Rehabilitation (Stuttg) 2008; 47(1): 49-55
DOI: 10.1055/s-2007-1004600
Reha-Recht/Reha-Politik

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der Anspruch auf medizinische Rehabilitation nach dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz 2007

The Right to Medical Rehabilitation According to the 2007 Act to Strengthen Health Insurance Competition, GKV-WSGD. Liebold 1
  • 1Rechtsanwaltskanzlei Lübbert Haaf Beeretz Berst und Kollegen, Freiburg im Breisgau
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Publication Date:
04 February 2008 (online)

Zusammenfassung

Medizinische Rehabilitation ist seit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 1.4.2007 Pflichtleistung der gesetzlichen Krankenkassen. Der Anspruch des Leistungsberechtigten bemisst sich dabei vornehmlich aus den Leistungszielen, den Leistungsprinzipien und den im SGB IX geregelten Leistungsvorgaben. Bei der Inanspruchnahme von Leistungen gelten nämlich vorrangig die Regelungen des SGB IX, soweit im SGB V nichts Abweichendes bestimmt ist. Mit Blick auf die Forderungen des SGB IX kann die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Hilfsmittelbegriff keinen Bestand mehr haben. Der sogenannte Basisausgleich widerspricht den Vorgaben des SGB IX. Medizinische Rehabilitation besteht nicht nur aus einer Komplexleistung, sondern jede Einzelleistung nach § 26 Abs. 2 und Abs. 3 SGB IX mit dem vorrangigen Ziel, die Teilhabe des Leistungsberechtigten am Leben wiederherzustellen, ist eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation.

Abstract

Since April 1, 2007 medical rehabilitation is a standard insurance benefit of the statutory health insurance scheme (covered by the SGB V, book 5 of the German social code), with the right of the beneficiary to comply especially with the intentions, the principles and the preconditions of the benefits as stipulated in the SGB IX (book 9 of the German social code covering rehabilitation and participation of persons with disabilities). In claiming benefits the applicable rules primarily are those of the SGB IX, as long as the SGB V does not contain different rules. In light of the demands of the SGB IX, the prevailing case law of the Federal Social Court concerning technical aids and assistive devices cannot persist any longer. The so-called “basic-compensation” is contradictory to the specifications of the SGB IX. Medical rehabilitation does not only consist of complex benefits, but every single benefit pursuant to § 26 Abs. 2, Abs. 3 SGB IX is a medical rehabilitation benefit if its priority intention is to achieve the beneficiary's participation in society.

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1 Zu der bereits zu dieser Regelung geäußerten Kritik vgl. auch [10].

2 Nach dem GKV-WSG haben Versicherte, die eine nicht nach § 20 Abs. 2a SGB IX zertifizierte stationäre Rehabilitationseinrichtung in Anspruch nehmen, etwaige Mehrkosten selbst zu tragen.

3 Für eine vertiefende Auseinandersetzung mit dem Thema wird auf [13] verwiesen.

4 §§ 26 Abs. 1 Nr. 6, 31 SGB IX. Der Begriff „Hilfsmittel” findet zugleich in allen Bereichen der Leistungen zur Teilhabe des SGB IX Verwendung, §§ 33 Abs. 8 Nr. 4; § 55 Abs. 2 Nr. 1, 58 Nr. 3 SGB IX.

5 BSG, Urt. v. 06.06.2002 B 3 KR 68/01R. Das BSG stellt fest, dass die Sozialleistungsträger ausdrücklich verpflichtet sind, den besonderen Bedürfnissen behinderter Mütter und Väter bei der Erfüllung ihres Erziehungsauftrags Rechnung zu tragen, vgl. § 9 Abs. 1 Satz 3 SGB IX.

6 § 33 SGB V: „Versicherte haben auch Anspruch auf Versorgung. mit orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, einer drohenden Behinderung vorzubeugen …”

7 §§ 7 Satz 1, 31 Abs. 3 SGB IX; BSG, Urt. v. 26.3.2003 - Az: B 3 KR 23/02 R; BSG, Urt. v. 6.6.2002 - Az: B 3 KR 68/01 R.

8 Vgl. zum Beispiel BSG, SozR 3-2500, § 33 Nr. 7 zum „Rollstuhlladeboy”; vgl. auch § 33 Nr. 27 (Rollstuhl-Bike für Jugendliche); § 33 Nr. 46 (Dreirad für Kind); BSGE 91, S. 60, 63.

9 Medizinische Rehabilitation verlangt ganzheitlichen Strukturen, so Gildemeister [18].

10 Vgl. zur Komplexleistung auch [20] und heute § 4 Reha-Richtlinien.

11 Vgl. BSG, Urt. v. 16.9.2004, B 3 KK 15/04 R, Rn. 13, 15: „Damit wird der Hilfsmittelbegriff nunmehr für alle Träger von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 6 Abs. 1, § 5 Nr. 1 SGB IX) einheitlich definiert”; vgl. auch BSG, Urt. v. 16.9.2004, B 3 KR 19/03 R, Rn. 14: „Eine Erstattungsregelung enthält nunmehr auch § 15 Abs. 1 Satz 3 und 4 SGB IX, auf die § 13 Abs. 3 Satz 2 SGB V für den Fall der medizinischen Rehabilitation ausdrücklich verweist. Die Voraussetzungen beider Anspruchsgrundlagen sind vorliegend erfüllt” und schließlich BSG, Urt. v. 19.4.2007, B 3 KR 9/06 R, Rn. 9, 16.

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