiagnose ein positiver Knochenmarksbefund vor (49 vs. 26,0%, p < 0,001). Jene 462 Patientinnen mit einer bereits nachgewiesenen Fernmetastasierung und ursprünglich positivem Knochenmarkbefund wiesen eine signifikant erhöhte Inzidenzrate für eine multiple Organmetastasierung im Vergleich zu einer Oligometastasierung rein viszeraler (IRR 1,72; 95%CI, 1,36-2,18; p < 0,001) oder ossärer Natur auf (IRR 1,85; 95%CI 1,21-2,06; p = 0,001). Die Autoren kamen zu dem Ergebnis, dass der Nachweis von isolierten Tumorzellen im Knochenmark zum Zeitpunkt der Primärdiagnose auf ein erhöhtes Risiko für eine frühe multiple Organmetastasierung hinweist.

Während die prognostische Relevanz des Nachweises isolierter Tumorzellen zum Zeitpunkt der Primärdiagnose des Mammakarzinoms angesichts dieser überzeugenden Datenfülle internationaler Zentren unstrittig sein dürfte, wird die therapeutische Relevanz des Knochenmarkstatus in dieser Situation vermutlich auch in Zukunft limitiert bleiben. Da nahezu alle Brustkrebspatientinnen auf der Grundlage geltender Leitlinien bereits jetzt eine systemische Therapie erhalten, wird sich der Fokus des Nachweises von minimalen Tumorresiduen (MRD) zukünftig vermutlich auf den weiteren Verlauf der Erkrankung richten. Derzeit untersuchen drei Arbeitsgruppen (Oslo, Tübingen und München) die Bedeutung persistierender Tumorzellen im Knochenmark von Brustkrebspatientinnen. In einer gemeinsamen Analyse dieser drei Arbeitsgruppen konnte die unabhängige prognostische Bedeutung der Tumorzellpersistenz im Knochenmark bestätigt werden (Janni et al., Abstract # 10083). Dazu wurde bei 697 Patientinnen im Median 32,4 Monate nach Primärdiagnose eine Knochenmarkaspiration in Lokalanästhesie durchgeführt. Die Knochenmarkaspirate wurden immunzytochemisch mit Hilfe der monoklonalen Antikörpern A45-B/B3 (München, Tübing en), oder AE1 and AE3 (Oslo) untersucht. Bei 15,6% der Patientinnen gelang in dieser Situation der Nachweis von MRD und war signifikant mit einem höheren Risiko für das Auftreten von Fernmetastasen und eines krebsassoziierten Todes assoziiert. Die fernmetastasenfreie Zeit von Patientinnen mit einem negativen Knochenmarkstatus zum Zeitpunkt der Nachpunktion betrug 155,6 Monate (95%CI 142,4-168,9), im Vergleich zu 102,3 Monaten (95% CI 93,6-111,0, p < 0,0001, Log rank Test) bei Patientinnen mit persistierenden Tumorzellen im Knochenmark. Auch das Gesamtüberleben unterschied sich hochsignifikant (Abb. [1]).

Abb. 1 Gesamtüberleben in Abhängigkeit des Nachweises von persistierenden Tumorzellen im Rahmen einer Nachpunktion des Knochenmarks

In der multivariaten Cox-Regressions-Analyse bestätigte sich der KM-Status als stärkerer, signifikanter und unabhängiger Prognosefaktor für das weitere Überleben (RR 5,9, 95% CI 2,8-12,8, p < 0,0001), als der axilläre Nodalstatus zum Zeitpunkt der Primärdiagnose (RR 1,2, 95% CI 1,0-1,3, p = 0,014). Die Bedeutung dieser Ergebnisse könnte weit reichend sein: Sollten sich diese Daten bestätigen, würde man erstmals über ein funktionierendes Monitoringinstrument für die Nachsorge des Mammakarzinoms verfügen. Ein wesentlicher Nachteil für die klinische Implementierung der Methodik liegt allerdings sicherlich darin, dass das Knochenmark nur invasiv zugänglich ist, und die Reproduktion dieser Daten im peripheren Blut noch aussteht.

Die Arbeitsgruppen aus Tübingen und Heidelberg untersuchten zusätzlich die Prävalenz isolierter und apoptotischer Tumorzellen im Knochenmark nach einer primär-systemischen (neoadjuvanten) Chemotherapie. Während isolierte Tumorzellen bei 69% der Patientinnen ohne klinischem Ansprechen auf die neoadjuvante Chemotherapie im Knochenmark nachgewiesen wurden, war dies nur bei 47% der Patientinnen mit einer partiellen oder kompletten Remission der Fall (p < 0,05, Tab. 1, Fehm et al., Abstract # 654). Auch bei Patientinnen mit einer kompletten Remission wurden in 33% der Fälle nicht-apoptotische, also potenzielle zellteilungsfähige Tumorzellen detektiert. Grundsätzlich korrelierte der Nachweis apoptotischer Zellen aber mit Therapieansprechen nach primär-systemischer Therapie (Abb. [2]).

Abb. 2: Nachweis isolierter Tumorzellen im Knochenmark in Abhängigkeit vom Therapieansprechen auf eine primär-systemische Therapie

Wie in den Vorjahren beschäftigte sich eine Reihe von Arbeitsgruppen mit dem molekularen Nachweis von Tumorzellen im peripheren Blut. Die Arbeitsgruppe aus Heidelberg untersuchte an 278 Mammakarzinompatientinnen die Prävalenz und das molekulare Profil von zirkulierenden Tumorzellen im peripheren Blut (Fersis et al., Abstract # 20033). Nach einer immunmagnetischen Anreicherung mit EpCAM und MUC-1 wurde eine RT-PCR für tumorassoziierte Gentranskripte durchgeführt. Die KollegInnen konnten zirkulierende Tumorzellen in 18,5% der Patientinnen mit einem primären Mammakarzinom und in 41% der Patientinnen mit metastasiertem Brustkrebs nachweisen. MUC-1 wurde als der Marker mit der höchsten Prävalenz (81%) indentifiziert (Abb. [3]). Ohne Frage ist eine molekulare Methodik für den Nachweis von zirkulierenden Tumorzellen im peripheren Blut aufgrund ihrer hohen und adjustierbaren Sensitivität potenziell sehr gut geeignet. Der erwähnte Beitrag ist auch ein gutes Beispiel für die Möglichkeit der simultanen Charakterisierung der minimalen Tumorresiduen. Die bislang eher enttäuschenden Ergebnisse zu dieser Methodik im Knochenmark lassen allerdings offen, ob sich die hohen Erwartungen auch im Sinne einer prognostischen Relevanz bestätigen.

Abb. 3: Immunzytochemischer Nachweis von zirkulierenden Tumorzellen (CTC) im peripheren Blut beim primären Mammakarzinom

Erstmals wurden auch Daten aus einer großen deutschen Multizenter-Studie, der SUCCESS-Studie präsentiert. Isolierung und Quantifizierung zirkulierender Tumorzellen erfolgte anhand des CellSearch Systems (Veridex, USA). Nach immunomagnetischer Anreicherung mit einem Anti-Epcam-Antikörper wurden die Zellen mit floureszenzmarkierten Anti-Zytokeratin (8,18,19) (epithelialer Marker) und Anti-CD45-Antikörpern (Leukozytenmarker) markiert (Rack et al., Abstract # 20053). In einer ersten Analyse von 456 Patientinnen wurde bei 28% der Patientinnen zumindest eine epitheliale Zelle detektiert. Der Nachweis von zirkulierenden Tumorzellen zum Zeitpunkt korrelierte nicht mit konventionellen Tumorcharakteristika, wie Tumorgröße, Nodalstatus und histopathologischem Grading. Aufgrund der sehr dynamischen Rekrutierung der Studie werden schon bald Follow-up Daten erwartet.

Korrespondenzadresse:

PD Dr. med. Wolfgang Janni

I. Frauenklinik, München

Email: Wolfgang.Janni@med.uni-muenchen.de

    >