psychoneuro 2007; 33(12): 497
DOI: 10.1055/s-2007-1012556
Magazin

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Aus dem Geheimen (Wittelsbacher) Hausarchiv - Litt Ludwig II. an Morbus Pick?

Further Information

Publication History

Publication Date:
18 January 2008 (online)

 
Table of Contents

    Im Frühjahr 1886 hatte Prof. Bernhard von Gudden, der damalige Inhaber des Münchner Lehrstuhls für Psychiatrie, in seinem Gutachten für den Bayernkönig Ludwig II. eine "Paranoia" diagnostiziert, welche die Absetzung Ludwigs II. rechtfertigte. Von Gudden und Ludwig II. starben gemeinsam im Juni desselben Jahres im Starnberger See. Nach der offiziellen Version wollte der Arzt den Regenten an einem Selbstmordversuch hindern und kam dabei selbst zu Tode. Der heutige Nachfolger von von Gudden, Prof. Hans Förstl, Direktor der Klinik für Psychiatrie an der TU München, hat nun gemeinsam mit Historikern bereits verfügbare Quellen und erstmals Dokumente des Geheimen (Wittelsbacher) Hausarchivs ausgewertet. Danach kann die Diagnose Schizophrenie heute nicht mehr aufrechterhalten werden. Ludwig II. erfüllte aber sechs von neun Kriterien der ICD-10 für eine schizotype Persönlichkeitsstörung:

    • unangepasster und eingeengte Affekt; Ludwig II. wurde als kalt und unnahbar beschrieben

    • seine Exzentrizität - Ludwig, II. hatte eine krankhafte Neigung zu Posen und ungewöhnlichen Ritualen

    • zunehmender sozialer Rückzug; im letzten Lebensjahr hatte er nur noch Kontakt zu seinen Lakaien

    • krankhaftes Misstrauen; seine Diener wurden einem entwürdigenden chinesischen Hofzeremoniell unterworfen und bei der geringsten Abweichung hart bestraft

    • zwanghaftes Grübeln

    • ein vages, gekünsteltes und oft stereotypes Denken.

    Der ICD-10-Katalog fordert zur Diagnosestellung dabei nur vier der neun Merkmale. Auch für zwei weitere Kriterien, magisches Denken und ungewöhnliche Wahrnehmungsinhalte mit Körpergefühlsstörungen, hat Förstl Hinweise in den Quellen gefunden, die aber nicht ganz passen. Illusionen oder Halluzinationen, ein wichtiges Kennzeichen der voll ausgeprägten Schizophrenie, hatte Ludwig II. nach Quellenlage jedoch nicht, berichtet Förstl, der deshalb nur eine schizoide Persönlichkeitsstörung diagnostizierte.

    Der Bericht von der Leichenschau zwei Tage nach dem Tod Ludwigs II. enthält außerdem Hinweise auf eine frontotemporale Degeneration. Die Autopsie zeigte, dass sein Frontalhirn deutlich zusammengeschrumpft war. Betroffene zeigen dann häufig einen Persönlichkeitswandel mit Verlust von Selbstkritik und Einsicht, geistige Rigidität und ungebremste Impulsivität, aber auch eine emotionale Abstumpfung und Rückzug.

    KW

    Quelle: Hacker R et al. Ludwig II. von Bayern - schizotype Persönlichkeit und frontotemporale Degeneration? DMW 2007; 132 (40): 2096-2099