Senologie - Zeitschrift für Mammadiagnostik und -therapie 2006; 3(3): 105-112
DOI: 10.1055/s-2006-949567
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Brustkrebs-Screening in der Schweiz

C.J.M. de Wolf
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Publication Date:
06 September 2006 (online)

 

Ein nationales Mammographiescreening könnte die absolute Mortalität der Frauen um 0,5% reduzieren.

Infolge des zunehmenden Alters der Gesamtbevölkerung nimmt die Inzidenz von Krebserkrankungen weltweit zu. In Europa ist Brustkrebs nach Dickdarmkrebs die zweithäufigste Krebsform. Primärer, nicht metastasierter Brustkrebs ist keine tödliche Erkrankung. Entwickeln sich jedoch Fernmetastasen, so beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung noch zwei Jahre. Ein Screening ermöglicht die Erkennung von Brustkrebs in früheren Stadien, in denen sich häufig noch keine Metastasen gebildet haben. Bei Brustkrebs in frühen Stadien sind die Prognosen für das langfristige Überleben und die Lebensqualität viel besser.

Viele Länder haben bereits ein systematisches Brustkrebsscreening auf nationaler oder regionaler Ebene eingeführt. Diese Entwicklung wurde durch die Resolution des Europäischen Parlaments gefördert, welche die EU-Mitgliedstaaten dazu auffordert, allen Frauen der entsprechenden Altersgruppe den Zugang zu einem Mammographie-Screening zu ermöglichen. Im Jahr 2001 zog ein Cochrane-Review die Validität von Screening-Studien in Zweifel. Diese Behauptung wurde ein Jahr später von der internationalen Wissenschaftsgemeinschaft jedoch wieder verworfen. Die Mortalitätsrate aufgrund von Brustkrebs hat sich in Ländern mit langjährigen systematischen Mammographiescreenings deutlich gesenkt; dies belegt, dass die angestrebte und durch Studien belegte Reduktion der Mortalität im Rahmen der Routineversorgung möglich ist.

Jede Intervention im Gesundheitswesen hat unerwünschte Nebenwirkungen. Die am häufigsten beobachteten negativen Effekte beim Mammographiescreening sind falsch-positive Ergebnisse, nicht erkannte Tumore, Strahlendosis, zu häufige Diagnosen und psychische Nebenwirkungen wie Ängste. Mit Hilfe eines hochstehenden Qualitätssicherungsprogramms können diese negativen Wirkungen minimiert, nicht jedoch vollkommen eliminiert werden.

Brustkrebs ist in der Schweiz die Ursache für 8510 potenziell verlorene Lebensjahre in der Altersgruppe bis 70 Jahre. Dies ist der höchste Wert aller Mortalitätsursachen. Die meisten dieser durch Brustkrebs verlorenen Lebensjahre - im Durchschnitt 18,8 Jahre pro Patientin - betreffen die Altergruppe zwischen 50 und 69. In dieser Altersgruppe treten 36% aller durch Brustkrebs verursachten Todesfälle auf. Könnte man die Brustkrebsmortalität in dieser Altersgruppe um 25% senken, würden dadurch 120 Frauen pro Jahr gerettet.

Die internationale Literatur zeigt, dass das Mammographiescreening im Vergleich zu anderen Maßnahmen im Gesundheitswesen bezüglich der Kosten pro gewonnenes Lebensjahr günstig abschneidet. Die Kosten für ein nationales Screeningprogramm werden auf 50 Mio. CHF pro Jahr geschätzt, was 1‰ der Gesamtkosten des Gesundheitswesens entspricht. Ein nationales Screeningprogramm könnte die absolute Mortalität der Frauen um 0,5% reduzieren. In der heutigen medizinischen Versorgung hat keine andere Intervention einen derart hohen potenziellen Nutzen für die Gesundheit.

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