psychoneuro 2006; 32(11): 516-517
DOI: 10.1055/s-2006-957000
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Therapieoption auch bei Patienten mit Mischzuständen - NICE-Leitlinien bestätigen Olanzapin als ein Mittel der ersten Wahl

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Publication Date:
12 December 2006 (online)

 
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Die aktuellen Therapieleitlinien des britischen National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) bestätigen die Bedeutung des Behandlungskontinuums bei bipolaren Erkrankungen [1]. Als Medikamente der ersten Wahl werden Lithium, Olanzapin und Valproat als Mono- und Kombinationstherapie genannt. Die NICE-Empfehlungen schreiben ebenso wie die kanadischen und amerikanischen Leitlinien Olanzapin (Zyprexa®) als einzigem Atypikum eine medizinische Evidenz zur Wirksamkeit in der Akuttherapie der manischen und gemischten Episode sowie für die weitere Phasenprophylaxe (nach Ansprechen in der Manie) zu. Damit untermauern diese Therapieleitlinien die Ergebnisse klinischer Studien zur Bedeutung von Olanzapin für Patienten mit einer bipolaren Erkrankung, insbesondere auch für diejenigen Patienten, die unter schwierig zu behandelnden bipolaren Mischzuständen leiden.

Für den behandelnden Arzt ist die Orientierung an evidenzbasierten Leitlinien bei Krankheiten mit schweren und anhaltenden Funktionseinschränkungen besonders wichtig. Bipolare Erkrankungen erfordern aufgrund ihrer starken Tendenz zur Chronifizierung und des hohen Rückfallrisikos ein Behandlungskontinuum, das sich von einer schnell greifenden Therapie in der Akutphase bis in eine langfristig erfolgreiche Phasenprophylaxe hinein erstreckt. Evidenzbasierte Leitlinien können den Arzt hier bei der Auswahl der für den jeweiligen Patienten am besten geeigneten Medikation unterstützen. So kann eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung entstehen, die einen Grundpfeiler für eine erfolgreiche Langzeittherapie bildet.

Auch die aktuellen NICE-Behandlungsleitlinien betonen die Notwendigkeit einer medikamentösen Langzeittherapie [1]

  • nach einer (schweren) manischen Episode, die mit einer signifikanten Risikosituation und negativen Konsequenzen für den Patienten assoziiert war,

  • für Patienten mit einer Bipolar-I-Erkrankung, die mindestens zwei akute Episoden erlitten haben, und

  • für Patienten mit einer Bipolar-II-Erkrankung, die signifikante funktionelle Beeinträchtigungen haben, stark suizidal gefährdet sind oder unter häufigen Episoden leiden.

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Langfristige Stimmungsstabilisierung als Therapieziel

Wichtigste Behandlungsziele sind eine Stimmungsstabilisierung, der Schutz vor neuen manischen und depressiven Episoden sowie die Verbesserung der subjektiven Lebensqualität und des Funktionsstatus, so die NICE-Empfehlungen. Als Mittel der ersten Wahl werden Lithium, Olanzapin oder Valproat empfohlen. Bei schweren Manien sollte man einem modernen Stimmungsstabilisierer den Vorzug geben und Antidepressiva vermeiden bzw. absetzen. Reicht die Monotherapie mit einem dieser Medikamente nicht aus, ist laut NICE neben einem Wechsel auf ein anderes Medikament der ersten Wahl eine Kombination von Olanzapin mit Lithium oder Valproat angezeigt.

Neben den etablierten Stimmungsstabilisierern kann nach Auskunft der NICE-Leitlinien sowie der Empfehlungen der American Psychiatric Association derzeit nur Olanzapin eine ausreichende medizinische Evidenz zum Einsatz in allen Phasen der bipolaren Erkrankung vorweisen [2]). Die 2005 revidierten kanadischen CANMAT-Leitlinien (Canadian Network for Mood and Anxiety Treatment) sehen ausschließlich für Lithium und Olanzapin eine breite und gut dokumentierte Wirkung in allen Krankheitsphasen [3]. Die NICE-Leitlinien weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Auswahl der Medikation in der Akuttherapie auch unter Berücksichtigung einer längeren Behandlung erfolgen sollte. Die Bedeutung einer raschen und erfolgreichen Akuttherapie als Einstieg in eine langfristige Phasenprophylaxe wird von praktischen Erfahrungen bestätigt (vgl. auch das Interview mit Dr. Matthias Dobmeier, Regensburg).

Über die Leitlinien hinaus bestätigt die gute Studienlage den hohen klinischen Stellenwert von Olanzapin in der Behandlung bipolarer Erkrankungen. Die Substanz ist in Deutschland derzeit als einziges Atypikum zur Phasenprophylaxe zugelassen (nach Ansprechen in einer manischen Episode) und bietet sich als gleichwertige Therapieoption neben Lithium an. Akutstudien zeigen eine rasche Deeskalation der Situation mit einer schnellen Reduktion der manischen Symptome und der depressiven Begleitsymptomatik [4]. Kontrollierte Langzeitstudien bis zu 18 Monaten dokumentieren im Vergleich zu Plazebo und anderen Stimmungsstabilisierern eine effektive Phasenprophylaxe, allein oder als Kombinationstherapie [5].

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Gemischte Verläufe als therapeutische Herausforderung

Bipolare Erkrankungen mit gemischten Verläufen sind gekennzeichnet durch eine schwerere Symptomatik und einen deutlich ungünstigeren klinischen Verlauf als Krankheitsfälle mit vorwiegend manischen oder depressiven Phasen (Abb. [1]). Ihr Anteil an Krankenhauseinweisungen beträgt bis zu 40% [6]. Zu dieser Subgruppe von Patienten liegen bedeutend weniger Daten zur Wirksamkeit atypischer Antipsychotika vor und sie sind außerdem innerhalb der einzelnen Vertreter dieser Substanzklasse sehr heterogen. Zur Mono- und Kombinationstherapie mit Olanzapin liegen hierzu im Vergleich zu anderen Wirkstoffen zur Behandlung der bipolaren Erkrankung derzeit die meisten doppelblinden Studien vor.

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In dem bislang einzigen direkten Langzeitvergleich eines modernen Stimmungsstabilisierers mit Lithium erhielten 431 bipolare Patienten mit zwei oder mehr manischen oder gemischten Episoden, die unter einer Akuttherapie mit Olanzapin oder Lithium eine symptomatische Remission erreicht hatten (YMRS ≤ 12), anschließend doppelblind randomisiert 52 Wochen lang entweder 5-20 mg Olanzapin täglich (Ø 11,9 mg) oder Lithium (Ø 1102,7 mg) [7]. In der Auswertung traten unter Olanzapin gegenüber Lithium signifikant weniger neue manische und gemischte Phasen auf. Bei der Prävention neuer depressiver Phasen waren beide Stimmungsstabilisierer vergleichbar effektiv (Abb. [2]). Der Zeitraum bis zum Auftreten einer neuen manischen Episode war unter Olanzapin signifikant länger (Olanzapin: 380 Tage; Lithium: 212 Tage; p = 0,001). Unter Olanzapin wurden signifikant weniger Patienten - 14,3% vs. 22,9% unter Lithium - wegen einer neuen Episode hospitalisiert.

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In der Olanzapingruppe brachen signifikant weniger Patienten die Präventionsstudie vorzeitig ab als in der Lithiumgruppe. Aufgrund unerwünschter Effekte beendeten unter Olanzapin 18,5% der Studienteilnehmer und unter Lithium 25,7% die Therapie vorzeitig. Die mittlere Gewichtszunahme in der Olanzapingruppe betrug 1,8 kg; in der Lithiumgruppe wurde ein Rückgang des mittleren Körpergewichts um 1,4 kg verzeichnet.

Post-hoc-Analysen zweier weiterer plazebokontrollierter Studien zeigten bei Patienten mit Mischzuständen, die mit dem modernen Stimmungsstabilisierer Olanzapin therapiert wurden, einen signifikanten Rückgang manischer Symptome auf der YMRS-Skala sowie depressiver Begleitsymptome auf dem HAMD-21-Score ([8], [9]). Vergleichsstudien mit Valproat und Haloperidol zeigen bei den mit Olanzapin behandelten Studienteilnehmern mit Mischzuständen ebenfalls eine Verringerung der manischen Symptome und der depressiven Begleitsymptomatik ([10], [11]).

Wichtig bei der Therapie bipolarer Erkrankungen ist zudem die langfristige Compliance der Patienten. Die Therapietreue kann durch das Auftreten unerwünschter Nebenwirkungen gefährdet sein. Einige bipolare Patienten entwickeln unter der Therapie mit Psychopharmaka, unter anderem auch Olanzapin, eine Gewichtszunahme. Diese Nebenwirkung ist jedoch beeinflussbar, und daher sollte angesichts der hohen Bedeutung einer erfolgreichen Phasenprophylaxe für die Prognose der Patienten zunächst versucht werden, diese Nebenwirkung therapeutisch anzugehen, bevor man durch eine Umstellung das Risiko eines Rückfalles eingeht [12]. Mit Hilfe von Psychoedukationsprogrammen wie BELA (Bewegung Ernährung Lernen Akzeptieren) - initiiert von Lilly Deutschland - kann einer compliancegefährdenden Gewichtszunahme erfolgreich entgegengesteuert werden [13].

Dr. Alexander Kretzschmar

Mit freundlicher Förderung der Lilly Deutschland GmbH.

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Literatur

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