Flupentixol ist ein Antipsychotikum, das 2006 seit 40 Jahren auf dem Markt ist. Dennoch
gehört es keineswegs zum alten Eisen. Die gesammelten Erfahrungen mit dem Medikament,
neue Ergebnisse zur Rezeptorpharmakologie sowie neue Studien, die jetzt im Rahmen
des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde
diskutiert wurden, deuten auf ein erhebliches Potenzial auch für die Zukunft hin.
Bei den Neuroleptika unterscheidet man heute so genannte atypische, die in ihrem extrapyramidal-motorischen
Nebenwirkungsprofil dem Clozapin gleichen, und typische Neuroleptika, wie Haloperidol.
Was jedoch genau typisch bzw. atypisch ist, kann immer noch nicht eindeutig beantwortet
werden, erklärte Prof. Eckart Rüther, Göttingen. Die Erfahrungen aus den letzten Jahren
zeigen, dass ältere Neuroleptika, wie Flupentixol nicht unbedingt zu den "typischen"
zählen müssen. Betrachtet man Rezeptorprofil, Nebenwirkungen, Wirksamkeit auf Positiv-
und Negativsymptomatik sowie kognitive Problematik, sind zahlreiche Graustufen möglich.
Rezeptorprofil
Rezeptorprofil
Nach neuesten pharmakologischen Studien interagiert Flupentixol sowohl mit dopaminergen
D2- und D1-Rezeptoren als auch serotonergen 5HT2A-Rezeptoren. Das Rezeptorprofil und die Bindungskonstanten liegen zwischen denen atypischer
und typischer Neuroleptika. Daher spricht man bei Flupentixol von einem partiell atypischen
Profil.
Verträglichkeit
Verträglichkeit
Das Nebenwirkungsprofil von Flupentixol kann sich laut Rüther ebenfalls durchaus mit
dem moderner atypischer Neuroleptika vergleichen lassen. Dies bestätigen auch die
Daten des Instituts für Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie (AMSP e.V.), das
seit 1993 schwere unerwünschte Nebenwirkungen bei Patienten in psychiatrischen Kliniken
erfasst (Tab. [1]).
Nach diesen Daten treten unter Flupentixol selten EPMS (extrapyramidalmotorische Symptome)
auf, wobei davon etwa die Hälfte auf einer Kombinationsbehandlung mit weiteren Antipsychotika
beruht.
Auch beim Vergleich des Gesamtverträglichkeitsprofils schneidet Flupentixol in der
klinischen Praxis sehr günstig ab. Nach der systematischen Erhebung der AMSP-Daten
traten zwischen 1993 und 2005 nur insgesamt 59 schwere Nebenwirkungen auf (v.a. Pisa-Syndrom,
Leberwerterhöhung, Galaktorhö, Neutropenie). In einer offenen Studie mit über 650
Patienten beobachteten Kühn et al. [1] eine relative Häufigkeit schwerer Nebenwirkungen von nur 0,39%.
Die bisher vorliegenden Studien zeigen außerdem, dass Gewichtszunahmen sowie anticholinerge
Nebenwirkungen unter Flupentixol kaum zu erwarten sind. In der Anwendungsbeobachtungsstudie
[1] bewerteten mehr als 70% der Patienten ihre Medikation als sehr gut bis gut verträglich.
Wirksamkeit
Wirksamkeit
Ging man in den letzten Jahren davon aus, dass ältere typische Neuroleptika den neueren
atypischen Neuroleptika hinsichtlich Nebenwirkungen und Wirksamkeitsspektrum eindeutig
unterlegen sind, werden heute zunehmend kritische Stimmen laut. Beispielsweise scheint
sich im Hinblick auf die Lebensqualität kein Unterschied abzuzeichnen [2]. Flupentixol hat in einer Vielzahl von Studien (n = 79, davon 29 doppelblind) und
mehr als vier Millionen Patientenjahren seine Wirksamkeit belegen können. Dabei zeigten
sich nicht nur positive Wirkungen auf die Symptomatik der Schizophrenie, sondern in
niedrigeren Dosierungen auch bei Depressionen und Suchterkrankungen, stellte Prof.
Göran Hajak, Regensburg, vor.
Bereits in der ersten großen Studie mit Flupentixol beobachteten die Autoren [3] "der an sich therapieunwillige schizophrene (Patient) nimmt Flupentixol lieber als
Medikamente anderer Gruppen, weil es ihn nicht müde macht und das EPMS-Syndrom gut
beherrscht werden kann."
Weitere Studien bestätigten diese Beobachtungen. Gute Ergebnisse konnten auch hinsichtlich
der Negativsymptomatik erreicht werden (z.B. [4]). Die Rezidivhäufigkeit liegt nach den vorliegenden Studien im Ein-Jahres-Zeitraum
zwischen 10 und 30%, die besten Ergebnisse werden dabei mit Flupentixol in der Depotform
erzielt. Damit ist Flupentixol mit den atypischen Neuroleptika mindestens vergleichbar.
Im 1-Jahres-Follow-up der Anwendungsbeobachtungsstudie [5] lag die Rückfallrate sogar nur bei 0,8%, stellte Dr. Thomas Messer, Augsburg vor.
Mehr als 70% bewerteten die Wirksamkeit der Substanz als sehr gut bis gut.
Vergleichbarkeit mit atypischen Neuroleptika
Vergleichbarkeit mit atypischen Neuroleptika
Die Ähnlichkeit zwischen Flupentixol und atypischen Neuroleptika zeigen auch erste
direkte Vergleichsstudien mit Amisulprid (1000 mg Amisulprid/Tag vs. 25 mg Flupentixol)
[6], Risperidon (2-6 mg Risperidon vs. 4-12 mg Flupentixol) [7]), Olanzapin (jeweils 5-20 mg) [8] (Abb. [2]). Dabei beobachteten die Autoren jeweils keine statistisch relevanten Unterschiede
in der Wirksamkeit sowohl auf die Positiv- als auch auf die Negativsymptomatik.
Mittlere Veränderung des Punktwerts in der PANSS-Negativ-Skala im Verlauf der Therapie
mit Flupentixol oder Risperidon
Flupentixol lässt sich daher mit den modernen Neuroleptika durchaus vergleichen, interpretierte
Hajak die Ergebnisse.
Flupentixol und Compliance
Flupentixol und Compliance
Bereits in den 80er-Jahren konnte belegt werden, dass eine konseqent durchgeführte
Neuroleptikatherapie zu besseren Ergebnissen in der Schizophreniebehandlung führt.
Compliance ist heute die Herausforderung in der Behandlung. Wir müssen alles daran
setzen, dass der Patient bei seiner Medikation bleibt, forderte Prof. Hans-Peter
Kapfhammer, Graz. Auch die Compliance der Ärzte spielt eine wichtige Rolle. Eine gute
Arzt-Patienten-Beziehung ist eine der Vorraussetzungen für eine Langzeittherapie.
Eine compliancefördernde Maßnahme ist auch der Einsatz von Depotpräparaten. Sie bieten
den Vorteil, dass sie keinen First-pass-Effekt haben und daher niedriger dosiert werden
können. Die regelmäßigen Injektionen führen außerdem zu häufigeren Kontakten mit dem
Arzt und dieser kann auf den Versuch eines Therapieabbruchs, d.h. bei einer versäumten
Visite, schnell reagieren. Allerdings sind Depotpräparate nicht unumstritten. Viele
Ärzte verwenden sie nur bei schlecht complianten Patienten, zu denen sie kein gutes
therapeutisches Verhältnis haben. Daher sind Depotformen oft negativ besetzt. Vergleicht
man alle Studien kritisch, sprechen die Daten und auch die Erfahrungen mit Flupentixol-Decanoat
jedoch für einen Vorteil der Depotneuroleptika [9]. Eine geringere Rezidivhäufigkeit unter der Depotform von Flupentixol bestätigte
auch die Studie von Pach [4], wobei eine flexible Dosierung nach Bedarf die besten Ergebnisse lieferte.
Fazit
Fazit
"Wir haben eine Substanz mit einem dosisabhängigen Wirkprofil, die hinsichtlich der
Nebenwirkungen sehr gut verträglich ist, wenn man die EPMS behandelt und die darüber
hinaus auch preisgünstig ist. Flupentixol hat den Wandel vom alten Neuroleptikum zum
modernen Antipsychotikum mitgemacht", fasste Hajak zusammen. Nutzen und Risiken sollten
aber wie bei jedem Medikament sorgfältig abgeschätzt werden.
KW
Fluanxol®-Symposium am 22. November im Rahmen des DGPPN-Kongresses in Berlin, unterstützt
von Bayer Vital.