Thorac Cardiovasc Surg 2007; 55(4): 213-216
DOI: 10.1055/s-2007-965209
Special Reports

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Tua res agitur - Zum Berufsbild des Arztes in unserer Zeit

Rede des Präsidenten der DGTHG anlässlich der 36. Jahrestagung der DGTHG 2007 in HamburgA. Krian1
  • 1Department of Thoracic and Cardiovascular Surgery, Heart Center Duisburg, Duisburg, Germany
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eingereicht 28. März 2007

Publication Date:
04 June 2007 (online)

Während vor einem Jahr das 35-jährige Bestehen der Dt. Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) Anlass zur Analyse von Aufgaben und Perspektiven medizinisch-wissenschaftlicher Fachgesellschaften war, gibt es heute zahlreiche bedeutsame Aspekte, welche eine eingehende Betrachtung des Berufsbildes derjenigen erfordern, die als Mitglieder Träger dieser Gesellschaften sind, also der Ärzte.

Die Beschäftigung mit dem Berufsbild des Arztes hat eine lange Tradition - sie begegnet uns seit dem Altertum und sie ist besonders eng mit dem Versuch der Beschreibung eines „Idealbildes“ eines „guten Arztes“ verbunden. In hervorragender Weise können die Aussagen des Hippokrates [[6]] dazu auch noch heute beispielhaft zitiert werden ([Abb. 1]).

Abb. 1 Der Hippokratische Eid.

Aus ganz unterschiedlichen Motivationen wird diese Frage nach dem „guten Arzt“ gerade gegenwärtig sehr häufig gestellt - und auch im wissenschaftlichen Schrifttum, bemerkenswerterweise vor allem international, systematisch bearbeitet. Für den nationalen Bereich wurde erst kürzlich die Forderung aufgestellt, ich zitiere aus einer Arbeit von Herzig und Mitarbeitern, 2006 [[4]]: „Es sollte Selbstverpflichtung und Bestandteil der Professionalität jeden Arztes sein, sich ständig, quasi berufsbegleitend, der Frage nach seinem eigenen Idealbild zu stellen!“

Wie so häufig, sind es bedauerlicherweise aber von außen auf den Arzt einwirkende Faktoren, die eine solche Auseinandersetzung erzwingen.

Nachfolgend sollen einige wesentliche Aspekte, die zur Auseinandersetzung mit dem Berufsbild des Arztes führten oder führen, skizziert und bewertet werden, ohne dass hier eine vollständige Beantwortung der sich daraus ergebenden Fragen möglich sein wird. Immerhin wird im Verlaufe unserer Jahrestagung diese Thematik anlässlich mehrerer Veranstaltungen aufgenommen und vertieft.

Wer - außer uns Ärzten selbst - gibt nun unmittelbar und sehr aktuell Anstöße zu diesem Thema?

Es sind - und dies mit zunehmender Tendenz - unsere Patienten selbst, aber daneben mit außerordentlichem Nachdruck nahezu alle Beteiligten des Gesundheitssystems, explizit und etwas vereinfacht zusammengefasst die politisch Verantwortlichen wie auch die Kostenträger. Mit anderen Worten, neben die unmittelbare Arzt-Patienten-Beziehung treten wirtschaftliche Aspekte, also die Ökonomie, in eine Wechselbeziehung hinsichtlich der Interpretation des Berufsbildes des Arztes.

Hier illustrieren zwei Beispiele die „externen Anforderungen“ zur Reflexion mit dem Berufsbild des Arztes ([Abb. 2]): Rechts der Dank eines naturwissenschaftlich gebildeten und wissenschaftlich tätigen Patienten in Form eines anspruchsvollen, 15-seitigen Essays zum „ärztlichen Handeln in unserer Zeit“, links die unerlässliche Überschneidung - meines Erachtens auch als zwangsläufig zu interpretierende Ergänzung - medizinischer und ökonomischer Aspekte bezogen auf die ärztliche Arbeit. Das menschliche Icon in der gemeinsamen Schnittmenge steht für mich sowohl für den Patienten als auch für den Arzt [[7]]!

Abb. 2 Tua res agitur - Zum Berufsbild des Arztes in unserer Zeit.

Wie könnten nun die Konsequenzen aussehen, welche sich aus den zum großen Teil sicher gerechtfertigten Anforderungen von Anpassungen der ärztlichen Arbeit an die heutige gesundheitspolitische Realität ergeben?

Ganz generell könnte sich eine Entwicklung durchsetzen, deren Tendenzen durch einseitige ökonomische Betrachtungsweisen induziert sind - und die auch bereits Einfluss entfalten.

Bevor ich auf diese „Ökonomisierung“ der Medizin näher eingehe, möchte ich anhand einer sehr aktuellen Bewertung ärztlicher Tätigkeit durch Ärzte [[3]] - hier am Beispiel von Krankenhäusern - den Stellenwert wichtiger Parameter darstellen ([Abb. 3]):

Abb. 3 Wichtigkeit verschiedener Informationsquellen zur Krankenhausbewertung aus Sicht der Ärzte.

Aus dieser Grafik geht sehr eindrucksvoll der hohe Stellenwert jener Leistungen hervor, welche durch das persönliche Engagement der Ärzte erbracht werden!

Diese Tatsache steht nicht notwendigerweise im Gegensatz zu der immer enger werdenden Verflechtung der Tätigkeit der verschiedenen Professionen im Krankenhaus: Vor dem Hintergrund zunehmender Komplexität der Patientenversorgung wie der Arbeitsabläufe im Krankenhaus können hohe Effizienz und exzellente Qualität nur durch optimale Kooperation erreicht werden ([Abb. 4])! Als eine Maßnahme bietet sich die Delegation ärztlicher Leistungen an [[5]], die sich bei durchdachter Realisierung keinesfalls negativ auf das Arzt-Patienten-Verhältnis auswirken muss ([Abb. 5])!

Abb. 4 Schnittmengen der Professionen im Krankenhaus.

Abb. 5 Leidet unter verstärkter Delegation das Arzt-Patient-Verhältnis?

Allerdings - und dies kann nicht nachdrücklich genug betont werden - liegt der Akzent auf dem Begriff „durchdachter Realisierung“! Keinesfalls darf es aus ärztlichem Grundverständnis heraus zu einer beliebigen Delegation im Sinne von „Verteilung ärztlicher Aufgaben“ kommen - vielmehr muss sorgfältig differenziert werden zwischen nicht delegierbaren ärztlichen Aufgaben und delegierbaren Tätigkeiten bzw. neu strukturierten Arbeitsabläufen.

So wurden in der bereits zitierten Studie [[5]] von beiden beteiligten Berufsgruppen - Pflegende und Ärzte - gleichermaßen und bemerkenswert übereinstimmend, nachfolgend aufgelistete Tätigkeiten als „nicht delegierbare, also ärztliche Aufgaben“ definiert:

Aufklärung vor diagnostischen und operativen Eingriffen und Narkosen, Verabreichung von Transfusionen, tracheale Intubation, Narkosen, 1. Assistenz von Operationen, Anlegen zentralvenöser Zugänge.

Diese Fakten sprechen für sich und sie stehen m. E. beispielhaft gegen eine Entwicklung, die auch als „Industrialisierung“ der Medizin beschrieben wurde und sich in einem Vorschlag zur Neustrukturierung der ärztlichen Profession an Kliniken wiederfindet [[2]]:

Es wird die Etablierung von vier unterschiedlichen „Arzt-Typen“ am Krankenhaus vorgeschlagen:

Personenbezogener Berater Spezialist für hochdifferenzierte Einzelfunktionen Systembetreuer Beratungsspezialist

Wenn auch einige Grundüberlegungen zur Verbesserung der Arbeitsabläufe, also der Prozessqualität, nicht nur nachvollziehbar, sondern dringend erforderlich sind, ist m. E. sowohl aus ärztlichem Grundverständnis wie auch der eingangs beschriebenen kontinuierlichen Reflexion und traditionellen Weiterentwicklung der ärztlichen Aufgabenstellung dem einseitigen und ganz sicher nur vordergründig Erfolg versprechenden „Arzt-Typus“ zu widersprechen!

Dieser Vorschlag, der eher einer „De-Professionalisierung“ des Arztberufes entspricht als einer notwendigen Weiterentwicklung und Anpassung an die moderne Medizin, kann allenfalls als „Notlösung“ in einer Mangelsituation verstanden werden - solche Überlegungen haben noch niemals zu längerfristig tragfähigen Lösungen geführt: Es droht hier eher die Gefahr einer Etablierung neuer Berufsbilder mit minderer Qualifikation!

Als „durchdachte Maßnahme“ sehe ich in direktem Gegensatz dazu ein Konzept an, welches z. B. durch den Inhalt eines Seminars des Berufsverbandes der Chirurgen (BDC) skizziert ist [[1]] ([Abb. 6]).

Abb. 6 Alles, was Chirurgen außer Chirurgie wissen sollten.

In Ergänzung zu den tradierten und ohne jeden Zweifel erfolgreichen Aufgabenstellungen des ärztlichen Berufes werden hier Kenntnisse vermittelt, die den Arzt zur Auseinandersetzung mit aktuellen Aspekten seiner Profession führen und ihm die Bewältigung neuer Aufgaben ermöglichen.

Um es für das Berufsbild des Chirurgen noch einmal zu präzisieren: essenzielle, unverzichtbare ärztliche Aufgaben des Chirurgen sind die

Indikationsstellung zur Operation, Durchführung der Operation, postoperative Nachbehandlung.

Die bereits zitierte Analyse des ärztlichen Berufsbildes „Wann ist ein Arzt ein guter Arzt?“ von Herzig und Mitarbeitern (2006) [[4]] gelangt in einer vorläufigen Zusammenfassung zu einer Kategorisierung von neun wichtigen Leitbegriffen, welche m. E. auch weitestgehend deckungsgleich mit den hier vorgetragenen Vorstellungen sind und diese sehr gut illustrieren:

Fachkompetenz Handlungskompetenz Empathie Patientenorientierung Authentizität Arzt als Helfer Reflexivität Lernbereitschaft Kooperativität

Sehr geehrte Damen und Herren,

Tua res agitur - diese traditionsreiche Ansprache sollte und darf nicht nur ein Hinweis auf eine teilweise ohne unsere Mitwirkung stattfindende Entwicklung sein, sondern als Appell zu aktivem „Agieren“ durch uns verstanden werden! Es geht tatsächlich um uns, und wir sind aufgefordert, das Berufsbild des Arztes in unserer Zeit zu definieren und zu gestalten!

Wie verlässliche Umfragen verdeutlichen, besitzen wir Ärzte noch immer hohes Ansehen und damit die Unterstützung der Bevölkerung ([Abb. 7]).

Abb. 7 Die Allensbacher Berufsprestige-Skala 2005.

Wir sollten auf dieser soliden Basis weiter arbeiten, die guten Traditionen unseres Berufes bewahren und uns den Anforderungen unserer Zeit positiv stellen. Ganz persönlich wünsche ich, dass dies allen Mitgliedern unserer erfreulich wachsenden Fachgesellschaft ([Abb. 8]) gelingt!

Abb. 8 Mitglieder der DGTHG (gesamt).

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

Prof. Dr. Arno Krian

Literatur

  • 1 BDC . ZEF-Seminar: Alles, was Chirurgen außer Chirurgie wissen sollten.  Der Chirurg. 2006;  45 394
  • 2 Flintrop J. Der Klinikarzt der Zukunft: Jeder macht nur noch das, was er am besten kann. Dt.  Ärzteblatt. 2006;  103 2809
  • 3 Dobbelstein T. Erreichbarkeit und schnelle Prozesse zeichnen gute Krankenhäuser aus.  f & w. 2007;  24 22-26
  • 4 Herzig S, Biehl L, Stelberg H, Hick C, Schmeißer N, Koerfer A. Wann ist ein Arzt ein guter Arzt?.  Dtsch Med Wochenschrift. 2006;  131 2883-2888
  • 5 Job F P, Leffler K, Voigt H. Delegation ärztlicher Aufgaben an den Pflegedienst.  Das Krankenhaus. 2007;  99 38-41
  • 6 Medizinische Ethik . Der Eid des Hippokrates.  Dt. Ärzteblatt. 2006;  33 1883
  • 7 Schmitz C, Grupe F. Mit Change-Management die Ärzte ins Boot holen.  f & w. 2007;  24 49-51

Prof. Arno Krian

Department of Thoracic and Cardiovascular Surgery
Heart Center Duisburg

Gerrickstr. 21

47137 Duisburg

Germany

Phone: + 49 20 34 51-32 51

Email: arno.krian@ejk.de

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