Dtsch Med Wochenschr 2007; 132(34/35): 1769
DOI: 10.1055/s-2007-984965
Pro & Contra | Commentary
Gastroenterologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Überwachungsstrategien beim Barrett-Ösophagus - contra

Strategies for monitoring patients with Barrett's esophagus - contraH. Koop1
  • 1II. Innere Klinik - Gastroenterologie, HELIOS Klinikum Berlin-Buch, Berlin
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eingereicht: 3.5.2007

akzeptiert: 14.6.2007

Publication Date:
23 August 2007 (online)

Fiktion: Stellen Sie sich vor, dass bei einem Ihrer jüngeren Patienten anlässlich einer zur Gewinnung einer Dünndarmbiopsie durchgeführten Gastroskopie eine 3 × 6 mm große Zylinderepithelzunge mit spezialisiertem intestinalem Epithel gefunden wurde, d. h. ein kurzstreckiger (Short-) Barrett-Ösophagus. Würden Sie nun - entsprechend der Leitlinie - einen solchen, bis auf gelegentliche Diarrhoen asymptomatischen Patienten über ein möglicherweise erhöhtes Risiko für ein Adenokarzinom der Speiseröhre aufklären, ihn erneut innerhalb von 12 Monaten und danach alle 4 Jahre endoskopieren und biopsieren lassen?

Dieses Szenario ist nicht abwegig, finden sich doch in bis zu 6 % [3] asymptomatischer Patienten kleine Barrett-Zungen! Sollten alle diese Patienten in ein Überwachungsprogramm eingeschleust werden, wie es die meisten Leitlinien, so auch die der deutschen Fachgesellschaft [1], nahe legen?

Die Überwachungsstrategien beim Barrett-Ösophagus wurden entwickelt, weil es sich um eine gesicherte Präkanzerose handelt. Eine maligne Transformation ist bei 0,3 bis 0,6 % der Patienten pro Jahr zu erwarten, allerdings sind solche Zahlen nur für den langstreckigen Barrett-Ösophagus belegt, für den Short-Barrett dagegen weitgehend unbekannt und vermutlich um den Faktor 10 - 50 geringer. Das Malignomrisiko steigt mit der Länge des Barrett-Ösophagus an, ein weiterer relevanter Risikofaktor ist der Nachweis einer hochgradigen intraepithelialen Neoplasie (IEN = Dysplasie) im Biopsiematerial.

Welches ist/sind Ziel(e) der Überwachungsmaßnahmen: Lebensverlängerung? Rechtzeitige Erkennung von frühen und damit heilbaren Karzinomstadien? Prävention der malignen Transformation?

Lebensverlängerung. Nur wenige Patienten mit einem Barrett-Ösophagus sterben am Malignom der Speiseröhre (weit unter 5 %) und die Lebenserwartung unterscheidet sich nicht von der in der Normalbevölkerung. Eine Überwachung wird folglich hier wenig ändern (können).

Früherkennung des Karzinoms. In epidemiologischen Studien wurden in der Vergangenheit bei gastroskopierten Patienten signifikant häufiger frühe Stadien eines Barrett-Karzinoms gefunden. Indes fehlen bis heute prospektiv randomisierte Studien, die eine frühzeitigere Entdeckung operabler, u. U. endoskopisch therapierbarer Karzinome durch eine intensive Überwachung belegen. Der subjektive Erfahrungshorizont tertiärer Zuweisungszentren vermittelt da sicher kein realistisches Bild. Im Übrigen wäre der Ressourcenverbrauch immens, wenn über Fälle mit langstreckigem Barrett-Ösophagus hinaus jede kleine Barrett-Metaplasie lebenslang überwacht würde. Nicht berücksichtigt wird hierbei, dass die Reproduzierbarkeit der Diagnose „Barrett-Ösophagus” in der Praxis höchst unbefriedigend ist, zudem auch unter Pathologen eine große Variabilität insbesondere der Dysplasiediagnose besteht [2]. Essentiell scheint zu sein, die Indexendoskopie und -biopsie sorgfältig durchzuführen, um eine IEN zu erkennen.

Prävention des Barrett-Karzinoms. Präventive Ansätze zielen einerseits auf eine thermische Destruktion der Barrett-Schleimhaut, andererseits auf eine Blockierung der malignen Transformation durch Hemmung der Cyclooxygenase-II. Letzterer Aspekt, der auch bei Kolonadenomen verfolgt wurde, hat sich aufgrund der kardiovaskulären Nebenwirkungen der Cyclooxygenase-II-Hemmer (Coxibe) als nicht realisierbar erweisen. Zudem kehrt das Barrett-Epithel nach Ablation durch photodynamische Therapie (PDT), Laser, Argon-Beamer etc. auch unter suffizienter Säuresuppression oft wieder, oder es kommt zu schweren Komplikationen wie Strikturen (z. B. bei der PDT). Schließlich sollte berücksichtigt werden, dass nur bei maximal 5 - 10 % der Barrett-Karzinome zuvor die Existenz des Barrett-Ösophagus bekannt war.

Fazit: 1. Bei hoher Qualität der Indexendoskopie mit adäquaten Biopsien und ggf. Therapie der hochgradigen IEN bzw. des Karzinoms ist der Nutzen einer Überwachung bis auf ausgewählte Fälle mit ausgedehntem Barrett-Ösophagus äußerst fraglich; 2. unauffällige kleine Barrett-Zungen sollten weitgehend ignoriert werden.

Literatur

  • 1 Koop H, Schepp W, Müller-Lissner S. et al . Gastroösophageale Refluxkrankheit - Ergebnisse einer evidenzbasierten Konsensuskonferenz der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten.  Z Gastroenterol. 2005;  43 163-194
  • 2 Meining A, Ott R, Becker I. et al . The Munich Barrett follow up study: suspicion of Barrett’s oesophagus based on either endoscopy or histology only - what is the clinical significance?.  Gut. 2004;  53 1402-1407
  • 3 Rex D K, Cummings O W, Shaw M. et al . Screening for Barrett’s esophagus in colonoscopy patients with and without heartburn.  Gastroenterology. 2003;  125 1670-1677

Prof. Dr. med. Herbert Koop

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