Notfall & Hausarztmedizin 2006; 32(10): 496-497
DOI: 10.1055/s-2006-956956
Medizin & Internet

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

US-”Standard” bald erreicht

Ärztliche Internetnutzung in EuropaRainer H. Bubenzer
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Rainer H. Bubenzer

Hamburg

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Publication Date:
27 November 2006 (online)

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Globalisierung bedeutet aus Sicht vieler Wirtschaftsanalysten vor allem eines - Amerikanisierung. Auch in dem zweitgrößten Wirtschaftszweig - dem Gesundheitssystem - wird dies seit Jahren immer deutlicher. Der Blick über den Atlantik zeigt deshalb - ob gewollt oder nicht - in vielen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen unsere eigene Zukunft. In den USA und Europa durchgeführte Marktanalysen haben deshalb auch immer den Charakter von Zukunftsforschung (zumindest was Europa anbelangt). Ein sehr aktives Marketingunternehmen für Informationen und Dienstleistungen im Gesundheitswesen analysiert dabei schwerpunktmäßig die Internetnutzung bei Ärzten. Und zwar nicht allein US-amerikanischer Ärzte, sondern auch ihrer europäischen Kollegen. Dabei zeigen sich zwar immer noch Nutzungsunterschiede, doch wird der Nachholbedarf in der europäischen Ärzteschaft allmählich geringer, finden die Analysten von Manhattan Research LLC.

Manhattan Research hat im Mai neue Trends unter europäischen Fach-/Ärzten in Deutschland, Spanien, Italien, Frankreich und Großbritannien veröffentlicht. Die länderspezifischen Einsichten und Daten stützen sich auf die umfassende, per Telefon durchgeführte Forschungsstudie „Taking the Pulse Europe”, an der mehr als 1000 praktizierende europäische Ärzte teilgenommen haben. Eine kostenlose Ausgabe des Weißbuchs mit dem Titel „Taking the Pulse Europe: Opportunities for Physician Marketing in the Networked Economy” sowie eine zum Herunterladen zur Verfügung stehende Webcast-Zusammenfassung sind online verfügbar [1] [2]. Außer übergreifenden Einsichten in die wichtigsten Märkte Europas bietet Manhattan Research jetzt auch länderspezifische Segmentierungen. „Aufgrund des Interesses unserer globalen Kunden, ihr Zielpublikum in der Ärzteschaft auf regionaler und nationaler Ebene zu akquirieren und zu halten, haben wir unsere Forschungsbasis noch weiter ausgeweitet”, sagte Joe Farris, Chief Operating Officer bei Manhattan Research, in einer Pressemitteilung der Firma. Und weiter: „Obwohl die große Mehrheit der Ärzte in Europa bereits Internetzugang besitzt, sehen wir weitere einzigartige strategische Möglichkeiten, die hauptsächlich durch kulturelle Unterschiede und Technologieangebote auf Länderebene entstehen. Einfacher gesagt: Eine Imitation des amerikanischen Systems auf europäischen Märkten funktioniert nicht.” Ob dies so ist, mag dahingestellt sein. Auch wenn die vorgelegte Studie vorwiegend aktuelle Marketing-Optionen der Industrien verdeutlichen soll, gibt sie gleichzeitig einen tiefen Einblick in den - wie auch immer bedingten - tiefen Strukturwandel ärztlichen Arbeitens über die vergangenen 15 „Internet-Jahre”.

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Umfrage-Ergebnisse Europa [3]

84 % der europäischen Ärzte nutzen täglich das Internet (beruflich oder privat bedingt). Überwiegend sind die Zugriffe professionell begründet, zum Beispiel die Nutzung von Online-Fachzeitschriften oder von Angeboten der Fachgesellschaften, Suche in Fachliteratur-Datenbanken oder Informationsbeschaffung hinsichtlich verordnungspflichtiger Arzneimittel.

86 % der befragten Ärzte in Europa haben einen Internet-Zugang in Praxis oder Büro. Über 2/3 aller Ärzte nutzen elektronische Patientenakten.

Ein Drittel der europäischen Ärzte haben mobile PCs oder vergleichbare digitale Geräte. Zumeist, um berufsbezogene Aktivitäten zu erledigen, zum Beispiel Terminvereinbarungen, Arzneimittel-Auskunft, klinische Anmerkungen oder Onlinelesen von Fachartikeln. Mit zunehmender Weiterentwicklung dieser Geräte wird der noch restriktive Gebrauch auch während der Konsultation zunehmen.

Weniger als ein Viertel der Ärzte berichten von E-Mail-Kommunikation mit ihren Patienten (in Deutschland überhaupt nicht zulässig), immerhin ein Drittel kommuniziert mit pharmazeutischen Unternehmen per E-Mail.

Globale Pharma-Websites werden von fast jedem zweiten befragten europäischen Arzt besucht. Am häufigsten besucht sind die Sites von Pfizer, AstraZeneca, Novartis, GSK, Johnson & Johnson, Sanofi-Aventis, Merck, Roche, Bayer, Lilly und Bristol-Myers Squibb.

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Angaben differieren von Land zu Land

Alle Angaben differieren von Land zu Land, wobei die Internet-Nutzung in Deutschland und Großbritannien am weitesten fortgeschritten ist, sowohl was den Zugang als auch die Nutzungshäufigkeit angeht. Deutschland unterscheidet sich jedoch von den USA oder UK hinsichtlich der unterdurchschnittlichen Geschwindigkeit der Internet-Anschlüsse.

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Hochgerechnete US-Befragungsergebnisse

Grundlage: >1200 Telefoninterviews. American Medical Association, 2004: 853187 Ärzte in den USA) [4]

  • 579000 US-Ärzte haben bereits Hochgeschwindigkeitszugang in der Praxis oder zu Hause und in der Praxis. 142000 Ärzte nutzen sogar während der Konsultation das Internet. Immer mehr Praxen sind hinsichtlich der Patientenakten oder der Verordnung vollständig digitalisiert.

  • 610000 Ärzte nutzen Suchmaschinen, um medizinische Informationen zu finden. Obwohl dabei Google und Yahoo die klaren Marktführer sind, haben viele Ärzte eine geteilte Meinung hinsichtlich Relevanz und Befriedigung mit den Suchmaschinen-Ergebnissen. Obwohl die Allgemein-Suchmaschinen grundlegend für die Informationssuche sind, bleiben führende Arztportale wie MedScape (www.medscape.com), Merck Medicus (www.merckmedicus.com) oder UpToDate (www.uptodate.com) bedeutsame, täglich oder wöchentlich genutzte Quellen praktizierender Ärzte.

  • 333000 US-Ärzte nutzen mobile elektronische Computer, seien es PDAs, Smartphones mit PDA oder Tablet-PCs. Knapp 40 % der Befragten haben auch einen portablen, digitalen Musikplayer ... (Entspannung tut schließlich auch not!).

  • Ein großer Anteil der US-Ärzte, hochgerechnet 487000, sind Nutzer „neuer Digital-Medien”, worunter auch Streaming-Video, herunterladbare Ton-Dateien oder Blogs verstanden werden. Selbst wenn viele der „neuen Medien” noch in den Kinderschuhen stecken - zum Beispiel internetbasierte Konferenzsysteme - ist der Anteil ärztlicher Nutzer nicht unerheblich und zeigt das hohe Interesse dieses Berufskreises an High-Tech in Bereichen wie Informationsbeschaffung und Kommunikation.

  • Rund 481000 US-Ärzte wünschen sich - hochgerechnet - mehr Möglichkeiten für elektronische Interaktion mit pharmazeutischen Firmen und vor allem Kundendienst-Portale. Mehr als 10 % der Ärzte verzichten zugunsten solcher Optionen schon jetzt aktiv auf den Besuch von Außendienstmitarbeitern.

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Literatur

  • 1 New Study Tracks Physician Internet Usage in Germany, France, Spain, Italy and the UK - Manhattan Research Offers White Paper and Webinar Revealing Strategic Insights. New York, 24.5.2006 (Pressemitteilung).  www.manhattanresearch.com/files/PRESS/European_Physicians_052406.pdf .
  • 2 Weißbuch zu „Taking the Pulse Europe” (nur nach Registrierung), Vortrag als Webcast (26 MB, ohne Registrierung).  www.manhattanresearch.com/euphysicians.aspx .
  • 3 Alexander E. The Top Five European Physician Online Trends in 2006, New York, 15.2.2006 (Pressemitteilung).  www.manhattanresearch.com/newsroom/Press_Releases/01252006.aspx .
  • 4 Taking the Pulse 2006: Physician Tech Trends (Pressemitteilung).  www.manhattan research.com/files/PRESS/Taking_the_Pulse _041906.pdf .
  • 5 Studienmethodik „Taking the Pulse”.  www.manhattanresearch.com/files/PRESS/Taking_the_Pulse_Europe_Brochure.pdf .
  • 6 Krüger-Brand HE. Studie - „European Physicians and the Internet”: Der Einfluss des Internets wächst. Deutsches Ärzteblatt 100, Ausgabe 20 vom 16.5.2003, Seite A-1326 / B-1110 / C-1038 (Analysen aus 2003).  www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=heft&id=36941 . ; 
  • 7 Niles S. Lost in the Blog. MedAdNews 12 (7), Juli 2006 (Pharmazeutische Unternehmen und ihre Probleme mit Neuen Medien).  www.pharmalive.com/magazines/medad/ view.cfm?articleID=3686 .
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Rainer H. Bubenzer

Hamburg

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Literatur

  • 1 New Study Tracks Physician Internet Usage in Germany, France, Spain, Italy and the UK - Manhattan Research Offers White Paper and Webinar Revealing Strategic Insights. New York, 24.5.2006 (Pressemitteilung).  www.manhattanresearch.com/files/PRESS/European_Physicians_052406.pdf .
  • 2 Weißbuch zu „Taking the Pulse Europe” (nur nach Registrierung), Vortrag als Webcast (26 MB, ohne Registrierung).  www.manhattanresearch.com/euphysicians.aspx .
  • 3 Alexander E. The Top Five European Physician Online Trends in 2006, New York, 15.2.2006 (Pressemitteilung).  www.manhattanresearch.com/newsroom/Press_Releases/01252006.aspx .
  • 4 Taking the Pulse 2006: Physician Tech Trends (Pressemitteilung).  www.manhattan research.com/files/PRESS/Taking_the_Pulse _041906.pdf .
  • 5 Studienmethodik „Taking the Pulse”.  www.manhattanresearch.com/files/PRESS/Taking_the_Pulse_Europe_Brochure.pdf .
  • 6 Krüger-Brand HE. Studie - „European Physicians and the Internet”: Der Einfluss des Internets wächst. Deutsches Ärzteblatt 100, Ausgabe 20 vom 16.5.2003, Seite A-1326 / B-1110 / C-1038 (Analysen aus 2003).  www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=heft&id=36941 . ; 
  • 7 Niles S. Lost in the Blog. MedAdNews 12 (7), Juli 2006 (Pharmazeutische Unternehmen und ihre Probleme mit Neuen Medien).  www.pharmalive.com/magazines/medad/ view.cfm?articleID=3686 .
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Rainer H. Bubenzer

Hamburg