Zentralbl Chir 2006; 131(6): 483-492
DOI: 10.1055/s-2006-955451
Originalarbeiten und Übersichten

© J. A. Barth Verlag in Georg Thieme Verlag KG

Gibt es relevante Mindestmengen in der unfallchirurgischen und orthopädischen Chirurgie?

Are There Relevant Minimum Procedure Volumes in Trauma and Orthopedic Surgery?U. Schulze Raestrup 1 , R. Smektala 2
  • 1Geschäftsstelle Qualitätssicherung, Regionalvertretung Westfalen-Lippe, Münster
  • 2Chirurgische Universitätsklinik Bochum, Unfallchirurgie, Knappschaftskrankenhaus, In der Schornau 23-25, 44892 Bochum
Further Information

Publication History

Publication Date:
08 January 2007 (online)

Preview

Zusammenfassung

Einleitung: Zur Verbesserung der Versorgungsqualität wird die Einführung von Mindestmengen zur Zeit kontrovers diskutiert. Dabei stellt sich die Frage, ob aus den Daten der Externen Qualitätssicherung Ergebnisse abgeleitet werden können, die die Einführung von Mindestmengen rechtfertigen. Methode: Die Auswertung wurde für die Knie-Totalendoprothese (Knie-TEP) und für die Schenkelhalsfraktur (SHF) durchgeführt. Für die Beurteilung der Knie-TEP konnten 31.657 Datensätze aus Nordrhein-Westfalen (2002/2003) herangezogen werden. Für die SHF wurden die Datensätze der externen Qualitätssicherung der Ärztekammer Westfalen-Lippe (1993-2000) und die Daten, die zwischen 2001-2004 im Rahmen des BQS-Verfahrens in Westfalen-Lippe erhoben wurden, zusammengeführt. Insgesamt konnten 49.928 Fälle ausgewertet werden. Zu analysieren waren Fragen nach dem Zusammenhang von Fallzahl und Ergebnisqualität. Ergebnisse: Für die allgemeinen Komplikationen, wie kardiovaskuläre Komplikationen, Pneumonien, Lungenembolien und Thrombosen, kann bei der Knie-TEP kein Zusammenhang zwischen Ergebnisqualität und Fallzahl postuliert werden. Hingegen sind spezifische Komplikationen nach Knie-TEP (Wundinfektionen, Abszesse, Hämatome und Nachblutungen) bei Kliniken mit hohen Fallzahlen nachweislich seltener. Dieser in der Gesamtgruppe zu verzeichnende Trend kann bei der Betrachtung einzelner Kliniken gegenläufig erscheinen. Bei den Ergebnissen der SHF konnte kein Zusammenhang nachgewiesen werden. Diskussion: Im Einklang mit der Literatur kann ein Zusammenhang zwischen Ergebnisqualität und Operationsvolumen bei der Knie-TEP angenommen werden. Aus den vorliegenden Ergebnissen lässt sich aber kein Schwellenwert ableiten. Weiterhin wird diskutiert, ob die Einführung der Mindestmengen ökonomisch motiviert sein könnte und welche Auswirkung die Mindestmengen auf die Versorgungsstruktur haben könnte. Letztlich wird erörtert, ob die DRGs nicht ohnehin eine Leistungskonzentration zur Folge haben, die eine Einführung der Mindestmengen überflüssig macht.

Abstract

Introduction: The introduction of minimum surgical volumes aimed at improving the quality of care is currently the subject of controversial debate. One relevant issue is whether the data from external quality assurance can be used to predict outcomes that justify the introduction of minimum surgical volumes. Method: Analysis was carried out on the procedures total knee replacements (arthroplasties) (TKA) and femoral neck fractures (FNF). A total of 31,657 data records from North Rhine Westphalia (2002/2003) were included in TKA evaluation. The data records provided by the External Quality Assurance Department of the General Medical Council, Westphalia Lippe (from 1993 to 2000) were merged with data compiled between 2001 and 2004 by the German National Quality Assurance Center (BQS) in a survey conducted in North Rhine Westphalia. A total of 49,928 cases were analyzed. The analysis aimed to determine any connections between number of cases and outcome quality. Results: No connection between outcome quality and number of cases was postulated for TKA in terms of general complications such as cardiovascular events, pneumonia, pulmonary embolism and thrombosis. By contrast, the incidence of specific complications secondary to TKA (wound infections, abscesses, hematomas and postoperative bleeding) was much rarer in hospitals with high case volumes. The trend noted in the overall group may appear a contrary one when the individual departments and hospitals are considered. No connection was established for FNF outcomes. Discussion: In line with reports in the literature, it can be presumed that a connection exists between outcome quality and surgical volume for TKA. However, no threshold value can be deduced on the basis of current outcome data. Debate continues as to whether the introduction of minimum surgical volumes might be economically motivated and how minimum surgical volumes might impact healthcare structures. Lastly, it is discussed whether or not diagnostic related groups (DRG) inherently lead to a concentration of services that would make the introduction of minimum surgical volumes superfluous.

Literatur

1 Die Odds Ratio (OR) ist ein Parameter, der Werte zwischen 0 und unendlich annehmen kann und sich aus der epidemiologischen Forschung herleitet. Ist OR=1, so sind die Chancen eines bestimmten Effekts (z. B. einer Erkrankung) unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer Gruppe (z. B. zu einer exponierten Gruppe vs. einer nicht exponierten Gruppe). Wird OR>1, so ist die Chance, dass der Effekt auftritt, in der Untersuchungsgruppe größer als in der Referenzgruppe und es wird ein negativer Einfluss postuliert. Im Fall, dass OR<1, muss von einem positiven Einfluss für die untersuchte Gruppe ausgegangen werden.

Korrespondenzadresse

Dr. med. Dr. PH. Ulrich Schulze Raestrup

Geschäftsstelle Qualitätssicherung

Regionalvertretung Westfalen-Lippe

Gartenstraße 210-214

48147 Münster