psychoneuro 2007; 33(3): 101
DOI: 10.1055/s-2007-974598
Interview

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Im Gespräch mit Prof. B. Steinhoff, Leiter des Epilepsiezentrums Kork - Was ist bei der schnellen Aufdosierung von Topiramat zu beachten?

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Publication Date:
02 April 2007 (online)

 
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    ? Herr Prof. Steinhoff, wie gehen Sie bei der Einstellung bei Topiramat von Patienten in der Praxis vor?

    Prof. B. Steinhoff: Grundsätzlich empfehle ich in der antiepileptischen Therapie bei ambulanten Patienten, bei denen ein sehr rascher Wirksamkeitseintritt nicht unbedingt notwendig ist, aus Vorsicht vor potenziellen Nebenwirkungen relativ langsam einzudosieren.

    Bei Topiramat beginne ich bei erwachsenen Patienten mit 25 mg abends und steigere dann wöchentlich um 25-50 mg bis zu einer vorläufigen Erhaltungsdosis von 100 mg (50 mg - 0 - 50 mg). Bei Patienten mit einer sehr schlechten Anfallssituation habe ich auch ambulant schon nach einer Einstiegsdosis von    25 mg nachfolgend alle drei Tage um 25 mg gesteigert, bis eine Erhaltungsdosis von 100 mg erreicht war.

    Unter stationären Bedingungen haben wir umfangreiche Erfahrungen mit der Eindosierung von Topiramat gesammelt und beginnen in der Regel mit einer Tagesdosis von 50 mg, die schon nach drei Tagen auf 100 mg gesteigert wird. Die angestrebte Zieldosis hängt natürlich entscheidend von der Prognose und den bisherigen Behandlungserfolgen beim jeweils vorliegenden Epilepsiesyndrom ab. Insofern ist es auch heute noch ohne weiteres denkbar, dass bei bestimmten Patienten von vorne herein eine höhere Zieldosis als      100 mg angestrebt wird.

    ? Wann würden Sie eine schnellere Aufdosierung eines Patienten vornehmen?

    Steinhoff: Eine schnellere Aufdosierung ist immer dann erforderlich, wenn eine spontan hohe Anfallsfrequenz eine rasche Wirksamkeit erfordert oder das Eintreten einer Wirksamkeit für das jeweilige Syndrom schnell beurteilt werden muss. Aber auch in Situationen, in denen eine Initialtherapie beispielsweise mit einer allergischen Reaktion einhergegangen ist und der Patient rasch abdosiert werden muss, kann eine schnellere orale Aufdosierung zur Vermeidung von Entzugsanfällen von Bedeutung sein. Topiramat als kaum allergene Substanz wäre hier eine gute Option.

    ? Welche Erfahrungen haben Sie mit der schnelleren Aufdosierung, gibt es Sicherheitsaspekte, die zu beachten sind? Welche Daten legen Sie da zugrunde?

    Steinhoff: Die eigenen Erfahrungen zur schnellen Eindosierung mit Topiramat sind ausgezeichnet. Bei der schnellen Eindosierung schätze ich die Möglichkeit der schnellen Beurteilung für die wahrscheinliche Wirksamkeit bei Patienten mit einer hohen Anfallsfrequenz. Nur diese werden für die rasche Eindosierung in der Regel geeignete und vorrangige Kandidaten sein.

    Grundsätzlich sollten die beschriebenen Behandlungssituationen im Idealfall stationär erfolgen, da naturgemäß rasches Eindosieren wie auch Abdosieren mit einem höheren Risiko für Nebenwirkungen einhergeht und die Beurteilbarkeit wie auch der Umgang mit möglichen Störwirkungen durch Fachpersonal besser gewährleistet ist.

    Einen Vorteil sehe ich bei Topiramat darin, dass frühzeitig die Verträglichkeit der Substanz in der angestrebten Zieldosis beurteilt werden kann. Wenn bei Topiramat Probleme bzgl. der Verträglichkeit auftreten, erscheinen diese i.d.R. früh in der Therapie, sind temporär und reversibel - bringen also kein hochgradiges Gefährdungspotenzial des Patienten mit sich. Da allergische Reaktionen kaum auftreten (ich persönlich habe noch keine erlebt), gilt es vor allem, mögliche zentralnervöse Störwirkungen im Auge zu behalten. Diese kommen in der Monotherapie deutlich seltener vor als in der höher dosierten Kombinationstherapie, mir scheint, dass hier eine individuelle Schwelle vorliegt, oberhalb derer diese Nebenwirkungen auftreten können.

    Das Herausfordernde am Umgang mit Topiramat besteht entsprechend darin, dass die absolute Höhe dieser individuellen Schwelle variiert. Gerade in höheren Dosisbereichen ist es deswegen wichtig, einen Dosierungsschritt nach oben eher vorsichtiger zu wählen. Auch sollte die Aufmerksamkeit der Angehörigen bei ambulanter Eindosierung diesbezüglich geschärft werden. Insgesamt vertragen die meisten Patienten Topiramat in der Monotherapie in Dosierungen von        50-100 mg sehr gut.

    Wir sind im Laufe der Jahre wesentlich mutiger geworden, seit wir in Kork unsere monozentrische Studie durchgeführt haben, in deren Verlauf ein Teil unserer Patienten ambulant wie stationär rascher zu anderen Antikonvulsiva eindosiert wurden. Die Anzahl der Patienten, die nach einer raschen Eindosierung die Therapie nicht fortführten, erschien mir unabhängig von der Titrationsgeschwindigkeit zu sein.

    ? Was ist Ihre wichtigste Empfehlung zum richtigen Umgang mit Topiramat?

    Steinhoff: Bei erwachsenen Patienten, bei denen ein sehr rascher Wirksamkeitseintritt nicht unbedingt notwendig ist, sollten entsprechend der Herstellerinformationen die Eindosierung mit 25 mg abends vorgenommen werden und dann wöchentlich um 25-50 mg bis zu einer vorläufigen Erhaltungsdosis von 100 mg (50 mg - 0 - 50 mg) aufdosiert werden.

    Wenn aus der Situation heraus eine schnellere Aufdosierung wünschenswert ist, ist das nach meinen Erfahrungen möglich, da diese in meinen Augen kein essenziell größeres Potenzial für Störwirkungen mit sich bringt.

    Die häufig diskutierten kognitiven Nebenwirkungen können - wenn auch deutlich seltener - auch in der Monotherapie auftreten. Hier scheint mir bei den betroffenen Patienten eine individuelle Schwelle vorzuliegen, über der diese Nebenwirkungen auftreten können. Gerade in höheren Dosisbereichen empfehle ich daher die Dosierungsschritte vorsichtig zu wählen.

    Die Kunst besteht darin, in höheren Dosisbereichen in einem zweiten Schritt nach der rascheren Aufdosierung die variable Schwelle zu ermitteln, um so das Potenzial der Substanz optimal zu nutzen.

    ! Sehr geehrter Herr Prof. Steinhoff, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!