Rofo 2006; 178(9): 833-837
DOI: 10.1055/s-2006-950475
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Röntgenmorphologie von diffusen Lungenhämorrhagien

Imaging Features of Diffuse Pulmonary HemorrhageM. Schmit, W. Vogel, M. Horger
  • Tübingen
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05 September 2006 (online)

 

Die Ätiologie pulmonaler Hämorrhagien ist vielseitig und die Erstellung einer spezifischen Diagnose kann sich als sehr schwierig erweisen. Das konventionelle Röntgenthoraxbild ist meistens nicht wegweisend und Patienten mit hämorrhagisch bedingter Anämie zeigen im klinischen Verlauf oft keine Hämoptysen.

Diffuse pulmonale Hämorrhagien (DPH) sollten möglichst von fokalen pulmonalen Hämorrhagien unterschieden werden. Letztere entstehen meist als Folge einer chronischen Bronchitis, von Bronchiektasen, einer aktiven Infektion (z.B. Tuberkulose), einer Neoplasie, eines Traumas oder einer Lungenembolie [[1]]. Je nach Ätiologie kann man die diffusen pulmonalen Hämorrhagien in 4 Gruppen unterteilen:

DPH ohne Nierenbeteiligung. Hierzu zählt man diathetische Blutungen bei Leukämien (Abb. 1a, b), Hämorrhagien unter Antikoagulanzientherapie, Thrombozythopenien (Abb. 2a, b), die disseminierte intravasale Gerinnung, Blutungen bei Mitralklappenstenose, die idiopathische pulmonale Hämosiderose, das Churg-Strauss-Syndrom sowie medikamentöse Ursachen (z.B. D-Penicillamine, Abciximab, Propylthiouracil, Amiodaron, Nitrofurantoin). Abb. 1a, b Konventionelle Röntgenthoraxaufnahme (PA) und HRCT der Lunge bei einer Patientin mit Thrombopenie nach HD-Therapie wegen eines high-grade NHL. Fleckige, konfluierende Lungenparenchymverdichtungen bilateral mit diskreter Aussparung der Peripherie sind zwar unspezifisch, suggerieren allerdings in dem gegebenen klinischen Kontext in Zusammenschau auch mit der Klinik (Hämoptysen) eine diffuse Lungenhämorrhagie. Die HRCT bietet ein Mischbild, bestehend aus milchglasartigen Verschattungen, "crazy paving" und Konsolidierungen an. Abb. 2a, b Diffuse pulmonale Hämorrhagie bei einem Patienten mit idiopathischer thrombozytopänischer Purpura (ITP). Das Röntgenthoraxbild und die HRCT ähneln denen in den Abb. 1a und b. Die Verteilung der Hämorrhagie ist in diesem Fall ebenfalls symmetrisch, mit Befall vorwiegend des Lungenkerns. DPH mit Nierenbeteiligung. Zu dieser Gruppe gehören die systemischen Vaskulitiden (M. Wegener, Purpura Henoch- Schönlein, M. Behçet, SLE, Polyarteritis nodosa, Abb. 3, 4) sowie das Goodpasture Syndrom [2]. Abb. 3 HRCT der Lunge (nativ). Nachweis einzelner fokaler, milchglasartiger Lungenparenchymverdichtungen (ground glass opacity = GGO) als Hinweis auf eine beginnende Lungenhämorrhagie im Zusammenhang mit einer Vaskulitis bei SLE. Abb. 4a, b Röntgenthorax (AP) und HRCT der Lunge bei einer Patientin mit massiven Hämoptysen und Atemnot bei neu diagnostizierter Wegener-Vaskulitis. Diffuse bilaterale Lungenparenchymkonsolidierungen lassen sich erkennen. Auch in diesem Fall sind die Lungenverschattungen vorwiegend zentral im Lungenkern lokalisiert. Hämorrhagische Pneumonien werden u.a. durch CMV, Herpesviren sowie durch die angioinvasive Aspergillose verursacht (Abb. 5)[3]. Abb. 5 HRCT der Lunge bei einem Patienten mit bekannter invasiver pulmonaler Aspergillose. Diffuse GGO im rechten Lungenoberlappen (weißer Pfeil), in der Nähe eines Aspergilloseherdes. Ein weiterer umschriebener nodulärer Aspergilloseherd lässt sich im linken Oberlappen erkennen. Alveoläre Hämorrhagien bei Empfängern hämatopoetischer Stammzellen (HSZ) sowie nach Knochenmarktransplantationen (KMT) (Abb. 6). Abb. 6 HRCT der Lunge mit Darstellung von mehrere Tage alten Lungenparenchymverdichtungen bei diffuser Hämorrhagie kurz nach einer allo-HSZ.

Patienten mit hämorrhagischen Komplikationen unter Antikoagulanzien stellen in der Regel für die Diagnostik keine Herausforderung dar. Empfänger hämatopoetischer Stammzellen dagegen zeigen häufig pulmonale Komplikationen, ungefähr 30-60% der Empfänger entwickeln sowohl infektiöse als auch nichtinfektiöse Komplikationen [[4]]. Obwohl pulmonale Hämorrhagien durch Infektionen verursacht werden können, sind die meisten DPH in der frühen Posttransplantationsphase nichtinfektiöser Genese. Die Inzidenz von DPH variiert je nach Autor zwischen 1 und 21% bei Empfängern autologer HSZ und zwischen 2 und 17% bei Empfängern allogener HSZ, bei intensivpflichtigen Patienten liegt die Inzidenz sogar bei über 40%. Bei der Pathogenese der initialen Lungengewebsverletzung scheinen Bestrahlung, Hochdosischemotherapie sowie okkulte, nicht bekannte Infektionen eine Rolle zu spielen.

Untersuchungen bei Autopsien haben gezeigt, dass bei HSZ-Empfängern mit DPH vaskuläre Anormalitäten in Form von Endothelschwellungen und Thromben vorlagen. Bei Patienten mit systemischer Vaskulitis stellt die diffuse Lungenhämorrhagie oft die erste Manifestation der Erkrankung dar. Weitere häufige Ursachen für pulmonale Hämorrhagien diffuser oder fokaler Art sind posttraumatische Lungenverletzungen mit konsekutiver Einblutung (Abb. [7]) und die iatrogen induzierten Hämorrhagien, z.B. infolge von Lungenbiopsien (Abb. [8]). Auch Lungenmetastasen bestimmter Tumorentitäten (z.B. Keimzelltumoren, Sarkome) neigen im Verlauf zu spontanen Lungeneinblutungen (Abb. [9]), die in der Regel jedoch einen eher fokalen Charakter aufweisen. Manchmal bleibt dabei die Genese jedoch ungeklärt, denn auch die Chemotherapie kann das Auftreten pulmonaler Hämorrhagien begünstigen (Abb. [10a], [b]).

Abb. 7 Koronare Rekonstruktion einer MDCT der Lunge. Nachweis einer posttraumatischen Hämorrhagie im rechten Lungenunterlappen mit Bildung von kleinen Pneumatozellen (schwarzer Pfeil). Kleinere Lungeneinblutung lassen sich auch in der kontralateralen Lunge erkennen.

Abb. 8 HRCT (Pronation). Fokale Lungenparenchymhämorrhagie sekundär einer Lungenbiopsie bei V.a. Bronchialkarzinom. Typische milchglasartige Verdichtungen in Nachbarschaft der Biopsiestelle.

Abb. 9 Diffuse Lungeneinblutung in den rechten Unterlappen aus verschiedenen hämorrhagischen Lungenmetastasen bei einem Patienten mit Chorionkarzinom.

Abb. 10a, b Patientin mit metastasiertem Ewing-Sarkom (Abb. 10a, rechts im Bild). 2 Wochen später diffuse neu aufgetretene Lungenhämorrhagie mit fulminanten Hämoptysen vermutlich therapieinduziert (Abb. 10b).

Literatur

  • 01 Witte RJ . Gurney JW . Robbins RA . Linder J . Rennard SI . Arneson M . Vaughan WP . Reed EC . Dicke KA . Diffuse pulmonary alveolar hemorrhage after bone marrow transplantation: Radiographic findings in 39 patients.  AJR Am J Roentgenol. 1991;  157 461-464
  • 02 Primack SL . Miller RR . Muller NL . Diffuse pulmonary hemorrhage: Clinical, pathologic, and imaging features.  AJR Am J Roentgenol. 1995;  164 295-300
  • 03 Franquet T . Muller NL . GimÚnez A . Domingo P . Plaza V . Bordes R . Semiinvasive Pulmonary Aspergillosis in Chronic Obstructive Pulmonary Disease: Radiologic and Pathologic Findings in Nine Patients.  AJR Am J Roentgenol. 2000;  174 51-56
  • 04 Hsu BY . Edwards DK . Trambbert MA . Pulmonary hemorrhage complicating systemic lupus erythematosus: Role of MR imaging in diagnosis.  AJR Am J Roentgenol. 1992;  158 519-520
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