psychoneuro 2007; 33(6): 257
DOI: 10.1055/s-2007-985124
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

16th European Stroke Conference - Paradigmenwechsel in der Schlaganfalltherapie?

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Publication Date:
26 July 2007 (online)

 
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Nach Schätzungen der WHO erleiden in den Industrienationen etwa 5,5 Millionen Menschen pro Jahr einen Schlaganfall. Schlaganfall ist damit heute die dritthäufigste Todesursache weltweit. Dabei werden in Deutschland die direkten Kosten pro Patient im ersten Jahr der Erkrankung auf rund 15000 Euro geschätzt, stellte Mary Baker von der European Federation of Neurological Associations auf einer Pressekonferenz vor. Aufgrund bleibender Schäden und/oder weiterer Schlaganfälle werden die Kosten in den folgenden Jahren weiter zunehmen. Etwa 20 % der betroffenen Patienten müssen in Pflegeheimen langfristig betreut werden [1]. Präventive Maßnahmen sollten daher einen hohen Stellenwert einnehmen, forderte Baker.

Wird nach einem ischämischen Schlaganfall jedoch schnell genug gehandelt, d.h. innerhalb eines Zeitfensters bis drei Stunden nach dem Ereignis eine thrombolytische Therapie durchgeführt, kann eine bleibende Behinderung der Betroffenen oft vermieden werden. So die Ergebnisse der bisher größten Beobachtungsstudie nach akutem Schlaganfall (SITS-MOST, Safe Implementation of Thrombolysis in Stroke-Monitoring Study), die Prof. Werner Hacke, Universität Heidelberg, diskutierte [2].

In dieser europäischen, prospektiven Studie erhielten 6483 Patienten nach akutem Schlaganfall innerhalb von drei Stunden eine Lysetherapie mit Alteplase (Actilyse®). Somit wurde die Sicherheit und Wirksamkeit dieser Therapie in der Praxis überprüft. Kontrollierte randomisierte Studien mit diesem rekombinanten Tissue Plasminogen activator (rt-PA) hatten bereits gezeigt, dass die Patienten signifikant von der Lysetherapie profitieren können [3], [4].

"Die Ergebnisse der SITS-MOST-Studie nach drei Monaten waren beeindruckend", so Hacke. Funktionelle Unabhängigkeit erreichten 39 % der Patienten innerhalb von drei Monaten. "Im Vergleich dazu wird dies ohne Lysetherapie im Durchschnitt nur von knapp 30 % der Patienten erreicht", erklärte Hacke. Symptomatische intrakranielle Blutungen, die das Hauptrisiko einer thrombolytischen Therapie darstellen, traten in den ersten sieben Tagen auch bei Ärzten, die bisher keine große Erfahrung mit der Lysetherapie hatten, noch seltener auf als in den bisherigen Studien (7,3 % versus 8,6 %). Die Mortalität nach den ersten drei Monaten lag bei 11,3 %, in den bisherigen Studien wurde eine Mortalität von 17,3 % beobachtet. Die Therapie mit Actilyse® sollte daher bei geeigneten Patienten innerhalb von drei Stunden nach akutem Schlaganfall routinemäßig durchgeführt werden, schloss Hacke, "je früher, desto besser das Behandlungsergebnis, vorzugsweise in den ersten 90 Minuten".

Bisher erhalten jedoch in Europa nur 4 % der Patienten eine Lysetherapie, obwohl nationale (z.B. DGN-Leitlinien) und internationale Leitlinien diese als Therapie der ersten Wahl bezeichnen, so z.B. auch die aktuellen Leitlinien des National Institute of Clinical Excellence NICE (www.guidance.nice.org.uk, Stand Mai 2007) "Wenn Alteplase innerhalb von drei Stunden eingesetzt wird, ist dies besser als eine bestmögliche Begleittherapie alleine".

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Kombination von Dipyridamol plus ASS besser als ASS

Auch zur Sekundärprävention von Schlaganfällen gibt es neue Ergebnisse. Hacke stellte die brandaktuellen Ergebnisse einer Metaanalyse vor, nach der die Kombinationstherapie von Dipyridamol und Acetylsalicylsäure (ASS) (z.B. in Aggrenox®) Rezidive besser verhindert als ASS alleine [5]. Nach dieser Analyse von insgesamt 7612 Patienten aus fünf kontrollierten Studien verhindert die Kombinationstherapie, insbesondere mit retardiert freigesetztem Dipyridamol, rund doppelt so viele zweite Schlaganfälle wie ASS in Monotherapie. Das Risiko für vaskuläre Todesfälle, Myokardinfarkt oder nicht-tödliche Schlaganfälle verringerte sich insgesamt signifikant um 18 %. Patienten mit hohem und niedrigem Risiko für weitere vaskuläre Ereignisse profitierten dabei gleichermaßen. Damit bestätigt die Metaanalyse die Daten der ESPS-2-Studie [5].

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Die PRoFESS®-Studie

Zurzeit werden außerdem in der so genannten PRoFESS®-Studie (Prevention Regimen For Effectively avoiding Second Strokes) die Thrombozytenaggregationshemmer Aggrenox® und Clopidogrel in der Schlaganfallsekundärprophylaxe direkt miteinander verglichen, wie Prof. Hans-Christoph Diener, Universität Essen, ausführte. Mit den Ergebnissen dieser Studie, in die über 20000 Patienten eingeschlossen wurden, rechnet Diener auf der nächstjährigen European Stroke Conference in Nizza.

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Abb.1 ESPS-2 (n = 6 607, Beobachtungsdauer 2 Jahre): Die Kombination von ASS und Dipyridamol retard verhindert mehr Rezidive als eine ASS-Monotherapie (nach [6])

Dr. Katrin Wolf

Pressekonferenz "Striking Back at Stroke" am 31. Mai im Rahmen der 16th European Stroke Conference in Glasgow (UK), unterstützt von Boehringer Ingelheim GmbH

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Literatur

  • 01 WHO. World Health Organization . 
  • 02 Wahlgren N . et al . .  Lancet. 2007;  369 275-282
  • 03 NINDS Studie. N Engl J Med 1995; 333 1581-1587
  • 04 The ATLANTIS, ECASS, and NINDS rt-PA Study Group Investigators. Lancet 2004; 363 768-774
  • 05 Gray LJ . et al . European Stroke Conference, Glasgow - UK, 31. Mai 2007. 
  • 06 Diener HC . et al . J Neurol Sci 1996; 143 1-13
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Literatur

  • 01 WHO. World Health Organization . 
  • 02 Wahlgren N . et al . .  Lancet. 2007;  369 275-282
  • 03 NINDS Studie. N Engl J Med 1995; 333 1581-1587
  • 04 The ATLANTIS, ECASS, and NINDS rt-PA Study Group Investigators. Lancet 2004; 363 768-774
  • 05 Gray LJ . et al . European Stroke Conference, Glasgow - UK, 31. Mai 2007. 
  • 06 Diener HC . et al . J Neurol Sci 1996; 143 1-13
 
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Abb.1 ESPS-2 (n = 6 607, Beobachtungsdauer 2 Jahre): Die Kombination von ASS und Dipyridamol retard verhindert mehr Rezidive als eine ASS-Monotherapie (nach [6])