Endoskopie heute 2007; 20(1): 2-8
DOI: 10.1055/s-2007-960594
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Paris-Klassifikation - eine systematische Einteilung gastrointestinaler Frühneoplasien nach dem makroskopischen Erscheinungsbild

The Paris Classification of Gastrointestinal Early Neoplasia according to Their Macroscopic AppearanceM. Jung1
  • 1Klinik für Innere Medizin und Gastroenterologie, St. Hildegardis-Krankenhaus, Katholisches Klinikum Mainz
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Publication Date:
16 March 2007 (online)

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In einer kürzlichen Ausgabe von Gastrointestinal Endoscopy hat der amerikanische Endoskopiker Douglas Rex provozierend gefragt, woran man den besten Koloskopiker erkennt [37]. Lange galt es als höchst arriviert, schnellstmöglich bis zum Zökalpol voranzukommen, in gleicher Geschwindigkeit den Dickdarm zu verlassen oder die größtmögliche flächige Polypektomie vorzunehmen. Neben diesen wichtigen technischen Voraussetzungen ist der Blick für besonders schwierig zu erkennende Frühveränderungen verloren gegangen. Mit dem Nachweis von eingesunkenen Frühkarzinomen im Kolon und multipler flacher Adenome wurden japanische Endoskopiker zunächst ungläubig betrachtet. Die Zweifel legten sich erst, als zwei renommierte Endoskopiker aus Fernost die gleichen Läsionen in Amerika und England reproduzieren konnten [10] [42]. Die Frage nach ausreichender Sorgfalt bei der Koloskopie wurde jüngst durch eine Diskussion wiederbelebt, die eine Zeit von 6 Minuten für die Rückspiegelung zum Zökalpol als notwendig erachtet, um eine ausreichende Diagnostik zu gewährleisten [23] [37]. Rex beantwortet die Frage nach dem besten Koloskopiker einfach: wer die meisten Adenome findet, indem er die Schleimhaut vom Zökum bis zum Anus minutiös studiert [37].

In der Tat hat der Westen aufzuholen. Die Herausforderung besteht in einer Senkung der Sterblichkeit von Patienten mit bösartigen Tumoren des Verdauungstraktes. Die anhaltend schlechte Prognose dieser Tumoren wird durch die späte Symptomatik und die frühe lymphogene Metastasierung bestimmt. Insbesondere Tumoren der Speiseröhre zeigen ein aggressives Infiltrations- und Metastasierungsverhalten und gehen mit einer 5-Jahres-Überlebenszeit von unter 10 % einher. Für das Magenkarzinom bewegen sich die aktuellen 5-Jahres-Überlebenszeiten unter 30 %, beim kolorektalen Karzinom liegen die Daten mit 50 % etwas günstiger [2] [18] [44]. Karzinome des Kolorektum sind häufig und rangieren bei Mann und Frau inzwischen an zweiter Stelle hinter Prostatakarzinom und dem Karzinom der Brustdrüse (RKI).

Das Magenkarzinom ist in der westlichen Welt deutlich rückläufig. Konstant dagegen hält sich die Anzahl von Patienten mit Ösophaguskarzinom (ca. 5 000 / Jahr) mit einem inzwischen angeglichenen Verhältnis von Karzinomen des Barrett-Epithels und des Plattenepithels.

Es ist erwiesen, dass bei frühzeitiger Tumordiagnostik (im T1-Stadium) eine rechtzeitige Therapie erfolgen kann und die Heilungschance dadurch drastisch gesteigert wird. Die 5-Jahres-Überlebenszeit liegt für alle Mukosakarzinome daher über 90 % [28] [34].

Sämtliche Verbesserungen endoskopischer Diagnostik zur Feinauflösung der Oberflächenstrukturen und zur Identifikation von veränderten Zellgruppen - Chromoendoskopie, Narrow-Band-Imaging, Autofluoreszenz, konfokale Lasermikroskopie, Endosonografie - zielen auf die verbesserte Diagnose von Frühneoplasien [11] [14-16] [20]. Das elektronische endoskopische Bild hat durch Hochauflösung und neuerdings durch HDTV-Technik eine nochmalige hohe Qualitätsverbesserung erfahren.

Voraussetzung für eine frühe Diagnostik, vor allem von regelrechter Schleimhaut kaum unterscheidbarer flacher Läsionen, ist die detaillierte Kenntnis des makroskopischen Erscheinungsbildes. So liegt der Anteil des Frühkarzinoms an der Gesamt-Magenkarzinomrate in Japan bei 40-50 %, während in Deutschland maximal 10 % Frühkarzinome diagnostiziert werden [44]. Entsprechend unterschiedlich ist die Prognose dieser Tumorpatienten. Retrospektive Studien zur Frage übersehener Karzinome zeigen, dass in Japan weniger als 1 % aller Magenneoplasien bei vorangegangenen Endoskopien übersehen wurden [12]. Dagegen hatten 4-5 % aller Patienten mit kolorektalem Karzinom eine negative Endoskopie innerhalb der vorausgegangenen 5 Jahre [4] [30] [39]. Am häufigsten wurden dabei flache Läsionen, vor allem im rechten Dickdarm, übersehen.

Literatur

Prof. Dr. med. M. JungFRCP 

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