Pneumologie 2007; 61(3): 148-149
DOI: 10.1055/s-2007-959177
Editorial zur Serie „Pneumologische Rehabilitation”
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Pneumologische Rehabilitation ist en vogue!

Pulmonary Rehabilitation is Up and GoingK.  Schultz1 , S.  M.  Lang2
  • 1Fachklinik Allgäu, Pfronten
  • 2Karl-Hansen-Klinik, Bad Lippspringe
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Publication Date:
07 March 2007 (online)

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Der Stellenwert der pneumologischen Rehabilitation war lange durch das Bild von „Fango und Tango” geprägt - unter der Vorstellung, dass die Rehabilitation weniger eine objektiv wirksame Behandlungsoption darstellt, sondern vielmehr einen kostenlosen Urlaub - möglichst mit Kurschatten - ermöglicht. Diese Sichtweise ist durch die derzeit praktizierte qualitative fachpneumologische Rehabilitation längst überholt. Aufgrund zahlreicher Studien, aber auch der klinischen Erfahrung, dass Rehabilitation bei chronisch kranken COPD Patienten genauso wirksam ist wie die medikamentöse Therapie, hat die qualifizierte Rehabilitation einen neuen Stellenwert erlangt. Pneumologische Rehabilitation ist en vogue!

In allen nationalen und internationalen Leitlinien, insbesondere zur COPD [1] [2] [3] [4], wird die pneumologische Rehabilitation, aufgrund der eindeutigen Evidenzlage, als essenzieller Teil des Langzeitmanagements beschrieben und gefordert. Die Wirklichkeit sieht jedoch ganz anders aus: Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung (www.forschung.deutsche-rentenversicherung.de) hat sich die Zahl der Rehabilitations-Maßnahmen bei Atemwegserkrankungen seit 1996 mehr als halbiert. Auch seit 2001 ist ein stetiger Rückgang der Reha-Maßnahmen um mehr als 30 % zu verzeichnen, trotz der zunehmenden Evidenz für ihre Wirksamkeit. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die Verordnung von Rehabilitationsmaßnahmen schwieriger als die Verordnung teuerer Medikamente ist und bürokratische Hürden häufig den Einsatz solcher Maßnahmen in größerem Umfang verhindern.

Die in den kommenden Heften publizierte Serie „Pneumologische Rehabilitation” hat zum Ziel, die Diskussion auf eine rationale und evidenzbasierte Grundlage zu heben. Pneumologische Rehabilitation hat viele verschiedene Facetten. Diese unterscheiden sich je nach Krankheitsdiagnose aber auch nach Aufgabe und Zielrichtung der Rehabilitation. Das deutsche Gesundheitssystem sieht drei Indikationen vor, nämlich „Reha vor Rente” [5] bis hin zur Aufgabe „Reha vor Pflege” [6] bzw. „Reha nach Akutkrankenhausbehandlung (AHB)” [7] [8] [9]. In den klinischen Alltag übersetzt bedeutet dies, dass Rehabilitation bei einem 45-jährigen Raucher mit beginnender COPD mit dem Ziel der Verhinderung des Krankheitsprogresses, Erhalt der Erwerbsfähigkeit, Verringerung möglicherweise enormer Folgekosten als „Reha vor Rente” von den Sozialsystemen vergütet wird, während bei einem berenteten COPD-Patienten mit Schweregrad IV, Heimbeatmung, Sauerstofftherapie und schwerer sekundärer Depression die Vergütung von der gesetzlichen Krankenkasse und unter dem Begriff „Reha vor Pflege” übernommen wird. Beide Spielarten der Rehabilitation sind jedoch gleich sinnvoll und notwendig und keineswegs auf das stationäre Setting beschränkt.

Die Sektion Prävention und Rehabilitation der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin hat sich zur Aufgabe gemacht, den hohen Stellenwert der Rehabilitation für die einzelnen pneumologischen Indikationen differenziert zu belegen, um möglichst vielen Patienten diese multimodale Therapieoption zugänglich zu machen. In den letzten Jahren konnten positive Wirkungen der Atemphysiotherapie [10], des körperlichen Trainings [11] [12] und edukativer Maßnahmen [13] durch Studien belegt werden. Es mehren sich Daten, dass Rehabilitation nicht nur bei der „klassischen” Indikation COPD positive Effekte auf Krankheitsverlauf, Lebensqualität, Berufsfähigkeit und Teilhabe am sozialen Leben aufweist [14] [15], sondern bei allen chronischen Erkrankungen der Atmungsorgane [16] [17] [18] [19] [20] [21] [22], die mit einer Dekonditionierung einhergehen [23].

Für den zielgerichteten Einsatz der multimodalen Therapie sind Reha-spezifische Assessment-Instrumente und vor allem nicht-medikamentöse Therapieverfahren, die den speziellen Problemen der Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen gerecht werden, von großer Wichtigkeit. Spätestens mit der Einführung des BODE Index [24] wurde die Bedeutung des funktionellen Status, der Lebensqualität und des Ernährungszustands auf eine Stufe mit den Einschränkungen der Lungenfunktion gestellt. Die Rehabilitation ist in besonderem Maß dazu geeignet, diese ungünstigen prognostischen Faktoren positiv zu beeinflussen [25].

Die Serie „Pneumologische Rehabilitation” wird sich zunächst mit der Rehabilitation bei COPD (W. Petro u. Mitarb.) befassen. Weitere Artikel beleuchten die Effekte der Rehabilitation bei Asthma bronchiale (G. Menz, J. Lecheler u. Mitarb.) und „anderen” chronischen Erkrankungen der Atmungsorgane („Interstitielle Lungenerkrankung, pulmonale Hypertonie u. a.”; Federführung J. Fischer). Anschließend ist eine Darstellung einzelner essenzieller Komponenten der pneumologischen Rehabilitation vorgesehen, beginnend mit „Training und Physiotherapie” (H.J. Lepthin, R.H. Heitmann u. Mitarb.) gefolgt von „Ernährung, Schulung, Tabakentwöhnung und psychosozialer Support” (H.J. Stark, U. Kaiser, M. Wittmann u. Mitarb.). Den Abschluss bildet eine Darstellung der unterschiedlichen Aufgabenstellungen und Settings, in denen pneumologische Rehabilitation durchgeführt wird (J. Fischer, K. Taube u. Mitarb.), wobei u. a. auf die notwendige sektorenübergreifende Zusammenarbeit mit dem Lungensport [26] [27] und der Rehabilitationsnachsorge eingegangen werden wird.

Die Editoren hoffen mit dieser Serie dazu beizutragen, einem breiten Kreis interessierter Ärzte den hohen Stellenwert der Rehabilitation für die Behandlung chronischer Erkrankungen der Atmungsorgane kompetent zu vermitteln und zu bewirken, dass in Zukunft möglichst viele Patienten von dieser wichtigen Therapieoption profitieren.

Literatur

Dr. Konrad Schultz

Fachklinik Allgäu

Peter-Heel-Str. 29

87459 Pfronten

Email: kschultz@ahg.de