Jedem von uns ist mindestens ein Fall präsent, wo ein Patient fast zu Schaden gekommen
wäre, weil zum Beispiel das falsche Medikament verabreicht wurde oder die Dosis nicht
die Richtige war. Doch dies gilt nicht nur in den patientennahen Versorgungsstrukturen!
Auch in den sekundären Bereichen, wie beispielsweise der Verwaltung oder dem Technischen
Dienst, ist manchmal ein wenig Glück notwendig. Ist ein Lieferant ausgefallen, ein
Kunde insolvent oder eine Rohrleitung undicht geworden, merken das die Patienten meist
nicht unmittelbar. Die Krankenhäuser als Unternehmen verspüren die Folgen allerdings
deutlich.
Jüngste Studien zum Risikomanagement zeigen, dass in vielen Kliniken jedoch allenfalls
klinische Risiken eine Rolle spielen. Risikomanagement ist aber mehr! Allein schon
wegen der gravierenden Veränderungen im Gesundheitsmarkt müssen Krankenhäuser zunehmend
externe, strategische Risiken berücksichtigen. Die Einführung des neuen Vergütungssystems
nach den DRG-Richtlinien (DRG = "diagnosis related groups"), das Expansionsstreben
von Klinikketten und die neuen Möglichkeiten zu alternativen Versorgungsformen enthalten
auch eine Vielzahl von betriebswirtschaftlichen Risiken.
Was braucht ein funktionierendes Risikomanagementsystem?
Was braucht ein funktionierendes Risikomanagementsystem?
Nach der bei Sana verwendeten Definition ist Risiko "die Gefahr, dass Ereignisse,
Entscheidungen und Handlungen das Unternehmen daran hindern, definierte Ziele zu erreichen
bzw. Strategien erfolgreich zu realisieren". Unternehmerisches Handeln - hier geht
es in erster Linie um den Betrieb von Krankenhäusern, aber auch um die Führung von
Dienstleistungsgesellschaften und zentralen administrativen Bereichen - ist notwendigerweise
mit Risiken verbunden. Diese dürfen nur unter Berücksichtigung der erforderlichen
Kontroll- und Steuerungsmaßnahmen eingegangen werden, wobei strikt darauf zu achten
ist, dass keine Handlung oder Entscheidung ein für das Unternehmen existenzgefährdendes
Risiko nach sich zieht.
Ziel eines solchen Risikomanagementsystems ist es,
-
Risiken der Geschäftstätigkeit frühzeitig zu identifizieren
-
die Konsequenzen aus der Übernahme von Risiken zu erkennen
-
potenziell erfolgsgefährdende Risiken zu steuern
-
existenzgefährdende Risiken zu vermeiden
-
die erfassten Risiken kontinuierlich zu überwachen.
Hierfür ist ein leistungsfähiges und zuverlässiges Risikoreporting unabdingbar.
Bei großen Klinikketten wie der Sana sind dezentral tätige Risikomanagement-Beauftragte
eingesetzt, die in den Krankenhäusern die Aktivitäten zum Risikomanagement (z.B. Reporting,
Workshops) koordinieren. Auf Unternehmensebene werden alle risikorelevanten Daten
geprüft, verdichtet, ausgewertet und regelmäßig der Geschäftsführung berichtet. Als
zentrale Kontroll-, Steuerungs- und Überwachungsinstanz sowohl für klinische als auch
für betriebswirtschaftliche Risiken gibt es einen interdisziplinär besetzten Risikomanagement-Ausschuss.
Mit klinischem Risikomanagement Kosten sparen
Mit klinischem Risikomanagement Kosten sparen
Das klinische Risikomanagement ist nichts grundsätzlich Neues, sondern ein Teil des
Qualitätsmanagements, dem auch aufgrund der Entwicklung der Haftpflichtschäden im
Krankenhauswesen besondere Bedeutung zukommt. Im Allgemeinen versteht man darunter
ein Präventionssystem, das Risiken bei der Patientenversorgung reduzieren soll und
die ständige Verbesserung der Behandlungsqualität und der Patientensicherheit fördert.
Daneben dient es auch der Abwehr ungerechtfertigt gestellter Ansprüche von Patienten
gegenüber dem Krankenhaus.
Bei der Sana setzen wir im Rahmen des klinischen Risikomanagements unter anderem Prozess-
und ablauforientierte Risikoanalysen, die Zertifizierung nach KTQ®, das Bewertungsverfahren
nach EFQM ("European Foundation of Quality Management"), ein Beschwerdemanagement
sowie Patientenzufriedenheits- und Mitarbeiterbefragungen als Techniken ein. Ebenfalls
führen wir Befragungen von einweisenden Ärzten durch. In einigen Krankenhäusern existiert
bereits ein "Critical Incident-Reporting System" (CIRS), das neben der Analyse von
tatsächlich eingetretenen Behandlungsschäden als das wichtigste Instrument zur Verbesserung
der Behandlungsabläufe gilt.
Klar ist, je mehr Beinahefehler und -ereignisse in einem Krankenhaus erfasst werden,
desto mehr Schwachstellen im System lassen sich beseitigen und desto weniger echte
Fehler entstehen! Damit erhöht sich die Patientensicherheit, die Senkung der Haftpflichtschadensfälle
führt gleichzeitig zu geringeren Behandlungskosten, denn jede Komplikation kostet
Geld! Insofern beeinflusst also das klinische Risikomanagement auch die betriebswirtschaftliche
Situation der Krankenhäuser, erfüllt eine zentrale Rolle für das Risikomanagement
insgesamt und darf im Krankenhaus keinesfalls ausgeblendet werden.
Betriebswirtschaftliches Risiko geht auch Klinikärzte an
Betriebswirtschaftliches Risiko geht auch Klinikärzte an
Vielleicht mehr als ihm lieb ist hat ein Klinikarzt jedoch auch mit dem betriebswissenschaftlichen
Risikomanagement zu tun - jedenfalls dann, wenn unerkannte Risiken auftauchen oder
nicht wirksam abgebaut werden und eventuell sogar die Existenz des Krankenhauses infrage
gestellt ist. Denn es gilt der Grundsatz, nur wenn es dem Unternehmen, also dem Krankenhaus,
gut geht, geht es auch - auf Dauer - seinen Ärzten gut.
Das betriebswirtschaftliche Risikomanagement setzt bei den bereits vorhandenen Organisationsstrukturen
an und nutzt die fachspezifischen Kompetenzen in den einzelnen Unternehmensbereichen,
zum Beispiel dem Finanzwesen oder der Logistik. Es soll die einzelnen Systeme verzahnen,
die Erkenntnisse bündeln und zusammenfassend auswerten.
Wesentliche Risikofelder im Krankenhaus sind
-
die externen Risiken (z.B. das politisch-rechtliche Umfeld)
-
leistungswirtschaftliche Risiken (u.a. aus dem klinischen Risikomanagement)
-
Risiken aus der Finanzwirtschaft (z.B. die sicherzustellende Liquidität des Krankenhauses)
-
Risiken aus der Qualität von Management und Organisation.
Konkrete Risikosituationen können sich auch aus den oft rückwirkend abgeschlossenen
Budgetvereinbarungen mit den Kostenträgern ergeben. Gerade dem Klinikarzt sind die
bei vielen Krankenhäusern vorhandenen Risiken aus einem bestehenden Investitions-
und Instandhaltungsstau präsent.
Da aufgrund der veränderten Eigenkapitalrichtlinien für Banken (Basel II) die Kosten
für Kapitalmarktdarlehen steigen, können nicht alle Krankenhäuser die notwendigen
Investitionen selbst tätigen, wenn Fördermittel nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung
stehen. Für Krankenhäuser in strukturschwachen Regionen besteht ein zusätzliches,
eventuell erhebliches Risiko: die demografischen Veränderungen. Dies macht deutlich:
Nur wenn der im Krankenhaus tätige Arzt die betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge
und Risiken kennt, kann er sich aktiv an der Gestaltung der Risikofelder in seinem
Umfeld beteiligen.
Etablieren Sie eine Risikokultur
Etablieren Sie eine Risikokultur
Die Erfahrung zeigt, dass in den Krankenhäusern eine sehr heterogene Risikokultur
existiert. Ein fest verwurzeltes Risikobewusstsein ist noch nicht bei allen Mitarbeitern
anzutreffen. Zum Glück werden in immer mehr Krankenhäusern, Kliniken oder Stationen
aufgetretene Fehler und Missstände offen kommuniziert und gemeinsam Lösungswege gesucht.
Ein offener Umgang mit Fehlern führt in der Regel zu besseren Ergebnissen und zur
Optimierung von Prozessen.
Nur Mitarbeiter, die frei von Angst vor persönlichen Repressalien sind, äußern jedoch
ihre fundierte Meinung zu Missständen und aufgetretenen Fehlern offen und füllen so
ein lernendes Risikomanagementsystem mit Leben. Jeder Einzelne im Krankenhaus ist
aufgefordert, auf Risiken hinzuweisen und zu ihrer Vermeidung beizutragen. Vor allem
die Führungskräfte in Medizin und Management müssen hier ihrer Vorbildfunktion und
Verantwortung für das Unternehmen Krankenhaus gerecht werden.
Um zu verhindern, dass von Mitarbeitern erkannte Gefahrenpotenziale aus Sorge um ihren
Arbeitsplatz oder ihre Karriere nicht offen kommuniziert werden, kann es sinnvoll
sein, in den Krankenhäusern Strukturen und Instrumente zu schaffen, Risikomeldungen
auch anonym abgeben zu können.
Beinaheschäden entstehen natürlich nicht nur im medizinischen Bereich, sondern können
überall im Krankenhaus auftreten. Deshalb stellt sich die Frage, ob die vorhandenen
oder geplanten Critical-Incident-Reporting-Systeme nicht auf das gesamte Krankenhaus
ausgedehnt werden sollten. Unternehmen, die an einer US-amerikanischen Börse notiert
sind, müssen bereits seit Jahren aufgrund des Sarbanes-Oxley-Act Hotlines schalten,
um allen Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, die Geschäftsleitung direkt auf Missstände
aufmerksam zu machen ("Ethics-Lines"). Ein Krankenhaus, das eine offene Informationskultur
pflegt, wird ein solches System aber wohl nicht benötigen.
Ganzheitliches Risikomanagement
Ganzheitliches Risikomanagement
Nur ein ganzheitliches Risikomanagement, bei dem alle Mitarbeiter an einem Strang
ziehen, trägt zu einer sicheren und wirtschaftlich effektiven Unternehmensführung
bei. Es gilt, einen umfassenden strategischen Risikomanagementansatz mit Fokussierung
auf langfristige Bestandssicherung zu fördern, nicht zuletzt vor dem Hintergrund von
notwendigen Kooperationen und von Vernetzung. Wichtig ist die Integration aller potenziellen
internen und externen Risiken und eine ausgeprägte Kundenzentrierung, die Patienten
und Mitarbeiter gleichermaßen einschließt.
Wer von uns würde gern in ein Krankenhaus gehen, wo er Gefahr läuft, wegen eines defekten
Handlaufes auf der Treppe zu stürzen, das falsche Medikament verabreicht zu bekommen
oder im Notfall die "Klingel" nicht bedienen zu können? Es sind oft die einfachen,
die kleinen Schritte oder Maßnahmen, welche die Unternehmenskultur prägen und verbessern.
Zeigt ein Krankenhaus mit einem funktionierenden Risikomanagementsystem, dass es alles
für die Sicherheit der Patienten tut, wird es in der Zukunft auch einen Marketingvorteil
im härter werdenden Wettbewerb zwischen den Krankenhäusern haben.
Ein ganzheitliches Risikomanagement ist notwendig, es ist Teil der Existenzsicherung
der Krankenhäuser und betrifft deshalb den Klinikarzt unmittelbar. Wer in diesen Bereich
investiert, wird langfristig erfolgreich bleiben.
Dr. R. Schwarz, Geschäftsführung Sana Kliniken, München