psychoneuro 2007; 33(12): 536
DOI: 10.1055/s-2007-1012564
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Umstellung von Schizophrenie- oder Alterspatienten: Individuelle Einzelfallentscheidung nötig - Generika und Originalpräparate sind nicht das Gleiche

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18 January 2008 (online)

 
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Im Jahr 2006 haben die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) rund 147,6 Milliarden Euro ausgegeben, erläuterte Prof. Hans-Jürgen Möller, München, auf einer Pressekonferenz. Dabei zählen die schizophrenen Erkrankungen zu den teuersten: Für die GKV entstanden direkte Kosten in Höhe von insgesamt 2,7 Milliarden Euro.

56,1% der Kosten entfielen dabei auf Krankenhausaufenthalte [1], die Kosten für Antipsychotika machen dagegen nur etwa 5-15% der direkten Kosten aus [4], [5], [6]. Hinzu kommt, dass nach Angaben des Statistischen Bundesamtes allein im Jahre 2004 rund 118000 Erwerbstätigkeitsjahre durch schizophrene Erkrankungen verloren gingen.

Die indirekten Kosten der Erkrankung sind immens. Auch um Kosten zu vermeiden, hat daher die Vermeidung von Rückfällen und stationären Aufenthalten höchste Priorität. Die effektivste Maßnahme ist dabei eine konsequente antipsychotische Rückfallprophylaxe. "Erfolgreiche Langzeittherapie und Rezidivprophylaxe sind aber nur durch eine hohe Therapietreue zu erreichen", so Möller.

Die regelmäßige Einnahme des verordneten Neuroleptikums ist die Grundlage der Therapie, ohne die eine rezidivprophylaktische Wirkung nicht aufrecht erhalten werden kann. Deshalb kommt der therapeutischen Allianz zwischen Patient und Arzt eine besondere Bedeutung zu. Allerdings gibt es gerade bei schizophren erkrankten Patienten eine Reihe von Symptomen und psychologischen Besonderheiten, welche die medikamentöse Therapieadhärenz gefährden können.

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Generikasubstitution nicht immer sinnvoll

Besonders kritisch sind dabei Änderungen der Medikation. Dazu zählt auch die Umstellung auf Generika. Generika enthalten zwar denselben Wirkstoff in derselben Menge wie das Originalpräparat, dennoch kann sich das generische Arzneimittel im physiologischen Milieu anders verhalten als das Original. Bei der Umstellung von Patienten, die gerade Veränderungen gegenüber besonders empfindlichen sind, wie Schizophreniepatienten oder Alterspatienten mit psychotischen Störungen, ist daher erhöhte Aufmerksamkeit und Vorsicht geboten.

Eine Modellrechnung aus den Niederlanden zeigte, dass eine Umstellung auf ein Generikum trotz des günstigeren Preises auf lange Sicht sogar die Kosten erhöhen kann [3]. Die Autoren gingen dabei davon aus, dass sich bei einer Umstellung von oralem Risperidon auf ein Generikum die Rezidivrate um 11,1% erhöht. Würden 60% der Patienten, die bisher in den Niederlanden Risperdal® oral erhalten (n = 17000), auf ein Generikum umgestellt, berechneten die Autoren eine hypothetische Zunahme der Kosten für das niederländische Gesundheitssystem in Höhe von 4 Millionen Euro (Abb. [1]) und kamen zu dem Fazit, "dass die Umstellung auf generisches Risperidon nicht die beste Option bei jenen Patienten zu sein scheint, die aktuell unter einem Originalpräparat stabil eingestellt sind - weder aus klinischem noch aus ökonomischem Blickwinkel". Inwieweit die Modellrechnung auch in Deutschland Gültigkeit hat, bedarf einer gesonderten Überprüfung.

Dass viele Patienten zwischen Original und Generikum unterscheiden, bestätigte auch PD Dr. Klaus-Christian Steinwachs, Nürnberg. In der Praxis muss im Einzelfall entschieden werden, ob eine Umstellung sinnvoll ist und wie dabei vorgegangen werden sollte; dabei fließen Erfahrungen aus zuvor stattgefundenen Umstellungen z.B. wegen fehlender Wirksamkeit mit ein.

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Leitlinie "Gute Substitutionspraxis"

Auch die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft weist in ihrer Leitlinie "Gute Substitutionspraxis" (GSP) [2] darauf hin, dass in bestimmten Situationen auf eine Substitution durch wirkstoffidentische Präparate verzichtete werden soll, z.B.

  • wenn es sich um ängstliche oder agitierte Patienten handelt, bei denen ein Präparateaustausch zur Einnahmeverweigerung oder zu einer gravierenden Verschlechterung der Compliance führen würde oder

  • wenn die Substitution bei dem Patienten Befürchtungen auslösen könnte, dass sich sein Krankheitsbild durch den Präparateaustausch verschlechtern könnte.

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Abb. 1 Kostendifferenz nach Umstellung von Originalpräparat auf ein Generikum im Rahmen einer Schizophrenietherapie. Die Modellrechnung aus den Niederlanden zeigt, dass erhöhte Hospitalisierungskosten die erzielten Einsparungen durch Generika bei Weitem übertreffen können. mod. nach [3]

Dabei zählen insbesondere Neuroleptika für die Verfasser der GSP-Leitlinie zu den Arzneimittelgruppen, bei denen im individuellen Fall eine Substitution kritisch sein kann.

KW

Quelle: Pressekonferenz "Cave bei Schizophrenie- und Alterspatienten" am 11. Oktober 2007 in München, mit freundlicher Unterstützung der Janssen-Cilag GmbH

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Literatur

  • 01 www.vfa.de: VFA Statistics 2007. 
  • 02 Blume H . et al . DPhG-Leitlinie Gute Substitutionspraxis (GSP).  Pharm Ztg. 2002;  147 (10) 161-168
  • 03 van Nooten FE . et al . Poster präsentiert auf der 1st European Conference on Schizophrenia Research, September 25.-28. 2007, Düsseldorf. 
  • 04 Knapp M . Mangalore R . Simon J . The global costs of schizophrenia.  Schizophrenia Bulletin. 2004;  30 279-293
  • 05 Möller HJ . et al . Psychopharmakotherapie. 2005;  12 183-192
  • 06 Schwabe U . Paffrath D . Arzneiverordnungs-Report 2005 - Aktuelle Daten, Kosten, Trends und Kommentare.  Springer Verlag, Berlin 2006. 2005;  12 183-192
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Literatur

  • 01 www.vfa.de: VFA Statistics 2007. 
  • 02 Blume H . et al . DPhG-Leitlinie Gute Substitutionspraxis (GSP).  Pharm Ztg. 2002;  147 (10) 161-168
  • 03 van Nooten FE . et al . Poster präsentiert auf der 1st European Conference on Schizophrenia Research, September 25.-28. 2007, Düsseldorf. 
  • 04 Knapp M . Mangalore R . Simon J . The global costs of schizophrenia.  Schizophrenia Bulletin. 2004;  30 279-293
  • 05 Möller HJ . et al . Psychopharmakotherapie. 2005;  12 183-192
  • 06 Schwabe U . Paffrath D . Arzneiverordnungs-Report 2005 - Aktuelle Daten, Kosten, Trends und Kommentare.  Springer Verlag, Berlin 2006. 2005;  12 183-192
 
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Abb. 1 Kostendifferenz nach Umstellung von Originalpräparat auf ein Generikum im Rahmen einer Schizophrenietherapie. Die Modellrechnung aus den Niederlanden zeigt, dass erhöhte Hospitalisierungskosten die erzielten Einsparungen durch Generika bei Weitem übertreffen können. mod. nach [3]